Ryder Cup:Hektik um die Kappe

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Dauerhaft Versöhnung oder nur ein kurzer Moment des Respekts? Rory McIlory (Mitte) und Caddie Joe LaCava reichten sich nach ihrem Streit die Hand. (Foto: Ross Kinnaird/Getty Images)

Der Samstag beim Ryder Cup wird überschattet vom sogenannten "Hatgate" - und von einem beachtlichen Streit auf dem finalen Loch, der einen Ausblick auf den Schlusstag liefert: Die USA müssen Geschichte schreiben, um noch eine Chance zu haben.

Von Felix Haselsteiner, Rom

Die Sonne war gerade erst untergegangen, da begannen die bislang dramatischsten Minuten dieses Ryder Cups in Rom. Beide Mannschaften, deren Familien, zehntausende Zuschauer, kurzum: so gut wie jede Person, die noch auf der Anlage war, hatte sich am 18. Grün des Marco Simone Golf Club versammelt in Erwartung des samstäglichen Schlussakkords. Es sollte ein lauter werden im Halbdunkel - und ein allzu untypischer.

Golf ist vieles, aber kein Kontaktsport, doch standen sich am Ende eines langen Tages auf einmal mehrere Personen auf diesem Grün so nah gegenüber, dass Kontakt auf einmal nicht mehr ausgeschlossen zu sein schien. Kein Kontakt der freundlichen Natur, wohlgemerkt, dazu war die Lage zu ernst, auch wenn sie auf den ersten Blick eher kurios klingt: Gegenüber standen sich Rory McIlroy, Europas Anführer, und der Caddie seines Gegners Patrick Cantlay, Joe LaCava, der mit seiner Kappe in der Hand tanzte und damit provozierte, während McIlroy sich auf seinen Putt vorbereitete.

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So weit, so unspektakulär. Es braucht eine Betrachtung des ganzen Samstags, der kurz nach Sonnenaufgang mit dem ersten Abschlag begonnen hatte, um die Sachlage einzuordnen. Eine erneut starke Leistung des europäischen Teams bestimmte den Vormittag, es baute seinen Vorsprung vom Vortag aus - auf zwischenzeitlich sieben Punkte - und stürzte damit die USA zur Mittagszeit tiefer in die Krise.

"Patrick Cantlay, wo ist deine Kappe?" Derlei Gesänge waren an jedem Loch zu hören

Währenddessen machte bei Twitter die passende Meldung eines britischen Journalisten die Runde: Die USA hätten sich als Team zerstritten, so der Bericht, weil der Spieler Cantlay intern eine Debatte losgetreten hätte darüber, dass er und seine Kollegen beim Ryder Cup doch Preisgeld bekommen sollten, entgegen der Tradition. Nun ist hinlänglich über den 31-Jährigen bekannt, dass er aktiv die These unterstützt, Golfer sollten dringend noch mehr Geld verdienen als ohnehin schon. Im Kreis der US-Journalisten allerdings bestätigte sich der Bericht über das entzweite Team nicht. Auch Cantlay selber und US-Kapitän Zach Johnson wiesen ihn entschieden zurück, Letzterer sagte, es sei "grenzwertig unverantwortlich", so etwas zu verbreiten.

Letztlich blieben daher eher Fragen der Glaubhaftigkeit bei Sky UK als eine bahnbrechende Streitgeschichte. Unter anderem deshalb, weil auch behauptet wurde, dass Cantlay sich eine kreative Form des Protests überlegt hatte: Er wolle keine Kappe tragen, solange er kein Geld verdient beim Ryder Cup. Das wies er später ebenfalls als Falschaussage zurück. Seine Erklärung war gleichwohl ebenfalls etwas fragwürdig: Die Kappe passe ihm einfach nicht besonders gut, sagte Cantlay.

Wahr oder falsch: Die Nachricht vom inzwischen "Hatgate" getauften Scheinskandal erreichte am Nachmittag, während die Spieler zur vierten Runde ausgeschwärmt waren, auch das Publikum in Rom, das sich direkt inspiriert fühlte. "Patrick Cantlay, wo ist deine Kappe?", "Hut ab vor deinem Bankkonto", sangen sie an jedem Loch, auf dem er spielte, dazu wedelten die Zuschauer mit ihren eigenen Kappen. Cantlay antwortete ihnen direkt, er lachte und winkte in die Menge. Und dann antwortete er auf dem Platz: Im finalen Match des Tages holte er die USA nahezu im Alleingang zurück ins Turnier, mit fantastischen Schlägen auf den letzten drei Löchern - unter anderem auf dem Schauplatz an Loch 18, nach Sonnenuntergang.

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Dort versenkte Cantlay einen Putt aus 13 Metern Entfernung, woraufhin das gesamte anwesende US-Team seine Kappen abnahm und in die Menge wedelte angesichts des nun auf fünf Punkte geschrumpften Rückstands. Eine einzigartige Kulisse war das, allerdings eine, in deren Mitte der erfahrene Caddie LaCava die Grenze zum Unsportlichen nicht erkannte: Mit seinem allzu lang andauernden Jubel beeinflusste er McIlroy merklich in seiner Konzentration, auch dessen Spielpartner Matthew Fitzpatrick hätte noch die Chance gehabt, das Match wieder auszugleichen. Beide aber scheiterten, weshalb sich zum Abschluss zwei Dinge ergaben.

In 96 Jahren Ryder Cup hat es eine solche Aufholjagd noch nie gegeben

Zum einen erarbeiteten sich die Amerikaner kurz vor Schluss doch noch eine Ausgangsposition, in der ein Sieg zumindest möglich ist. Vier Punkte brauchen die Europäer am Sonntag aus zwölf Einzelpartien, die USA achteinhalb. In 96 Jahren Ryder Cup hat es eine solche Aufholjagd noch nie gegeben, nicht einmal 2012, beim Wunder von Medinah, als die Europäer am Sonntag ein 6:10 noch umdrehten, allerdings "nur" vier Punkte hinten lagen. Die sportliche und emotionale Parallele liegt darin, dass auch damals schon am Samstagnachmittag die Aufholjagd begann: Der Engländer Ian Poulter holte 2012 spät am Samstag noch einen Punkt, mit einer ähnlich sensationellen Serie auf den finalen Löchern wie diesmal Cantlay - und erzeugte damit die notwendige Aufbruchsstimmung.

Zum anderen bleiben vom Samstag noch weitere fragwürdige und sehr emotionale Bilder. Ein Video zeigte McIlroy später kurz vor der Abfahrt ins Hotel, wie er wild gestikulierend in Richtung eines in der Aufnahme nicht sichtbaren Menschen rief und mit Mühe von seinem Teamkollegen Shane Lowry zurückgehalten werden konnte. Ungewohnt sind derartige Vorgänge im oft beschaulichen Golfsport, dessen Kerneigenschaft gegenseitiger Respekt auf dem Platz ist. Da, wo am Sonntag ab 11 Uhr eine Schlussrunde unter besonderen Vorzeichen bevorsteht.

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