Handball:Mit Vollgas ins Finale

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Gut gebrüllt, Wolff! Der im Auftaktspiel geschonte Torwart war beim Sieg gegen Slowenien der große Rückhalt der deutschen Mannschaft. (Foto: Martin Rose/Getty Images)

Mit dem 36:27 über Slowenien macht die deutsche Mannschaft einen großen Schritt Richtung Olympia-Teilnahme. Im abschließenden Qualifikationsspiel gegen Algerien reicht nun schon ein Unentschieden.

Von Joachim Mölter, Berlin/München

Dem Handball-Bundestrainer Alfred Gislason eilt der Ruf voraus, ein Perfektionist zu sein, und als solcher war er natürlich auch am Samstagnachmittag nicht vollkommen zufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft. Die hatte im Rahmen der Olympia-Qualifikation in Berlin zwar gerade 36:27 (22:12) gegen Slowenien gewonnen und damit einen großen Sprung in Richtung Tokio gemacht nach dem eher kleinen Schrittchen tags zuvor beim 25:25 gegen den WM-Zweiten Schweden. "Es war genau das, was wir uns erhofft hatten", lobte der Isländer zwar, doch er bezog das bloß auf die ersten 45 Minuten, in denen seinen Spielern tatsächlich fast alles gelang. Aber beim Stand von 30:18 und im Gefühl des sicheren Sieges waren die deutschen Handballer nachlässig geworden, und Gislason hatte sie in einer Auszeit schimpfen müssen deswegen: "Wir haben völlig die Konzentration verloren, vorne wie hinten", kritisierte er, als es plötzlich nur noch 31:27 stand (54.). Und er mahnte eindringlich: "Das ist jetzt kein Auslaufen oder so!"

Auslaufen können sich die Auswahlspieler des Deutschen Handballbundes (DHB) frühestens am Sonntagabend, wenn sie auch das dritte und letzte Duell in diesem Viererturnier hinter sich haben. Algerien heißt der Gegner beim Turnierfinale am Sonntag (15.45 Uhr, ZDF), ein Außenseiter nur im Vergleich zum WM-Zweiten Schweden und dem EM-Vierten Slowenien, aber Alfred Gislason warnte, ihn zu unterschätzen: "Wir müssen durchziehen und mit Vollgas in dieses Spiel gehen, wir brauchen dringend die zwei Punkte. Eine Niederlage würde alles ruinieren."

Angesichts der Tabellensituation reicht zwar auch schon ein Unentschieden, um sicher bei den Olympischen Spielen in Tokio (23. Juli bis 8. August) dabei zu sein. Aber Rechtsaußen Timo Kastening, fünffacher Torschütze am Samstag, wollte sich auf so einen Gedanken keinesfalls einlassen: "Wir müssen hundert Prozent geben, um gar nicht erst nachrechnen zu müssen." Auch der sechsfache Torschütze Julius Kühn mahnte: "Wir müssen noch gegen Algerien liefern."

Die DHB-Auswahl präsentiert sich nach der wechselhaften Vorstellung gegen Schweden wie ausgewechselt

Nach dem glücklichen Unentschieden gegen Schweden hatte Gislason eine unruhige Nacht gehabt, wie er am Samstag zugab: "Gut habe ich nicht geschlafen." Ihm und all seinen Spielern war ja bewusst, dass eine Niederlage gegen Slowenien die Chancen für Olympia fast schon auf Null reduzieren würde. "Es sind große Brocken der Last von mir gefallen", bekannte er: "Der Druck war groß, aber die Mannschaft hat überragend reagiert." In der Tat präsentierte sich die DHB-Auswahl nach der wechselhaften Vorstellung gegen Schweden wie ausgewechselt.

Der nach seiner Zuschauerrolle am Freitag ins Tor zurückgekehrte Andreas Wolff hielt bärenstark, sofern die ebenfalls gut zupackende Abwehr um Hendrik Pekeler und Johannes Golla überhaupt mal einen Ball durchließ. Insgesamt wehrte Wolff zehn von 27 Würfen ab, eine überdurchschnittliche Quote. Auf diesem Fundament kam auch der Angriff in Schwung, es gab viele Tore durch Gegenstöße, die Slowenen wurden regelrecht überrollt. Innerhalb von fünf Minuten machten die Deutschen aus einem 5:5 (10.) ein 11:6, und nach einem weiteren Zwischenspurt war die Führung sogar noch vor der Pause zweistellig (21:10/28.). "Heute kam alles zusammen, um ein perfektes Spiel abzuliefern", fand Kastening.

Bundestrainer Gislason versucht, die aufkeimende Debatte um seinen Kapitän wegzumoderieren

Erst in der Schlussviertelstunde geriet die DHB-Auswahl ins Stocken. Da fing Gislason mit dem Durchwechseln an, um seine besten Akteure zu schonen und den anderen Spielpraxis zu verschaffen vor der alles entscheidenden Begegnung mit Algerien. So kam Melsungens Torhüter Silvio Heinevetter an seiner einstigen Wirkungsstätte in der Berliner Max-Schmeling-Halle zu seinem 200. Länderspieleinsatz, und auch der zuletzt formschwache Kapitän Uwe Gensheimer durfte für Linksaußen Marcel Schiller noch aufs Parkett.

Wie bereits gegen Schweden, als er das rettende Tor zum 25:25 erzielte, war Schiller der erfolgreichste Werfer des DHB-Teams, diesmal sogar mit sieben Treffern. Gislason musste deshalb nach der Partie die bereits bei der WM in Ägypten aufkeimende Debatte um seinen Kapitän wegmoderieren. "Marcel hat das heute sehr gut gemacht, aber die beiden teilen sich die Position", erklärte er und stellte Gensheimer gegen Algerien wieder eine größere Rolle in Aussicht: "Wenn man jeden Tag spielen muss, kann man es sich leisten zu wechseln zwischen guten Außen." Eine Stammplatzgarantie war das nicht. Aber solange alle anderen Mannschaftteile so gut funktionieren wie am Samstag, bereitet die Position links außen dem Bundestrainer keine schlaflosen Nächte.

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Von Joachim Mölter

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