Gladbach bei Inter Mailand:Bälle klauen in der Festung

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Nico Elvedi klärt vor Romelu Lukaku: Das klappt nicht immer. (Foto: AP)

Bei der Rückkehr in die Champions League sichert sich Borussia Mönchengladbach ein 2:2-Unentschieden bei Inter Mailand - in einer aufregenden Partie war sogar mehr drin.

Von Ulrich Hartmann

Die Ehrfurcht war groß gewesen, als sich die Fußballer von Borussia Mönchengladbach dieser gewaltigen Festung namens Giuseppe-Meazza-Stadion im Stadtteil San Siro näherten. Sie, die Champions-League-Neulinge vom Niederrhein mit dem Champions-League-Debüt-Trainer Marco Rose, trafen auf den großen FC Internazionale Milano, auf dessen champions-league-erfahrenen Trainer Antonio Conte mit Spitzenspielern wie Arturo Vidal und Ivan Perisic - sogar der niederländische Schiedsrichter Björn Kuipers pfiff bereits sein 51. Champions-League-Spiel.

Es war ein bisschen so, als fühlte man sich auf einer sehr exklusiven Party ein bisschen verloren. Genau deshalb hatte Rose seine Spieler ermahnt, "mutig" zu sein, "frech" zu sein und sich nicht zu scheuen, dem Topstürmer Romelu Lukaku auch mal "den Ball zu klauen". "Es ist Inter!", hatte Rose gesagt. "Wir spielen gegen eine Männermannschaft", hatte Sportchef Max Eberl formuliert. Gemeint hatten beide das Gleiche: dass man sich leidenschaftlich wehren muss.

Und das taten die Gladbacher nach Kräften. Sie legten ihre Ehrfurcht von Minute zu Minute ab, spielten mutig, versuchten frech zu sein und erkämpften sich am Ende ein unerwartetes, keineswegs unverdientes, aber schon auch ein bisschen glückliches 2:2 (0:0)-Unentschieden. Lukaku hatte das 1:0 erzielt (49.) und Ramy Bensebaini per Elfmeter den Ausgleich (63.), Jonas Hofmanns 2:1 (84.) wiederum egalisierte Lukaku in der 90. Minute. Vier Jahre nachdem sich Gladbach mit einem 0:4 in Barcelona aus der Champions League verabschiedet hatte, meldeten sie sich am Mittwoch mit einem höchst respektablen Ergebnis bei Inter Mailand zurück.

Nächsten Dienstag empfangen sie Real Madrid, übernächsten Dienstag gastieren sie bei Schachtor Donezk, das am Mittwoch mit 3:2 bei Real gewann. Das Achtelfinale wird trotzdem schwierig für Gladbach, aber vielleicht schaffen sie es auch als Gruppendritter in die Europa League.

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Inter, das Ende August das Europa-League-Endspiel in Köln gegen den FC Sevilla 2:3 verloren hatte, musste auf den corona-positiven früheren BVB-Spieler Achraf Hakimi verzichten. Bei den Gladbachern, mit fünf offensiv orientierten Feldspielern wahrlich mutig aufgestellt, saß Lars Stindl nur auf der Bank. Der Kapitän sah seine Kollegen auf dem Feld tatsächlich mutig pressen. Sie liefen die Mailänder schon an deren Strafraum an und zeigten dabei eine Eigenschaft, die Manager Eberl eingefordert hatte. Sie waren "eklig".

Wer von dieser Ekligkeit zunächst nichts abbekam, war Inters Torwart Samir Handanovic. Die Gladbacher standen gut, eroberten viele den Gastgebern wegspringende Bälle, aber was ihnen nicht gelang, war, samt Ball gefährlich in Mailands Strafraum einzudringen. Sie kamen in der ersten Halbzeit auf keine gute Torchance und keinen Torschuss. Die beste Möglichkeit für Inter, ein Flachschuss von Lukaku kurz vor der Pause, strich knapp am Tor vorbei.

Wie in einem Videospiel erhöhte sich nach der Pause der Schwierigkeitsgrad. Gladbach bekam es im nächsten Level zusätzlich mit Lukakus Sturmpartner Lautaro Martinez zu tun. Deshalb dauerte es nach dem Wiederanpfiff nur vier Minuten, ehe Lukaku in der 49. Minute zum 1:0 einschob. Vorangegangen war dem Treffer eine hohe Flanke von Vidal auf Martinez, dessen schlecht platzierten Kopfball Danilo d'Ambrosio zurück ins Zentrum brachte.

Nun war Gladbach nicht mehr nur verteidigend, sondern auch offensiv gefordert, und die Mailänder taten ihnen den Gefallen, sich zurückzuziehen, sie kommen zu lassen. Vidal tat ihnen in der 60. Minute sogar den Gefallen, Marcus Thuram im Strafraum ein Bein zu stellen. Als Ramy Bensebaini den Elfmeter in der 63. Minute flach zum 1:1-Ausgleich einschoss, war dies tatsächlich der allererste Gladbacher Torschuss in diesem Spiel.

Das war aber nur der Auftakt zu neuerlichen und umso intensiveren Inter-Bemühungen. Doch die Gladbacher hatten ihre Ehrfurcht endgültig abgelegt. Sie kamen bei ihren Entlastungsangriffen selbst zu Siegtorchancen. Hofmann verwandelte einen genialen Pass von Florian Neuhaus zur 2:1-Führung (84.), doch Lukaku glich noch zum gerechten Remis aus (90.). "In zwei, drei Stunden können wir mit dem Punkt leben, aber im Moment fühlt es sich nicht so gut an", sagte Nationalspieler Matthias Ginter anschließend. Aber als die Gladbacher spät in der Nacht San Siro wieder verließen, wussten sie immerhin, dass sie in der Champions League mithalten können.

© SZ vom 22.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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