Handball-EM:Weshalb Deutschland noch einen Siebenmeter bekam

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Deutschlands Torhüter Silvio Heinevetter (rechts) protestiert beim litauischen Schiedsrichter Vaidas Mažeika - mit Erfolg. (Foto: dpa)
  • Die deutsche Handball-Nationalmannschaft bekommt im EM-Vorrundenspiel nach Einsatz des "Instant Replay", einer Art Videobeweis, noch einen Siebenmeter gegen Slowenien und holt dadurch ein Unentschieden.
  • Was ist bei der Handball-EM passiert? Und warum haben die Schiedsrichter so entschieden?
  • Hier geht es zu allen Ergebnissen der Handball-EM.

Von Carsten Scheele

Die Pein der Slowenen war gewaltig. Trainer Veselin Vujović stand mit weit ausgebreiteten Armen in der Handballhalle in Zagreb, mit Verzweiflung in den Augen. Noch am Abend legte der slowenische Verband dann Protest gegen das 25:25 im Vorrundenspiel gegen die deutsche Handball-Nationalmannschaft ein, dieser wurde von der Europäischen Handball-Föderation (EHF) jedoch abgewiesen.

Denn so bitter der Moment für die Slowenen war, so hart die Strafe, nach Ablauf der Spielzeit noch auf eine rote Karte und Siebenmeter für Deutschland zu entscheiden: Das Urteil war regelkonform und richtig. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist in den letzten Sekunden der Partie passiert?

Sieben Sekunden vor Schluss hatte Blaž Janc den vermeintlichen Siegtreffer zum 25:24 für Slowenien erzielt. Die deutsche Mannschaft brachte den Ball über Torhüter Silvio Heinevetter noch einmal zur Mitte, die eine Hälfte der slowenischen Spieler jubelte schon, die andere verstellte Paul Drux am Mittelkreis den Weg, der zu einem letzten Verzweiflungswurf ansetzen wollte. Nach mehrminütigem Videostudium entschieden die Schiedsrichter auf Rot für den Slowenen Blaž Blagotinšek und Siebenmeter für Deutschland, den Tobias Reichmann zum 25:25-Endstand verwandelte.

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Was haben die Slowenen falsch gemacht?

Sie haben mit einer Unsportlichkeit den deutschen Anwurf verhindert. Blagotinšek stellte sich viel zu nah vor Drux, behinderte ihn, Drux konnte während der regulären Spielzeit nicht mehr werfen. Laut des aktuellen Handball-Regelwerks (hier zum Nachlesen) müssen die gegnerischen Spieler bei Wurfausführung einen Drei-Meter-Abstand einhalten (Regel 10.4). Im normalen Spielverlauf werden Abstandsvergehen mit Gelb oder einer Zwei-Minuten-Strafe geahndet (Regel 8.7 d).

Warum gab es aber Rot und Siebenmeter?

Weil das Vergehen in den letzten 30 Sekunden des Spiels stattfand (Regel 8.10 c). Die internationalen Handballregeln wurden erst 2016 verschärft, um taktische Fouls kurz vor Spielende härter zu bestrafen. Dazu gehören das Nichteinhalten eines Abstands und das Hindern eines Spielers am Wurf. Auch Ersatzspieler, Trainer oder Offizielle können bestraft werden, wenn sie das Spielfeld betreten und den Spielfluss stören.

Ist die Regel sinnvoll?

Ja. Vor der Regeländerung war es Mannschaften möglich, durch taktische Schlauheiten oder Unsportlichkeiten einen knappen Vorsprung über die Zeit zu retten. Passiert dies nun, gibt es Siebenmeter für die gegnerische Mannschaft, was in den meisten aller Fälle zu einem Tor führt. Der Anreiz, in den letzten Sekunden fair zu verteidigen, ist erhöht worden.

Hätte Drux überhaupt ein Tor erzielt?

Sehr wahrscheinlich nicht. Die Slowenen hätten den Deutschen einfach aus großer Distanz aufs Tor werfen lassen können. Der Torwart hätte den Wurf aus 20 Meter Entfernung vermutlich leicht pariert.

Warum hat sich die Entscheidung der Schiedsrichter so lange hingezogen?

Die Möglichkeit des "Instant Replay" steht den Schiedsrichtern erstmals bei einer EM zur Verfügung. Zunächst schauten sich die litauischen Referees Mindaugas Gatelis und Vaidas Mažeika dabei offenbar die falsche Szene an; als ihnen die richtige vorgespielt wurde, dauerte es weitere Minuten, ehe sie sich sicher waren. Es ging um die Frage, ob der Ball Drux' Hand vor oder nach Ablauf der 60 Minuten verlassen hatte. Weil er das Spielgerät beim Ertönen der Schlusssirene noch in der Hand hielt, also direkt am Wurf gehindert wurde, gab es Rot und Siebenmeter. Wäre der Ball schon wieder im Spiel gewesen, hätte es lediglich die persönliche Strafe gegen Blagotinšek und einen Freiwurf gegeben.

Warum wurde der Protest abgewiesen?

"Die Entscheidung der EHF überrascht uns nicht, da diese regelkonform war und ist", sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning: "Wir respektieren aber weiterhin den slowenischen Protest und können die Enttäuschung aufgrund des dramatischen Spielendes nachvollziehen." Eine Wiederholung des Spiels wäre allein aus Termingründen problematisch geworden: Deutschland absolviert schon am Mittwoch sein nächstes EM-Spiel gegen Mazedonien (18.15 Uhr, ARD und im SZ-Liveticker).

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