Golf:Tiger Woods staunt über sich selbst

Lesezeit: 4 min

Wurde 12. in Palm Beach Gardens: Golfprofi Tiger Woods. (Foto: AFP)
  • Tiger Woods wird beim Turnier in Palm Beach Gardens 12. und zeigt, dass er wieder um Siege mitmischen kann.
  • Er hat nach langer Zeit wieder zwei Turniere hintereinander bestritten. In den vergangenen Jahren kämpfte er mit körperlichen und privaten Problemen.
  • Von all den Menschen, die nun über seine gelungene Rückkehr staunen, staunt einer besonders: Woods selbst.

Von Gerald Kleffmann

Die Gans hatte keine Chance. Sie watschelte mitten auf dem Fairway, der Golfbahn, nach vorn, friedlich, nichts ahnend, als von hinten ein weißes Geschoss angeflogen kam. Ein kleiner Ball touchierte ihre Füße, die wegsackten. Die Zuschauer, die am Rande dieses ungewöhnliche Ereignis bestaunten, lachten.

Tiger Woods, der Mann, dessen Ball nach einem weiten Abschlag das Tier getroffen hatte, hatte natürlich aus weiter Entfernung nicht mitbekommen, was er angerichtet hatte. Aber Schlimmeres war ihm auf dieser vierten und letzten Runde beim Turnier der US PGA Tour in Palm Beach Gardens nicht unterlaufen. Und genau das, dass Woods, der ein Jahrzehnt lang der vielleicht größte Sportler der Welt war, wieder unfallfrei Golf spielen und vor allem um Siege mitmischen kann, ist schon eine Nachricht. Der Mann, der noch im vergangenen Frühjahr nachts schlafend in seinem Auto von der Polizei aufgegriffen worden war, zugedröhnt mit einem Medikamentenmix aus Schlaf- und Schmerzmitteln sowie Angstlösern, ist wieder da. Fit, gesund, offensichtlich voll leistungsfähig. Die Gans weiß das jetzt auch. Woods ließ dem Abschlag über mehr als 250 Meter ein Birdie folgen, eins unter Par.

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Es wurde schon über Woods' Karriereende spekuliert

Zwei Turniere hintereinander hat Woods nun bestritten, das hat er seit einer Ewigkeit nicht mehr geschafft. Vor zwei Wochen in Pacific Palisades in Kalifornien war er zwar noch am Cut gescheitert, durfte nach der Halbierung des Feldes nicht an den zwei Schlussrunden teilnehmen. Aber eine Woche später hatte er Chancen auf den Titel, nur eine kurze Fahrt von seinem Wohnort Jupiter in Florida entfernt. 12. wurde Woods in Palm Beach Gardens. Hätte er nicht drei Schläge auf den letzten drei Bahnen eingebüßt, wäre er in den Top Ten gelandet. Von all den Menschen, die nun über seine gelungene Rückkehr staunen, staunt einer besonders: Woods selbst.

"Ich lerne gerade wieder, wie man Turniergolf spielt", gab er zu. Die Basis dafür sei: Er habe "keine Schmerzen mehr". Er sei "viel glücklicher". Er könne den Ballflug wieder kontrollieren. "Ich spüre die Golfrunden." Fast fünf Jahre habe er ja mit sich und dem Körper zu kämpfen gehabt, erinnerte er sich. Vier Operationen am Rücken musste er über sich ergehen lassen. In dreieinhalb Jahren kam er nur auf 19 Turniere. Im Frühjahr 2017 hatte er leidend in Dubai aufgegeben, über sein Karriereende wurde spekuliert. Vor allem, als Monate später ein Polizeivideo auftauchte, das ihn benommen und taumelnd auf einem Stuhl sitzend während eines Verhörs zeigte. Woods tat das einzig richtige, er tauchte ab, stand für die rechtlichen Konsequenzen ein (womit er auch einer Gefängnisstrafe entging), begab sich in eine Entzugsklinik. Kein Neuland für ihn. Wegen Sexsucht musste er sich schon einmal therapieren lassen.

In einem Leben, das Woods lebt, bewegen sich die Dimensionen selten im Mittelmaß. Wunderkind, Überflieger, 14-maliger Majorchampion, Milliardär, familiäre Brüche, sportliches Comeback, körperliches Leiden, nun: abermals aufgestanden. Und er hat immer noch fast nichts von seiner Strahlkraft innerhalb der Branche verloren. Auch wenn er nicht mehr logischerweise von Sieg zu Sieg eilt.

"Sprachlos" sei er gewesen, als er erfahren hatte, er würde mit Woods zusammen eine Runde beim Turnier in Palm Beach Gardens letzte Woche spielen, gestand Golfprofi Sam Burns. "Du siehst ihn im Fernsehen, überall hier und dort, beim Abschlag und denkst nur: Das ist Tiger Woods!" Der 21-jährige Amerikaner ist neu auf der US Tour, er hat nicht viel Erfahrung. Aber eines wusste er: "Wir sind alle glücklich, ihn wieder spielen zu sehen."

Woods selbst geht sein Comeback weniger bedeutungsschwer an, und vielleicht ist genau das einer der Gründe, warum er auch wie befreit wirkt. Er sieht sich erst mal nicht mehr als der Profi, der am nächsten statistisch dran ist, den Ewigrekord des Jack Nicklaus einzuholen, der 18 Majors in drei Jahrzehnten ab den Sechzigerjahren gewann, bis heute unerreicht. Ob er sich wie der alte Tiger bereits fühle, wurde er in Florida jüngst gefragt. "Ich fühle mich wie ein älterer Kerl", antwortete er einfach nur realistisch. "Sam ist halb so alt. Das ist ein bisschen ein Unterschied."

Mit 42 Jahren und nach einer auch mental fordernden Auf- und Ab-Reise hat Woods verinnerlicht, nicht mehr zu weit voraus zu blicken. Er portioniert seine Ziele in kürzere Etappen. Er hat sich Ende 2017 von Trainer Chris Como getrennt und macht nun ohne Coach sein eigenes Ding. Im September wird er einer der Vize-Kapitäne beim Ryder Cup in Paris sein, darüber spricht er. Er wird US-Teamchef Jim Furyk assistieren. Aber alles, was weiter entfernt als das Masters im April liegt, spielt für ihn öffentlich zumindest keine Rolle. Als ehemaliger Champion kann er in Augusta auf Lebenszeit starten.

Bei welchen Turnieren er sich weiter für das erste der vier Majors im Jahr einspielt, lässt er indes immer noch offen, Woods entscheidet nun intuitiver und kurzfristiger, wo er antritt. Am Freitag gab er bekannt, im März zwei weitere Turniere auf der US-Tour zu spielen. Er spricht oft von "meiner neuen Realität", er meint damit, dass er technisch nicht mehr das gleiche Golf wie früher umsetzen könne. Sein Körper sei nicht mehr so biegsam, er kriege nicht mehr die gleichen Winkel im Spiel hin. Und diesem Körper müsse er zudem mehr Pausen gönnen. In den Fitnessraum und zur Reha wollte er nun gehen. "Ich muss mich einfach gut fühlen", sagte Tiger Woods. Er will jetzt auf sich besser aufpassen. Es scheint ihm in seiner neuen Realität zu gelingen.

© SZ vom 03.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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