SpVgg Unterhaching:Er musste zum Geschirrspülen ins Wirtshaus

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Alles dreht sich um Gibson Adu: Der 16-Jährige feiert mit dem Mannschaftskollegen Manuel Stiefler und Klubmaskottchen Fonsi seinen ersten Drittligatreffer. (Foto: Sven Leifer/Foto2press/Imago)

Vor zwei Jahren flog Gibson Adu aus disziplinarischen Gründen aus der Jugendabteilung von Mainz 05. Haching nahm ihn auf, Präsident Schwabl kümmerte sich um ihn - nun ist der 16-Jährige der jüngste Torschütze der Drittliga-Historie.

Von Stefan Galler

Diesen Donnerstag wird Manfred Schwabl 58 Jahre alt. Die wenigsten Männer kommen in den höheren Fünfzigern noch einmal in den Genuss von Vaterfreuden, doch Schwabl ist erst vor Kurzem, sozusagen zum dritten Mal, Papa geworden: Er erhielt gewissermaßen die Erziehungsberechtigung für den Nachwuchsfußballer Gibson Nana Adu, der am Wochenende einen neuen Rekord aufstellte. Durch seinen Treffer beim 4:1-Erfolg der SpVgg Unterhaching gegen den VfB Lübeck ist Adu nun der jüngste Torschütze in der Historie der dritten Liga - er löste mit 16 Jahren und 61 Tagen den bisherigen Rekordhalter David Alaba (17 Jahre, zwei Monate und fünf Tage) ab. In der Hitliste folgen auf den Plätzen drei und vier die deutschen Nationalspieler Youssoufa Moukoko (Dortmund) und Jamal Musiala (Bayern).

Es ist der vorläufige Höhepunkt der sportlichen Entwicklung dieses jungen Mannes, die vor zwei Jahren schon vorbei zu sein schien: Adu, dessen Eltern aus Ghana kommen, spielte damals in seiner Geburtsstadt in der Jugend des FSV Mainz 05, doch die Verantwortlichen waren mit ihrer Geduld am Ende. Immer wieder leistete sich der junge Mann Undiszipliniertheiten, seine schulischen Leistungen waren sehr schlecht. Und dann wurde er auch noch in handfeste Auseinandersetzungen verwickelt - wie sich später herausstellte, hatte er sich dabei gegen rassistische Beleidigungen zur Wehr gesetzt. "Er hat eine kurze Zündschnur", sagt Schwabl.

In Mainz waren sie mit ihrem Latein am Ende, doch sie wollten ihr Ausnahmetalent nicht seinem Schicksal überlassen. Der Chef des dortigen Nachwuchsleistungszentrums, Volker Kersting, erinnerte sich an den Fall Karim Adeyemi, der es als Kind beim FC Bayern nicht geschafft hatte, ehe ihn die Unterhachinger Verantwortlichen doch noch in die Erfolgsspur brachten. Kersting setzte sich mit Manfred Schwabl in Verbindung. "Er hat mir dann wörtlich erklärt: 'Dir sage ich die Wahrheit: Diesen Spieler bringt kein Mensch hin'", erzählt Schwabl, dessen Ehrgeiz daraufhin geweckt war. Er fuhr nach Mainz, um sich mit Adus Familie zu treffen. Und nahm als Kronzeugen gleich mal den Vater von Karim Adeyemi mit. Die beiden konnten die Familie überzeugen, den Jungen nach München umziehen zu lassen.

Präsident Schwabl half beim Umzug und besuchte sogar Elternabende in der Schule

Schwabl half persönlich beim Umzug: "Ich bin mit Gibson und seinen Reisetaschen im ICE nach München gefahren." Dann quartierte er ihn bei einer Gastfamilie in jenem Haus ein, in dem schon Adeyemi gewohnt hatte. Schwabl übernahm die Kommunikation mit der Schule, besuchte sogar die Elternabende, woraufhin Sohn Markus protestierte, dass der Senior das nicht mal für ihn und seine Schwester getan habe.

Immer wenn Adu dann trotzdem mal wieder seine Aufgaben vernachlässigte, drehte Schwabl an den Daumenschrauben: "Wenn Du den Jungs kein Essen gibst, dann bestellen sie bei Lieferando. Aber mit Fußball kann man sie packen", sagt Schwabl. Also drohte er damit, ihn aus dem Trainingsbetrieb zu nehmen, kommandierte ihn auch mal zum Geschirrspülen ins Wirtshaus ab. Prompt kam Adu wieder der Schulpflicht nach. Doch weil der Teenager weiterhin nur schwer zu kontrollieren war, haderte Schwabl mit seiner Entscheidung, ihn in den Sportpark geholt zu haben; er erwog sogar, ihn wieder zu seiner Familie nach Mainz zurückzuschicken. Doch Schwabls Frau und seine Tochter intervenierten: "Sie haben beide gesagt, das könne ich nicht machen, ich solle ihm eine Chance geben", sagt der Hachinger Präsident.

Mittlerweile absolviert der 16-Jährige ein Freiwilliges Soziales Jahr beim Bayerischen Landessportverband (BLSV) und will im neuen Jahr eine Lehre in der Geschäftsstelle der SpVgg angehen. Falls er dann noch in Unterhaching spielt - die Entwicklung des Jungen in dieser Saison hat offensichtlich bereits Begehrlichkeiten geweckt. Bei seinem Drittligadebüt Mitte Februar in Bielefeld, drei Tage nach seinem 16. Geburtstag, hatte er nach seiner späten Einwechslung einen Elfmeter herausgeholt. Seither ist er in sieben von acht Drittligaspielen eingewechselt worden. Trainer Marc Unterberger lobte Adu am Samstag: "Er hat ein sehr gutes Spiel gemacht, aber er muss weiterarbeiten." Es gehe nicht um Rekorde, sondern darum, ihn behutsam an das Niveau im Männerfußball heranzuführen. "Er bekommt jetzt immer mehr Spielzeit, diesmal war es schon eine halbe Stunde. Gibson ist nur ein Beispiel für all die jungen Spieler, die es bei uns schaffen können." Präsident Schwabl ergänzt: "Wenn es mit Gibson gutgeht, würde das den Hachinger Weg noch mehr unterstreichen."

Der Boss hatte dem Youngster am Samstag vor dessen Einwechslung noch mitgegeben, dass er doch bitteschön "ein Tor für die Mama" schießen sollte, denn Adus Mutter war erstmals seit dem Transfer aus Mainz gekommen, um ihrem Sohn beim Kicken zuzuschauen. Prompt klappte es mit dem Treffer, nach dem Schlusspfiff waren die beiden dann von jungen Fans umringt auf dem Platz und feierten Gibsons ersten Treffer emotional.

Bleibt die Frage, ob der 16-Jährige, dessen Vertrag bei der SpVgg noch bis 2026 Gültigkeit hat, nach dem enormen Popularitätsschub durch den Rekordtreffer im Sommer zu halten sein wird. "Es täte ihm bestimmt gut, ein weiteres Jahr im gewohnten Umfeld zu reifen", sagt Schwabl, der betont: "Wir forcieren nichts." Andererseits seien "die Mechanismen der Branche" bekannt, bei einem entsprechenden Angebot wäre man auch gesprächsbereit. Der Erziehungsberechtigte Schwabl würde seinen neuen Sohn dann quasi zur Adoption freigeben.

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