Videobeweis im Handball:Spät dran, aber dafür richtig?

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So läuft der Videobeweis im Handball: Die Schiedsrichter gucken sich eine strittige Szene am Bildschirm noch einmal an. (Foto: Jan Kaefer/Beautiful Sports/Imago)

Die Handball-Bundesliga führt den "Videobeweis light" ein - mit einigen Jahren Verspätung. Dafür hofft sie, Ärgernisse aus dem Fußball vermeiden zu können.

Von Carsten Scheele

Vorgeprescht ist die Handball-Bundesliga (HBL) beim Thema Videobeweis kaum, nein, das lässt sich wirklich nicht behaupten. Im Fußball gibt es den häufig umstrittenen Video Assistent Referee (kurz VAR) seit der Saison 2017/18. Schiedsrichter im Basketball oder Eishockey sind ebenfalls längst vertraut mit dem technischen Hilfsmittel. Und auch im internationalen Handball, etwa bei Weltmeisterschaften oder in der dänischen Liga, wird der Videobeweis praktiziert. Nur die Bundesliga, die zierte sich.

Damit ist jetzt Schluss. Zur neuen Saison, die am Mittwochabend mit dem Supercup-Duell zwischen Meister THW Kiel und Pokalsieger Rhein-Neckar Löwen in Düsseldorf startet, hält der Videobeweis Einzug in der Bundesliga. "Wir sind etwas später dran", gibt HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann zu. Seine Hoffnung: Dafür funktioniert er dann auch, dieser Videobeweis.

So, wie die Überprüfung einzelner Szenen geplant ist, hat sie viele Befürworter in der Branche. Das Spiel wird immer schneller, deshalb wird den Schiedsrichtern ein Hilfsmittel zur Verfügung gestellt - sie können es nutzen, müssen aber nicht. Zum Einsatz kommt eine Light-Version der aus dem Fußball praktizierten Variante; so gibt es im Handball keinen "Kölner Keller" (auch keinen Kieler oder Gummersbacher Keller), in dem ein externer Referee das Geschehen am Bildschirm verfolgt und eingreift, wenn er das für richtig erachtet.

Die Generalprobe fand schon einige Tage vor dem Saisonstart statt

Im Handball können alleinig die Schiedsrichter auf der Platte entscheiden, ob und wann sie zum Bildschirm gehen. Besonders dynamische Abwehrhandlungen sind schwer zu bewerten; ganz verborgen bleiben häufig ballferne Aktionen. Da soll der Blick auf die Bildschirme mit mehreren Kameraperspektiven den Schiedsrichtern den Job erleichtern. Genutzt werden kann der Videobeweis nur in "wichtigen" Situationen, etwa bei der Frage, ob ein Torerfolg vorliegt, bei Disqualifikationen oder Entscheidungen innerhalb der letzten 30 Sekunden eines Spiels.

Entschieden werden soll - das ist ganz wichtig - ohne große Verzögerungen. Szenen aus dem Fußball, in denen auch nach einigen Minuten nicht klar ist, ob ein Tor nun zählt oder nicht, soll es nicht geben. Für den deutschen Spitzenreferee Robert Schulze, der mit seinem Gespannspartner Tobias Tönnies den Videobeweis international bereits nutzt, ist dieser Punkt besonders wichtig. Der Einsatz der Technik dürfe "niemals viele Momente und Emotionen später etwas korrigieren, was gefühlt mehrere Spielsituationen vorher geschehen ist und die Emotionen aller durcheinander bringt", sagt Schulze.

Die Generalprobe fand bereits vier Tage vor dem Supercup statt, am Sonntag in Hannover beim Freundschaftsspiel der "Recken" gegen den FC Barcelona. Zweimal unterbrachen die Schiedsrichter Nils Blümel und Jörg Loppaschewski die Partie, um Videobilder zu studieren. Einmal erhielt Hannovers Spielmacher Tilen Strmljan nachträglich eine Zwei-Minuten-Strafe. Beim zweiten Einsatz gab es Siebenmeter für Hannover und eine Zeitstrafe für Barcelonas Manuel Ortega. Ein Dutzend Vereinsvertreter anderer Bundesligisten war gekommen, um sich vor Ort anzuschauen, wie der Videoeinsatz technisch abläuft. Zu sehen war: Es klappte ganz gut.

Kommt auch eine Challenge für die Trainer?

Eine Weiterung könnte auf die Handballer in den nächsten Jahren noch zukommen, denn es wird diskutiert, ob der Videobeweis durch eine Challenge für die Trainer erweitert wird. Hier sind plötzlich nicht mehr alle uneingeschränkt begeistert: Während Kiels Geschäftsführer Viktor Szilagyi sagt, er sei ein "absoluter Befürworter" dieser Idee, ist Magdeburgs Trainer Bennet Wiegert skeptisch. Pro Spiel könnte jeder Trainer einmal das Recht erhalten, die Schiedsrichter zur Überprüfung einer Situation an die Bildschirme zu bitten, wobei man bei einer "falschen Challenge" (der Schiedsrichter hatte doch Recht) den Verlust einer Auszeit riskiert. Diese Challenge im falschen Moment zu nehmen und dafür sanktioniert zu werden, "das ist schon Hardcore", sagt Wiegert.

Schiedsrichter Schulze sagt, unter den Referees sei die Offenheit für diese Trainer-Challenge "grundsätzlich da". Nötig seien jedoch "Transparenz und klare Kriterien. Es darf im Spiel nicht unnötig kompliziert werden." In der Champions League wird die Challenge in dieser Spielzeit schon angewendet, die Bundesliga hat also Zeit, sich in bewährter Manier das Ganze erstmal anzugucken. Und dann zu entscheiden, ob sie mitzieht oder nicht.

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