Handball-EM:Der Bundestrainer zeigt Stärke

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Handball-Bundestrainer Christian Prokop. (Foto: AFP)

Christian Prokop nominiert Verteidiger Finn Lemke für die Handball-EM nach - und korrigiert damit einen eigenen Fehler. Das sagt viel aus über seine Arbeit.

Kommentar von Ralf Tögel

Um zwei Uhr nachts, so ließ Christian Prokop wissen, hatte sich die Erkenntnis so weit in ihm verfestigt, dass er zum Telefon griff. Er habe Finn Lemke auf Fuerteventura darüber informiert, dass er nach Zagreb kommen solle, gab der Handball-Bundestrainer am Dienstag überraschend bekannt. Dort weilte der 25-jährige Defensivspezialist mit seinem Arbeitgeber MT Melsungen im Trainingslager. Damit darf man Prokop, dem neuen Mann am Spielfeldrand der DHB-Auswahl, nun mit einigem Recht einen Fehler bei der Zusammenstellung seines Kaders unterstellen.

Seine ursprüngliche Entscheidung, Lemke durch den Novizen Bastian Roschek zu ersetzen, war ja auf viel Kritik gestoßen - zumal Roschek bei Prokops ehemaligen Verein Leipzig unter Vertrag steht. Und die Entscheidung war falsch.

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Lemke ist einer, der den Laden zusammenhält

Das hat Prokop, ein bekennender Freund der ausführlichen Videoanalyse, beim intensiven nächtlichen Studium der Partie gegen Slowenien offenbar erkannt - und korrigiert. Das ist ein bemerkenswerter Schritt, denn der Bundestrainer hätte auch noch das Spiel gegen Mazedonien abwarten können, gegen eine eher reife, sehr physische Mannschaft, die dem deutschen Abwehrspiel sicher auch ohne Lemke mehr entgegengekommen wäre als die flinken, klein gewachsenen Slowenen.

Aber Finn Lemke ist eben einer, der den Laden zusammenhält, die Kollegen dirigiert, die Reihen schließt, Lücken stopft. Der Rückraumspieler war beim Titelgewinn in Polen der Turm in der Schlacht, der Motivator, ein respektierter Leader, eine Art Vorzeige-Bad-Boy: alles in allem also genau der richtige Mann für das wichtige Gruppenspiel gegen Mazedonien am Mittwoch.

Christian Prokop hat das erkannt, spät, sicherlich, aber er ist sich nicht zu fein, einen Fehler zuzugeben. Mit diesem Eingeständnis der eigenen Schwäche zeigt der Bundestrainer Stärke. Und er beweist, dass seine Beteuerungen über die Wichtigkeit eines jeden Spielers aus dem 20er-Kader keine hohlen Phrasen sind. Prokop, 39, ist ein Anführer, dem der sportliche Erfolg offenbar wichtiger ist als persönliche Eitelkeiten. Ein junger Systemtrainer, der stets betont, dass das Kollektiv über Einzelschicksalen steht, der weiß, dass nur das Ergebnis zählt. Dafür ist er bereit, alles zu geben, ohne auf eigene Befindlichkeiten zu achten. Ganz egal, wie spät es ist.

© SZ vom 17.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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