Robin Gosens bei Union Berlin:Schlaflos wegen Ritter Keule

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Das erste Treffen mit Ritter Keule vergisst man nie: Robin Gosens und sein Sohn machen Bekanntschaft mit dem Maskottchen von Union Berlin. (Foto: Matthias Koch/Imago)

Bei seinem ersten Medienauftritt bei Union gibt sich Nationalspieler Robin Gosens gelöst und enthusiastisch. Womöglich folgt ihm bald ein weiterer Spieler aus Italien nach Berlin: Innenverteidiger Leonardo Bonucci.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der deutsche Nationalspieler Robin Gosens ist erst gut eine Woche im Stadion An der Alten Försterei in Berlin-Köpenick zu Hause. Aber es gibt schon etwas, das er - zumindest vorerst - nicht wiederholen will: seinen fast zweijährigen Sohn auf die bei Union obligatorische Ehrenrunde im Stadion mit dem überlebensgroßen Ritter Keule mitzunehmen.

"Er hat in der Nacht nicht geschlafen. Er hat die ganze Zeit gezittert und hat's nicht verarbeitet bekommen. Ich habe kein Auge zugetan!", sagte Gosens am Mittwoch über die Stunden nach seinem ersten Bundesliga-Spiel für Union gegen Mainz 05 (4:1). Wobei zur ganzen Wahrheit gehört, dass er selbst schon aufgeregt genug gewesen sein dürfte. Denn es war das erste Bundesligaspiel seiner Karriere - im Alter von 29 Jahren.

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"Ich bin jemand, der im Normalfall vor Spielen nicht nervös ist. Das war im Vorfeld vor dem Mainz-Spiel ein bisschen anders, da war ich etwas aufgewirbelt. Denn ich habe lange auf diesen Moment hingearbeitet", erzählte Gosens, als er sich am Mittwoch auf der Waldseiten-Tribüne der Alten Försterei erstmals den örtlichen Medien stellte. "Für mich war das nicht nur so ein Träumchen, sondern ein Kindheitstraum, eines meiner großen Lebensziele, in der Bundesliga zu spielen."

Er sei dem 1. FC Union Berlin "unfassbar dankbar" dafür, dass er dieses Ziel nun habe umsetzen dürfen. Der Empfang sei begeisternd ausgefallen: "Eine Woche ist vergangen. Doch sie fühlt sich an wie ein Jahr, was ein sehr positives Zeichen ist."

"Ich freue mich da auch schon wieder wie ein Baby drauf", sagt Gosens über die Champions League

Gosens war in der vergangenen Woche beim Champions-League-Debütanten aus Köpenick gelandet - nach gut zehn Jahren im Ausland, erst in den Niederlanden (Vitesse Arnheim, FC Dordrecht, Heracles Almelo), dann in Italien (Atalanta Bergamo, zuletzt Inter Mailand). Der Entscheidung für Berlin sei ein langer Prozess vorausgegangen, vor allem mit der Ehefrau habe er lange überlegt, ob es der richtige Moment sei, im November erwartet jene ihr zweites Kind.

Am Ende war er dann doch beeindruckt von dem Interesse, dass der 1. FC Union zeigte - in Person von Manager Oliver Ruhnert, der beim Linksverteidiger telefonisch insistierte, und dokumentiert auch durch die Rekordablösesumme: "Fünfzehn Millionen Euro, das war für Union kein Zuckerschlecken", sagte Gosens, "damit geht eine große Verantwortung einher, der ich unbedingt gerecht werden will." Er wisse, woher der Verein kommt. Und er weiß, wohin Union in dieser Saison marschiert.

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Schon bald wird Union sein erstes Champions-League-Spiel bestreiten - ein Wettbewerb, in dem Gosens für Bergamo und Inter schon 28 Mal aufgetreten ist. Damit zählt er zu den wenigen Akteuren im Union-Kader, die schon Erfahrung im wichtigsten Klubwettbewerb der Welt haben. Im Mai stand er mit den Mailändern sogar im Finale von Istanbul, dort unterlagen die Lombarden gegen Manchester City knapp mit 0:1.

Es gebe keinen Wettbewerb, in dem man stärker und schneller dazulerne als in der Königsklasse, behauptet Gosens, "sowohl auf persönlicher, als auch auf sportlicher Ebene." Seine Rolle werde darin bestehen, die Kollegen davon zu überzeugen, dass man sich nicht kleiner machen müsse, als man sei. Sprich: sie daran zu erinnern, dass sie sich die Teilnahme durch den vierten Platz in der vergangenen Saison verdient haben. "Das wird eine unfassbare Erfahrung für Union. Ich freue mich da auch schon wieder wie ein Baby drauf", sagte Gosens.

Der Fußball sei in Deutschland "ein Stück wilder" als in Italien, glaubt Gosens. Das Spiel sei "nicht ganz so taktisch geprägt".

Das alles deckt sich auch mit den Erwartungen, die Union bei Gosens und beim zweiten prominenten Zugang des Sommers, Stürmer Kevin Volland (AS Monaco) hat. "Wir glauben, dass sie Feuer in die Mannschaft reinbringen, denn wir wollten neue Reize setzen. Dazu sind beide Linksfüßer, sie erhöhen unsere Optionen", erklärte Manager Ruhnert der Sport-Bild. An Ambition mangelt es Gosens offenkundig nicht. Dass er nun der mutmaßlich erste gesamtdeutsche Nationalspieler Unions werde, quittierte er mit zwei Worten: "Geil, oder?" Für 2024 habe er das Ziel "EM im eigenen Land" vor Augen. Auch das habe bei seiner Entscheidung für die Bundesliga eine Rolle gespielt.

Das gehe, wie er wisse, "nur über gute Leistungen", und die möglichst rasche Adaptation an eine neue Liga, in der andere stilistische Mittel dominieren als in der Serie A. "Die Intensität ist höher in der Bundesliga. Das Spiel ist in Anführungszeichen ein Stück wilder. Nicht ganz so taktisch geprägt", schilderte Gosens. In der Bundesliga spiele man öfter auch mal einen langen Ball, um Ketten zu überspielen und in die Tiefe zu laufen. "Da entsteht automatisch ein Spiel, das intensiver ist, weil es zwischen den Strafräumen hin- und hergeht."

Unter Umständen kommt auf Gosens bald eine weitere Rolle zu. Durch seine Jahre in Italien ist er der Sprache Dantes mächtig, und in Köpenick und jenseits der Alpen hält sich aktuell das Gerücht, dass Union auch noch den bei Juventus Turin ausgemusterten italienischen Europameister Leonardo Bonucci, 36, verpflichten möchte. Ob er sich wohl bei Gosens erkundigen wird, wie es bei Union so ist? "Non lo so", sagte Gosens: "Ich weiß es nicht." Aber wenn all die Gerüchte stimmen, dann wäre durchaus eine Warnung vor diesem Ritter Keule angebracht, der bei Union umgeht. Das jüngste der drei Kinder Bonuccis ist ein vierjähriges Mädchen namens Matilda.

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