Gewalt in Fußballstadien:Polizei bangt um "Sicherheitslage im Land"

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Vor dem Start der Bundesliga-Saison erwartet die Deutsche Polizeigewerkschaft "dramatische Folgen" für das Land, sollten noch mehr Beamte für den Schutz der Stadien abgestellt werden. Zudem fordert sie, dass die Verbände sich an den Einsatzkosten beteiligen. Innenminister Friedrich verlangt, gegen gewaltbereite Fans "konsequent durchzugreifen".

Die Gewalt in den Fußballstadien erfordert nach Angaben der Polizei eine immer größere Präsenz der Beamten. Laut Berechnungen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sind die Kosten für den Schutz der Arenen inzwischen auf rund 100 Millionen Euro pro Saison angestiegen. Aufgrund der relativ hohen Ausgaben verlangt DPolG-Chef Rainer Wendt eine finanzielle Beteiligung des Deutschen Fußball-Bundes und der Deutschen Fußball Liga.

"Wir halten es durchaus für angemessen, dass rund die Hälfte der Polizeikosten nicht dem Steuerzahler, sondern den Verbänden auferlegt werden", sagte Wendt der Nachrichtenagentur dapd. Zudem warnte er vor einem gravierenden Sicherheitsrisiko. So sei die Polizei inzwischen an ihrer "absoluten Kapazitätsgrenze" angekommen. "Wenn wir noch mehr Polizisten für den Fußball abziehen müssen, kann das dramatische Folgen für die Sicherheitslage im Land haben", sagte Wendt.

Allein bei den neun Spielen pro Wochenende in der Ersten Bundesliga würden mindestens 2000 Beamte bundesweit eingesetzt. "Es darf in keiner Ecke Deutschlands während dieser Zeit andere außergewöhnliche Sicherheitsstörungen geben, da wir keine weiteren Reserven haben", sagte Wendt.

Kritiker werfen der Polizei und der Politik indes vor, wissenschaftliche Studien zu ignorieren, die belegen würden, dass Deeskalationsstrategien zu weniger Gewalt führten. Damit würde sich auch die Anzahl von Polizeibeamten rund um die Stadien verringern. "Je zurückhaltender und kommunikativer die Polizei auftritt, je größer das Wissen und der Respekt gegenüber der Fankultur, desto weniger Gewaltvorfälle", sagte Michael Gabriel, Leiter der bundesweiten Koordinationsstelle Fanprojekte Kos, in einem Interview mit SZ.de.

"In Hannover etwa setzte die Polizei in den vergangenen Jahren ein darauf basierendes Konzept um. Ergebnis: weniger Vorfälle, weniger Festnahmen, weniger Verletzte und weniger eingesetzte Polizeibeamte."

In der vergangenen Spielzeit hatte es einige Vorfälle in Stadien im Zusammenhang mit Gewalt und der verbotenen Verwendung von Pyrotechnik gegeben. In der Saison 2010/11 wurden bei Spielen der vier höchsten deutschen Ligen insgesamt 1223 Personen verletzt, darunter auch zahlreiche Polizisten. Nach dapd-Informationen stellen Sicherheitsexperten eine Steigerung der Aggressivität von Fans fest, vor allem bei Anhängern von sogenannten Ultra-Gruppen. Mit Besorgnis beobachtet man offenkundig auch den steigenden Einfluss dieser Kräfte in den Gremien einiger Vereine.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verlangte, bei Grenzüberschreitungen von Fans "konsequent" durchzugreifen. "Bei der hochgefährlichen Pyrotechnik erwarte ich zum Beispiel ganz klar von den Vereinen, dass sie das eindeutige Verbot mittragen und im Stadion durchsetzen", sagte Friedrich der dapd.

Laut DPolG stellt die Polizei pro Austragung in der Ersten Bundesliga durchschnittlich 200 bis 300 Beamte ab, bei Spielen der zweiten und dritten Liga sind es rund 50 bis 100 Polizisten pro Stadion. "Bei 'Risikospielen' liegt der Kräfteansatz fast doppelt so hoch", sagte Wendt.

Zwischen Bund, Ländern und Vereinen fanden in jüngster Vergangenheit zahlreiche Gespräche zum Thema Gewalt in den Stadien statt. Dabei setzten sich die Innenminister weitgehend mit ihren Forderungen nach mehr Konfrontation und höheren Strafen für die Fans durch. So sollen Stadionverbote von drei auf zehn Jahre verlängert, Einlasskontrollen und Videoüberwachung verstärkt werden. Fan-Experte Gabriel nannte diese Maßnahmen indes "populistische Nebelkerzen, die nicht helfen, das Problem zu lösen".

Auch drohen Politiker zunehmend mit einem Verbot der Stehplätze in den Stadien. "Ein Stehplatzverbot ist denkbar, wenn nichts mehr geht", sagte nun der frühere Turner und heutige CDU-Bundestagsabgeordnete Eberhard Gienger. Für Gabriel ein fatales Signal an die Fans unter dem Motto: "Entweder ihr pariert, oder es kommt der Rohrstock." Er hofft, dass die Vereine nicht den konfrontativen Weg wählen, sondern mit ihren Fans das Gespräch suchen. Sonst könnte der Streit eskalieren.

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