Tiger Woods:Der 23. Februar hat alles verändert

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"Ich muss nicht Wettkämpfe bestreiten und gegen die besten Spieler der Welt spielen, um ein großartiges Leben zu haben": Tiger Woods. (Foto: John Minchillo/dpa)

Erstmals nach seinem Autounfall äußert sich Tiger Woods. Der Golfprofi kündigt an, er werde nur noch sporadisch Turniere spielen - mehr schaffe sein geschundener Körper nicht.

Von Gerald Kleffmann, München

Bugs marschierte gemächlich vorneweg, der Schwanz war leicht heruntergedrückt, einmal fiepste er demütig. Es war, als wüsste der Border Collie, dass ein spezieller Auftritt anstehe.

Hinter Bugs, dem Hund mit dem schwarz-weißen Fell, betrat Tiger Woods den Raum, links lehnten Schläger an der Wand. Auf dem Boden eine Golfmatte zum Abschlagen. Woods, der berühmteste Athlet seiner Zunft, setzte sich. Natürlich war es die ehemalige Spielerin Henni Koyack, die 31-jährige Britin, die ihn interviewte. 2018 hat Woods mit Golf TV einen, wie es heißt, mehrjährigen Millionendeal abgeschlossen, der Branchenriese Discovery steckt dahinter, Koyack ist seitdem die Reporterin, der sich Woods anvertraut.

Nun begrüßte sie den 45-Jährigen, diesmal auf der Plattform Golf Digest, die auch zu Discovery gehört, und sagte pathetisch: "Ich fühle, dass ich für die ganze Sport- und Golfgemeinde sprechen kann, wenn ich sage: Es ist schön, dich wieder zu sehen." Woods lächelte zurück, "danke, Henni", sagte er und meinte: Seit dem letzten Mal, als sie sich offiziell gesehen hätten, sei viel passiert - er sprach von einer "hell of a road".

Ja, ein verdammt schwerer Weg. Kann man sagen. Aber nun, an diesem Montag, so durfte man ihn in den 30 Minuten verstehen, ist er wieder auf einer angenehmeren Route angelangt. Nur ist es eben eine, die nicht an sein altes Leben anknüpft. An das Leben des sogenannten Superstars, für den nur Siege zählen und der sie erringt, im Übermaß. Der 23. Februar 2021 hat alles verändert. Radikaler als alle seine privaten Krisen und Operationen zuvor.

Ort des Unglücks: Am 23. Februar dieses Jahres verlor Tiger Woods die Kontrolle über seinen SUV und stürzte in einer scharfen Kurve eine tiefe Böschung hinunter. (Foto: Ringo Chiu/AP)

An jenem Tag verunglückte Woods in Los Angeles mit dem Auto. Die Bilder, wie Hubschrauber über dem Abhang kreisten, gingen um die Welt, auch die Nachrichten dazu. Sie mussten ihn, den 15-maligen Major-Sieger, aus dem Wrack fräsen. Mancher fürchtete um sein Leben. Als Entwarnung gegeben wurde, war lange unklar, ob er einer Amputation des rechten Beines würde entgehen können. Er hatte komplizierte Brüche erlitten. "50:50", so eng sei es um ihn gestanden, verriet Woods nun. Drei Wochen lag er im Krankenhaus, dann drei Monate in Florida in seinem Haus. Die Golfbranche hörte nicht viel von ihm, doch als Woods letzte Woche ein Video online stellte, in dem er Bälle schlagend zu sehen war, war die Anteilnahme gewaltig. Es wurde gleich spekuliert, ob Woods, der ewige Aufsteher, es wieder allen zeige.

Ja, das würde er gerne, sagte Woods. Aber er kann nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr wie früher.

Es war, als verabschiede er sich von seinem früheren Golf-Ich an diesem 29.11.2021. Für den Golfsport ist dieser Auftritt ebenfalls eine Zäsur größten Ausmaßes. Woods hat mit seinem Talent, seinem Arbeitsethos, seiner Strahlkraft seine Disziplin so geprägt wie höchstens Arnold Palmer, die erste kommerzielle Überfigur des Golfs, der ähnlich die Massen begeisterte und die TV-Quoten sowie Preis-und Sponsorengelder hochschnellen ließ.

Woods fühlt sich von Ben Hogan inspiriert - der war auch mal verunglückt, spielte weniger und siegte trotzdem

"Ich denke, realistisch ist, eines Tages wieder auf der Tour zu spielen, niemals wieder Vollzeit, aber auszuwählen", sagte Woods. Er führte an einer Stelle Ben Hogan an. Die frühere Golf-Ikone hatte 1949 ebenfalls einen schweren Autounfall und dabei gravierende Verletzungen erlitten. Seine Frau, über die er sich noch schützend geworfen hatte, kam glimpflicher davon. Danach bestritt Hogan nie mehr als neun Turniere im Jahr. 1953 gelang ihm dann Unglaubliches: Er spielte nur sieben Events - und gewann drei Major-Titel.

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In dem Video-Gespräch mit Koyack machte Woods klar, dass Golf nicht mehr sein Leben diktieren wird. Allein zehn gravierende Operationen, fasste er zusammen, hatte er bereits vor dem Autocrash (zu dem er nichts sagte). "Ich muss nicht Wettkämpfe bestreiten und gegen die besten Spieler der Welt spielen, um ein großartiges Leben zu haben." Und dann wurde er bildlich, um den Ernst seiner Lage zu verdeutlichen: "Nach meiner Rückenfusion (teilweise Versteifung der Wirbelsäule, Anm. d. Red.) musste ich einmal mehr den Mount Everest besteigen. Ich musste und ich schaffte es. Ich denke nicht, dass ich noch den Körper habe, um den Mount Everest zu besteigen, und das ist okay." Für ihn zähle ab sofort nur eines: "Ich kann immer noch am Golfsport teilnehmen." Sollte sein Bein es ermöglichen, "kann ich immer noch hier oder da ein Turnier rausholen. Aber was die erneute Besteigung des Berges angeht und ganz nach oben zu kommen, ich denke nicht, dass das eine realistische Erwartungshaltung an mich ist."

Der Woods, der sich nun präsentierte, war trotz der Schwere der Verkündungen im Reinen mit sich. "Ich denke, so werde ich von nun an spielen müssen. Das ist eine unglückliche Wirklichkeit, aber es ist meine Wirklichkeit", sagte Woods. "Das verstehe ich, und das akzeptiere ich."

Manchmal legt er sich eine Stunde ins Gras

Mit Freude erzählte Woods von jenen Momenten, die ihm nun, in diesem neuen Abschnitt seines Schaffens, Erfüllung verleihen. Die Entwicklung seines Sohnes Charlie, ein Golf-Hochbegabter wie er, liegt ihm am Herzen. Er genießt innige Freundschaften, vor allem jene zur Familie des US-Profikollegen Justin Thomas. Oder sein Turnier auf den Bahamas, das an diesem Donnerstag beginnt (und zu dem er am Dienstag auch noch eine Pressekonferenz abhielt). Und manchmal lege er, der Villen besitzt und eine Yacht, sich einfach eine Stunde ins Gras, berichtete Woods und führte nicht ohne Demut aus: "Wenn man den Kontakt vermisst, wie man sauber einen Golfball trifft, ist das sicher eines der besseren Gefühle." Er brenne darauf, wieder aktiver zu werden, doch er weiß auch, dass es dauert, bis er ganz genesen ist: "Ich bin noch nicht mal bei der Hälfte des Weges."

So gesehen ist es wohl auch fast ein Wunder, dass er überhaupt darüber nachdenken kann, nach so einem Unfall wieder eine Rückkehr, wenn auch in Teilzeit, in Betracht ziehen zu können.

Es mochte phrasenhaft erscheinen, als Woods auch von der Unterstützung schwärmte, die er von Freunden, Bekannten, Fans erhielt. Aber es klang ehrlich. Er weiß, selbst wenn er ein Leben voller Extreme führt, vieles einzuordnen. So berichtete er auch von einem besonderen Anruf. Als das Telefon klingelte, wurde ihm entgegnet: "The White House on line 1." Da musste er lachen.

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