Volleyball:Die Galionsfigur zieht weiter

Volleyball: Au revoir: Bundestrainer Andrea Giani zieht es nach Paris.

Au revoir: Bundestrainer Andrea Giani zieht es nach Paris.

(Foto: Andreas Gora/dpa)

Bundestrainer Andrea Giani gibt nach fünf Jahren unvermittelt seinen Posten auf und wechselt zum Olympiasieger Frankreich. Für den deutschen Verband kommt sein Abschied zur Unzeit - auch weil bald zwei große Turniere anstehen.

Von Sebastian Winter, München

Als Andrea Giani im Februar 2017 beim Espresso zum Hintergrundgespräch in einem Restaurant im Münchner Osten saß, da ahnte man noch nicht, dass er fünf ganze Jahre lang Volleyball-Bundestrainer der Männer bleiben würde. Giani ist mit seiner Expertise, seiner Erfahrung und Empathie ein Glücksfall gewesen für den Deutschen Volleyball-Verband (DVV) - und er war ein begehrter Mann. Früher schon auf dem Feld, als 474-maliger italienischer Nationalspieler und Anführer der goldenen Generation um Andrea Zorzi, Lorenzo Bernardi und Samuele Papi, die in den Neunzigern dreimal in Serie Weltmeister wurde, vier EM-Titel gewann, sechsmal die World League und dreimal olympisches Edelmetall. In jener Zeit wählte die Gazzetta dello Sport das Team um Giani zur Mannschaft des Jahres, noch vor den Fußballern. Mehr Huldigung geht kaum im Randsport.

Doch nun ist der 51-Jährige einem Ruf gefolgt, den er kaum ablehnen konnte. Giani, der noch im Januar seinen Vertrag als Bundestrainer um ein weiteres Jahr bis 2023 verlängerte, hat den DVV kurzfristig um Freigabe gebeten und wird mit sofortiger Wirkung Cheftrainer des Olympiasiegers Frankreich. Dort gab Coach Bernardo Rezende ebenso kurzfristig aus persönlichen Gründen seinen Job auf.

Es ist eine äußerst reizvolle Aufgabe für den einstigen Universalspieler, der fast jede Position auf dem Feld bekleiden konnte: Frankreich stellt nicht nur aktuell die erfolgreichste Mannschaft der Welt, sondern ist als Ausrichter direkt für die nächsten Olympischen Spiele 2024 in Paris qualifiziert. Und genau dorthin, zu Olympia, wollte Giani auch als Trainer, was ihm mit der deutschen Auswahl aber bislang nicht gelang.

"Wir verabschieden Andrea Giani schweren Herzens aus seinem Vertrag. Mit dem Vizeeuropameistertitel 2017 hat er herausragende Arbeit geleistet und das Team über die Jahre weiterentwickelt", sagte DVV-Sportdirektor Christian Dünnes, der natürlich weiß, dass sein Verband mit Frankreich im Poker um solche Galionsfiguren auch finanziell nicht wirklich mithalten kann.

"Gerade für uns jüngere Spieler, die kein Italienisch können, war das manchmal etwas schwierig. Aber Andrea ist ein super Trainer", sagt Zuspieler Johannes Tille

Die deutschen Männer, die zuletzt auch unter Giani etwas stagnierten, zweimal im EM-Viertelfinale ausschieden und die Qualifikation für die Spiele in Tokio verpassten, stehen nun in einem Schlüsseljahr ohne Trainer da, die Planungssicherheit ist dahin. Dass Gianis Abschied zur Unzeit für den DVV kommt, liegt auch daran, dass die Auswahl in wenigen Monaten zwei wichtige Turniere vor sich hat. Im Juli misst sie sich in der Nations League mit der internationalen Spitze, doch dieses Turnier ist nur die Generalprobe für die Weltmeisterschaft, die Ende August eigentlich in Russland ausgetragen werden sollte - der Weltverband benötigt wegen des russischen Einmarschs in der Ukraine noch einen Ersatzausrichter.

Die Suche nach einem Nachfolger für Giani läuft, sein Vorgänger Vital Heynen ist allerdings schon vergeben - er trainiert seit Ende Januar die deutsche Frauenauswahl. Die Spieler wünschen sich in jedem Fall eine längerfristige Lösung, "einen Trainer, der den ganzen Olympiazyklus bestreitet. Und der vielleicht etwas besser Deutsch oder Englisch spricht", sagte Zuspieler Johannes Tille, 24, der SZ: "Gerade für uns jüngere Spieler, die kein Italienisch konnten, war das manchmal etwas schwierig. Aber Andrea ist ein super Trainer."

Fest steht schon jetzt: Die DVV-Auswahl begegnet Giani früher wieder, als ihr lieb sein dürfte - in der WM-Vorrunde ist Frankreich neben Kamerun und Slowenien ihr Gruppengegner.

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