Handball-Bundesliga:Abgeprallt an der blauen Wand

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Der dreimalige dänische Weltmeister Niklas Landin brachte die Berliner Werfer mit seinen Paraden zur Verzweiflung und war Rückhalt beim 36:29-Sieg im Spitzenspiel. (Foto: Frank Molter/dpa)

Der THW Kiel gewinnt dank seines herausragenden Torhüters Niklas Landin das Spitzenspiel gegen Tabellenführer Füchse Berlin - und bringt sich wieder in eine gute Position in einem Meisterschaftskampf , der so eng ist wie selten.

Von Ralf Tögel

Nicht einmal fünf Minuten waren in der zweiten Halbzeit gespielt, da wanderte der Blick von Jaron Siewert zur Hallendecke. Wer genau hinsah, konnte einen Hauch Verzweiflung im Blick des Füchse-Trainers erkennen. Das, was Siewert dort oben auf dem riesigen Ergebniswürfel über dem Spielfeld in der Kieler Wunderino Arena sah, ließ ihn Schlimmes befürchten.

22:17 führte der THW Kiel, der Berliner Coach unterbrach das Spiel also mit einer Auszeit und versammelte seine Spieler um sich. Eine Maßnahme, um den Spielfluss des Gegners zu stören und dem eigenen Spiel mit ein paar taktischen Anweisungen Struktur zu geben. Bis dahin hatten die Füchse gut mitgehalten, ehe sie von Kiels Torhüter Niklas Landin aus ihrem Rhythmus gebracht wurden. Wie ein blaue Wand stand er den Würfen der Angreifer im Weg, seine herausragenden Paraden veredelten die Kieler dann mit ihrem gefürchteten Tempospiel in schnelle Tore. Höchste Zeit also für Siewert, diesen Lauf zu unterbrechen.

Aber es war zu spät.

Denn der zweimalige Welthandballer im Tor des deutschen Rekordmeisters war kaum mehr zu überwinden, Landin sicherte dem THW einen 36:29-Sieg. Damit ist Kiel zurück im Titelkampf, nachdem der Rekordmeister seine jahrelange Dominanz schon verloren zu haben schien. 22 Mal hat der THW den Titel bisher an die Förde geholt, so oft wie kein anderer Klub, phasenweise mit einer für den Wettbewerb toxischen Dominanz. Wie etwa im Jahr 2012, als der THW auf dem Weg zum Titel keinen einzigen Punkt abgab. Doch dann kam die Konkurrenz immer stärker auf; als erste knackten die Rhein-Neckar Löwen die Kieler Titelserie mit den Meisterschaften 2016 und 2017, ehe die SG Flensburg-Handewitt zweimal nacheinander das beste deutsche Team war.

So spannend war die Saison noch nie: Zehn Spieltage vor Saisonschluss haben fünf Teams Titelchancen

Was der Branchenprimus - der THW hat mit etwa 13 Millionen Euro nach wie vor den höchsten Etat in der Bundesliga -, nicht hinnehmen wollte und sich einen Kader zusammenbaute, der in den folgenden beiden Jahren die Trophäe wieder nach Kiel holte. Aber die Konkurrenten haben den Abstand weiter verkürzt, zu Flensburg und Mannheim gesellten sich in Vorjahresmeister Magdeburg und eben den Füchsen aus Berlin zwei weitere potente Mitspieler. Das beschert der Liga nach vielen Jahren Eintönigkeit mit einer dominierenden Mannschaft in der aktuellen Spielzeit einen äußerst spannenden Wettbewerb - wohl gemerkt auf weltweit höchstem Niveau. Denn längst ist nicht mehr Kiel die einzige Adresse, die Weltklassepersonal in die Bundesliga lockt.

Nie war der Kampf um die deutsche Meisterschaft derart eng wie in der laufenden Saison: Berlin (39:9 Punkte) bleibt trotz der Niederlage Tabellenführer, dahinter lauern Kiel (38:8), Magdeburg (37:9), die Rhein-Neckar Löwen (37:11) und Flensburg (35:11). Fünf Titelanwärter, die gerade mal drei Minuspunkte trennen - und die alle noch gegeneinander antreten. Gleichwohl hat es der THW wegen der wenigsten Minuspunkte erstmals in dieser Saison in der eigenen Hand, sich die Trophäe aus Sachsen-Anhalt zurückzuholen. Danach sah es bisher nicht aus, die Kieler hinkten lange hinterher, steckten unerwartete Heimniederlagen gegen Lemgo und Leipzig ein und schieden als Pokalsieger im Viertelfinale in eigener Halle gegen Magdeburg aus.

Nach der Heimpleite gegen Leipzig sprach sich die Mannschaft aus

Doch die jüngste 31:34-Heimpleite gegen Leipzig Anfang März hat eine neue Dynamik entfaltet. Denn danach habe sich die Mannschaft zusammengesetzt, hätten sich die Spieler ausgesprochen, erzählte Spielmacher Miha Zarabec den Kieler Nachrichten - eine gewinnbringende Maßnahme. Spätestens beim 41:28-Kantersieg bei Dinamo Bukarest vor einer Woche war die Leichtigkeit zurück im Kieler Spiel. An diesem Mittwoch ist das Playoff-Rückspiel gegen die Rumänen, der Einzug ins Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain scheint Formsache zu sein. Dass die Kieler überhaupt ins Achtelfinale mussten, und nicht wie etwa Meister Magdeburg als Gruppenzweiter für die nächste Runde gesetzt waren, war Resultat einer ungewohnten Abschlussschwäche, die fast alle Akteure befallen hatte und dem THW auch in der Liga zu schaffen machte.

Nun ist die Sicherheit offenbar gerade rechtzeitig zurückgekehrt. Denn diesen beeindruckenden Sieg gegen Berlin allein am herausragenden Torhüter festzumachen, wäre zu kurz gegriffen. Zwar ist der dreimalige Weltmeister Niklas Landin, der auch beim jüngsten WM-Triumph im Januar der große Rückhalt der Dänen war, nach wie vor das Maß der Dinge, aber der THW-Kader ist nach wie vor der wohl am besten besetzte.

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In Zarabec, Sander Sagosen und Domagoj Duvnjak vereint der THW die Spielmacher der Nationalteams von Slowenien, Norwegen und Kroatien in seinem Team. Die Schweden Karl Wallinius und Eric Johansson zählen zu den vielversprechendsten Rückraum-Talenten weltweit. Kiels Kader ist auf jeder Position mindestens mit zwei Weltklassespielern besetzt und hat in Filip Jicha einen erfahrenen Trainer und ehemaligen Welthandballer, der so eine Weltauswahl zu führen weiß.

Die Rückkehr der Langeweile, ob einer dominierenden Mannschaft, ist dennoch weder in dieser noch in den kommenden Spielzeiten zu befürchten. Torhüter Landin sowie die Spielmacher Sagosen und Zarabec werden Kiel verlassen, während die Konkurrenz bereits namhafte Verstärkungen für die kommende Saison nennt. Den Abschied allerdings will sich das prominente Trio mit dem Meistertitel versüßen. Auch das haben sie bei der Aussprache beschlossen.

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