TSV Hannover-Burgdorf:Die neuen Spaßmacher im Handball

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Der Jubel sitzt bei den Handballern aus Hannover: Sie gewannen bislang alle ihre Spiele. (Foto: imago images/masterpress)
  • Dem TSV Hannover-Burgdorf wurde kaum etwas zugetraut in dieser Saison.
  • Nach sechs Siegen in den ersten sechs Partien findet das Spitzenspiel der Bundesliga plötzlich in Hannover statt.
  • Der Ex-Nationalspieler und heutige Geschäftsführer Sven-Sören Christophersen vertraut stark auf die Talente aus den eigenen Reihen.

Von Carsten Scheele, Hannover

Der Handball-Torhüter Domenico Ebner ist mit seinen 25 Jahren eher unverdächtig, als Routinier durchzugehen, wobei: In seinem Klub, dem TSV Hannover-Burgdorf, kann es passieren, dass er der älteste Spieler auf dem Feld ist. Neulich geschehen gegen Balingen: Da stand Ebner hinten im Tor, vor ihm tummelten sich Martin Hanne, 18, Hannes Feise, 23, Veit Mävers, 18, Ivan Martinovic, 21, Timo Kastening, 24, und Joshua Thiele, 21. Malte Sommer und Vincent Büchner, beide 21, saßen auf der Bank.

Das Team des spanischen Trainers Carlos Ortega bricht gerade ein paar Rekorde, nicht nur den der jüngsten Hannoveraner Sieben, die in der Bundesliga je auf dem Feld stand. Nach missratener vergangener Spielzeit wurde der Mannschaft kaum etwas zugetraut, nun ist sie mit sechs Siegen und 12:0 Punkten stark wie nie zuvor in eine Saison gestartet. Hannover ist Erster, als einziges Team noch verlustpunktfrei - wenn am Donnerstag die SG Flensburg-Handewitt in die niedersächsische Landeshauptstadt kommt, ist es nach jetzigem Stand das Spitzenspiel in der besten Handball-Liga der Welt.

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Nachruf von Carsten Scheele

Mit einem Lauf wie diesem kennen sie sich aus in Hannover: Vor zwei Jahren gewann der Klub überraschend die ersten fünf Spiele, landete am Ende immerhin im internationalen Geschäft. Tabellenplatz eins ist auch diesmal bloß eine Momentaufnahme - bis Mitte Oktober, nach den Spielen gegen Flensburg, Magdeburg oder Mannheim, dürfte sich einiges relativieren. Trotzdem war dem Klub ein solcher Start kaum zuzutrauen. Als vor der Saison etablierte Kräfte wie Nationalspieler Kai Häfner die Stadt verließen, hatte die sportliche Leitung um Ortega und Geschäftsführer Sven-Sören Christophersen beschlossen, verstärkt der Jugend eine Chance zu geben. Hannover hat einen guten Unterbau, spielt mit allen höheren Jugendmannschaften in der Bundesliga. Der frühere Nationalspieler Christophersen (101 Länderspiele), der bis vor einem Jahr noch selbst auf der Platte stand, verfolgt eine klare Linie: Er will keine erfahrenen Spieler verpflichten, wenn einer aus dem eigenen Nachwuchs über eine annähernd ähnliche Qualität verfügt. "Wir dürfen dem eigenen Nachwuchs nicht die Tür zumachen", sagt Christophersen, "lieber öfter mal einen jungen Spieler ins kalte Wasser werfen."

Selbst Stefan Kretzschmar, der mit Lob ansonsten eher sparsam umgeht, lobt

Es kann schiefgehen, wenn jüngere Jahrgänge dem Druck in der Bundesliga nicht standhalten. In Hannover klappt das bislang gut - trotz mancher Verletzungssorgen, die Trainer Ortega umtreiben. Alle drei Heimspiele wurden gewonnen, dazu auswärts in Göppingen, in Lemgo, in Stuttgart. Immer wieder sind junge Spieler über sich hinausgewachsen, zuletzt Martinovic, der in Stuttgart sechs Treffer erzielte. Die Mannschaft wirkt wie ein verschworener Haufen aus Jung und Alt, "wir wollen die Welle weiterreiten", sagt Christophersen. Sogar der frühere Nationalspieler und heutige TV-Experte Stefan Kretzschmar, der mit Lob ansonsten eher sparsam umgeht, findet: "Es macht Spaß, sich Hannover in diesem Jahr anzugucken."

Was besonders gut funktioniert: dass die Positionen im Spiel doppelt besetzt sind, mit erfahrenen und jungen Spielern. Zum Beispiel in der Mitte, wo der aktuell überragende Däne Morten Olsen, 34, das Spiel dirigiert, nebenbei aber viel Zeit aufwendet, um sein Wissen an Veit Mävers, Jahrgang 2000, weiterzugeben. Wenn Olsen, der Weltmeister und Olympiasieger, die Recken 2020 in Richtung seiner Heimat verlässt, trauen sie Mävers eine große Zukunft zu. Im linken Rückraum, wo Nationalspieler Fabian Böhm gesetzt ist, springt Martin Hanne, Jahrgang 2001, immer wieder kraftvoll ein. "Für uns ist das im Moment der beste Weg, attraktiven Handball zu spielen", sagt Christophersen. Er hofft, dass die jungen Spieler so besonders schnell wachsen, ähnlich wie Timo Kastening, der Torewerfer auf Rechtsaußen, der wie viele andere aus der Region stammt und es bis zum Nationalspieler gebracht hat. An ihm muss Christophersen sehen, was passiert, wenn sich die Ausbildungszeit in Hannover dem Ende entgegen neigt: Kastening ist zum überdurchschnittlichen Bundesligaspieler gereift, er wird bald weiterziehen. Der Transfer ins finanzkräftigere Melsungen steht kurz bevor.

Am Donnerstagabend gegen Meister Flensburg-Handewitt rechnen viele in der Liga mit dem ersten Dämpfer für Hannover in dieser Saison - aber längst nicht alle. Kapitän Fabian Böhm fragt bereits selbstbewusst: "Warum sollen wir da nicht auch etwas mitnehmen?"

© SZ vom 26.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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