Golf:Kaymers neuer, alter Weg

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Martin Kaymer. (Foto: Oisin Keniry/Getty Images)

Martin Kaymer, mittlerweile die Nummer 117 der Golf-Welt, wartet seit sieben Jahren auf einen Turniersieg. Schnelle Linderung ist nicht in Sicht - aber der 36-Jährige hat zumindest einen Plan.

Von Felix Haselsteiner, München

Um Erfolg zu definieren, brauchen manche Sportler eine Liste. Der Amerikaner Justin Thomas etwa, einer der besten Golfspieler seiner Generation, führt Jahr für Jahr einen virtuellen Notizzettel auf seinem Handy mit zahlreichen Punkten: So und so viele Turniere gewinnen, durchschnittlich so weit schlagen, nicht mehr als eine gewisse Zahl an Putts pro gespielter Runde erreichen. Am Ende des Jahres rechnet Thomas - für alle sichtbar in den sozialen Medien - Punkt für Punkt ab und verfügt, ob es eine gute oder eher enttäuschende Saison war und wie es gerade um seine Karriere steht.

Martin Kaymer ist das zu simpel. Sicherlich seien "Resultate nun mal das Wichtigste, dafür machen wir das ja alles", sagt er. Aber für den inzwischen 36-Jährigen geht es längst nicht mehr um Punkte auf einer Liste, sondern um viele kleine Schritte, die ihn wieder dorthin führen sollen, wo er vor einigen Jahren schon einmal war: ganz oben, in der internationalen Elite.

Auf die Weltrangliste zu schauen, hilft da im Moment nicht, als 117. ist Kaymer dort notiert. In dieser Saison hat er noch einmal einige Plätze verloren. "Von dem Ranking kann ich mich lösen, das mache ich nun doch seit ein paar Jahren - da ist es nicht in die Richtung gegangen, in die ich wollte", sagt Kaymer. Das Fazit zu seiner Saison klingt daher auch wie ein Fazit einer Karrierephase: "Die letzten paar Jahre waren nicht zufriedenstellend und enttäuschend. Es ist Zeit, etwas zu verändern."

Kaymer ist mit seinen Problemen nicht allein im Golfsport

Kaymer, der Perfektionist, war immer schon sein größter Kritiker. 2010, als er sein erstes Major-Turnier gewann und Platz eins in der Weltrangliste erklomm, veränderte er seinen Schwung, weil er mit seinem Spiel nicht zufrieden war. Die Umstellung brachte ihm kurzfristig nichts außer viele Fragen auf Pressekonferenzen. Nur wenige verstanden, was Kaymer damals tat, aber der Erfolg gab ihm Recht: 2014 spielte er die beste Saison seiner Karriere. Der Sieg beim Players Championship, dann der Erfolg bei der US Open in Pinehurst, es waren Momente, die ihm einen Ruf in der Golf-Welt einbrachten, von dem er bis heute zehrt. Seitdem hat Kaymer kein Golfturnier mehr gewonnen, und so drehen sich die Fragen seit Jahren naturgemäß nicht mehr um die Details seines Schwungs.

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Natürlich versucht auch Kaymer seine sportliche Dürrephase zu ergründen. Ein paar Wochen ist es her, da habe ihm ein Freund mal wieder einen Hinweis gegeben, erzählt Kaymer: "Das Entscheidende ist, an den eigenen Stärken zu arbeiten und nicht nur an den Schwächen." Zu lang und zu oft in seiner Karriere habe er sich damit beschäftigt, was er nicht kann. "Man muss darauf vertrauen, dass die Mittel, mit denen man schon mal Erfolg hatte, weiterhin ausreichen können", sagt Kaymer. Er ist damit nicht allein in seinem Sport. Erst kürzlich berichtete der Nordire Rory McIlroy davon, dass er sich vom derzeitigen Trend zum extrem kraftvollen Golf hatte anstecken lassen, anstatt sich auf sein eigenes Spiel zu konzentrieren und nicht zu viel nachzudenken.

Kaymer sagt, der Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Platz liege im Golfsport vor allem im Selbstvertrauen. Bei den finalen Saisonturnieren in Dubai habe er sich wohlgefühlt, Kaymer befand sich zweimal in aussichtsreicher Position. Dann riskierte er - und verlor. In der Schlussrunde beim DP World Championship spielte er die mutigen Schläge, die aufgehen müssen, wenn man ein Turnier gewinnen will, doch er spielte sie nicht gut genug. Kaymer wurde 32. - hätte er verhaltener agiert, wäre er damit vielleicht weiter vorne gelandet, gewonnen hätte er aber nicht. "Mit Fehlervermeidung kommt man nicht weg von dem Level, auf dem ich in den vergangenen Jahren war", sagt Kaymer. Er müsse mutig bleiben, um irgendwann wieder zu gewinnen.

"Der Weg, den ich gehen möchte, ist für viele nicht nachvollziehbar", sagt Kaymer

Verabschiedet hat er sich davon, sich ständig rechtfertigen zu wollen. Die Erwartungshaltung an Kaymer ist groß, doch hinter die Gründe für den Misserfolg der vergangenen Jahre blicken ohnehin nur die Wenigsten. Er habe einen Plan, die Details aber spart er sich: "Der Weg, den ich gehen möchte, ist für viele nicht nachvollziehbar, er ist für viele auch nicht interessant, weil eben die Ergebnisse nicht gut aussehen", sagt Kaymer: "Aber für mich ist es jeden Tag spannend."

Bis März will er sich erst einmal eine Auszeit nehmen, mit seiner Lebensgefährtin erwartet Kaymer ein Kind. Dann will er seinen Weg dort weitergehen, wo er einst am erfolgreichsten war: in den USA. "Es gibt keinen Ort, an dem ich mehr Möglichkeiten habe, um besser zu werden", sagt Kaymer. Er sei Europa-Fan, die European Tour sieht ihn als eines der Aushängeschilder, sie braucht Spieler von Kaymers Format - doch Chancen, auf der PGA Tour zu spielen, müsse er ohne Rücksicht auf seine Heimat wahrnehmen. "Golf ist eine egoistische Sportart", sagt Kaymer: "Es geht darum, wie man für sich selbst den maximalen Erfolg rausholen kann." Auch das gehört zu seinem neuen, alten Weg.

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