Eishockey:Sechs Zähne raus

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Intensive Serie: die Ingolstädter und Hamburger duellieren sich auch mit Fäusten (Foto: Bongarts/Getty Images)

Beispiellose Prügelei: Im Halbfinale um die deutsche Eishockey-Meisterschaft hat der Hamburger Wolf seinem Gegenspieler mehrere Zähne ausgeschlagen. Ingolstadt wehrt sich auf subtile Art.

Von Christoph Leischwitz

Benedikt Schopper trug tatsächlich einen Zahnschutz, "einen sehr guten", wie ein Sprecher des ERC Ingolstadt bestätigte. Man fragt sich, was denn ohne Zahnschutz passiert wäre. Denn auch so hat der 29-jährige Verteidiger sechs Zähne verloren; einer wackelt noch, hieß es einen Tag später. Die Faust, die das anrichtete, gehört zu David Wolf von den Hamburg Freezers. Wolf ist 24, wiegt 102 Kilo, und womöglich haben seine Maße zur Wirkung seines Ausrasters am Dienstagabend beigetragen.

In den einschlägigen Video-Foren findet man jedenfalls keinen Faustkampf, den Wolf verloren hätte. Er war zudem 2010 mit den Hannover Scorpions schon deutscher Meister in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), er ist Nationalspieler und heuert kommende Saison bei den Calgary Flames an. Man könnte sagen: David Wolf ist in jeder Beziehung erfolgsverwöhnt.

Aber gegen Ende des vierten Spiels der Halbfinalserie in der DEL, beim Stand von 2:4 aus Sicht der Hamburger, merkte Wolf, dass er nur noch im Eins-gegen-Eins gewinnen konnte. Wobei, er legte sich ja gleich mit mehreren Spielern an. Zunächst fuhr er dem Ingolstädter Jakub Ficenec entgegen, in seltsam geduckter Haltung mit Blick nach oben, auf keinen Fall hatte er dabei den Puck im Blick. Er traf Ficenec mit der rechten Hand und seinem Stock im Gesicht, und sofort eilte Schopper herbei.

Auf dem Eis war Schoppers Blut zu sehen

Wolf streifte seine Handschuhe ab und schlug zwei Mal zu, Schopper blieb regungslos liegen. Wolf versuchte ihn hochzuziehen, offensichtlich wollte er weiterkämpfen. Letztlich drosch er weiter auf Ficenec ein, obwohl dieser schon von einem Schiedsrichter geschützt wurde. Als Wolf dann endlich überzeugt werden konnte, das Eis zu verlassen, wurde er mit Getränkebechern beworfen.

Nicht nur Wolf, auch andere Freezers taten vor und nach diesem Rundumschlag wenig, um die Gemüter zu beruhigen - sie finden, diese Playoff-Serie werde von beiden Seiten genauso hart geführt. Auf dem Eis war noch Schoppers Blut zu sehen, da machte ein Betreuer des DEL-Teams direkt vor der Ingolstädter Fankurve eine eindeutige Geste. Und Trainer Benoit Laporte sagte in der anschließenden Pressekonferenz über Wolf: "Der Spieler verliert ein bisschen die Kontrolle. Das ist nicht schön, aber wir sind in den Playoffs." Er hoffe, der Ingolstädter Spieler sei "okay". Erst später entschuldigte er sich ausdrücklich für Wolfs Ausraster.

Drei Tage zuvor hatte sein Team Spiel drei zu Hause knapp mit 2:1 gewonnen, der Tabellenerste der Hauptrunde lag aber trotzdem noch mit 1:2 Spielen zurück gegen den Tabellen-Neunten. Benoit Laporte hatte dann angemerkt, dass in dieser Serie nun der "Krieg" ausgebrochen sei.

So war es auch schon vor Wolfs Aktion ein hartes Spiel gewesen. Die Ingolstädter ließen keine Gelegenheit aus, ihre Gegner an der Bande zu checken, die Hamburger provozierten fast jedes Mal ein Scharmützel, wenn sich ein Ingolstädter ihrem Torwart Sébastien Caron näherte. Ingolstadts Stürmer Patrick Hager sprach danach von einer "Gratwanderung zwischen gesunder Härte und übertriebener Härte", und er deutete an, dass man die vielen Strafen der Hamburger bewusst provoziert habe: "Da musst du auch den einen oder anderen Stockschlag einstecken können und darauf nicht antworten", sagte er.

Der ERC tat das sehr erfolgreich, denn abgesehen von den Strafzeiten im Zusammenhang mit Wolfs Ausraster kam Ingolstadt auf acht, Hamburg auf 28 Minuten. Ingolstadt war nicht unbedingt das bessere Team gewesen, doch spätestens im Schlussdrittel physisch überlegen. Das mündete in einem Hamburger Fruststau, zu dem der Rückstand, permanente Rempel- und Sticheleien sowie die guten Paraden von ERC-Torhüter Timo Pielmeier beitrugen. David Wolfs Umgang mit diesem Frust war das deutlichste Zeichen dafür, wie der gesamte Kader bislang an den selbst auferlegten, hohen Ansprüchen gescheitert ist.

Auch am Tag nach der Boxeinlage gab sich Wolf nur bedingt reuig. "Mir tut es leid", versicherte er, dass ich Benedikt Schopper in dieser Szene verletzt habe. Das habe ich ihm auch direkt am Abend noch mitgeteilt und mich dafür entschuldigt." Doch er sagte eben auch: "Wir sind alles keine Kinder von Traurigkeit, das haben alle bisherigen Playoff-Spiele gezeigt. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft mir in diesen Playoffs schon Kämpfe angedroht wurden. Auch von Schopper." Er sei nicht der Schläger, zu dem er nun abgestempelt werde: "Ich lasse mir den Vorwurf einer Unsportlichkeit nicht gefallen." Die DEL-Disziplinarkommission sperrte Wolf am Mittwochnachmittag allerdings für sieben Spiele. Wirklich relevant wäre die Strafe allerdings nur, wenn Hamburg das Finale erreichen würde - der gebürtige Düsseldorfer wechselt im Sommer in die USA.

Ach ja: Das Spiel endete 5:2. Der ERC Ingolstadt führt nun 3:1 und kann mit einem Sieg am kommenden Freitag in Hamburg schon das Finale erreichen.

© SZ vom 10.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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