Fußball-WM:Uruguay zelebriert das Abwehr-Fest

Lesezeit: 3 min

  • Die Nationalmannschaft aus dem kleinen Land Uruguay steht nach dem Sieg über Portugal im Viertelfinale der WM.
  • Ihre Stärke kommt aus der Gemeinschaft und von zwei Stürmern von Weltklasse.
  • Entgegen dem Ruf der Mannschaft gehört Uruguay zu den fairsten Teams dieser WM.
  • Hier geht es zu allen Ergebnissen der WM.

Von Martin Schneider

Die Nachricht, auf die ein ganzes Land wartete, sie kam noch nicht, als in Russland die Sonne wieder aufging. Wie geht es Edinson Cavani? Kann er spielen? Es gab noch keine Diagnose und so musste man mutmaßen und Aussagen interpretieren. "Er hatte Schmerzen und ich weiß nicht, welche Verletzung er hat", sagte etwa Trainer Oscar Washington Tabarez. "Ich habe etwas in der Wade gespürt", sagte Edinson Cavani selbst, um an anderer Stelle den Ort des Leides auf Knie und Schienbein einzugrenzen, weil er einen Schlag abbekommen hätte. Jedenfalls musste der Doppeltorschütze im Achtelfinale gegen Portugal gestützt vom Feld gehen, Cristiano Ronaldo bot ihm seine Schulter an. Die Frage, wie es mit Uruguay bei dieser WM am Freitag gegen Frankreich weitergeht, die hängt auch von Cavanis Genesung ab.

Aber erst einmal hat es das kleine Land wieder geschafft. Nach dem Aus von Island ist Uruguay mit seinen 3,5 Millionen Einwohnern die kleinste Teilnehmernation und setzt man Bevölkerung und Erfolge im Fußball in Relation, ist der zweifache Olympiasieger, der zweifache Weltmeister und der Rekordsieger der Copa America (das Äquivalent zur Europameisterschaft) sowas wie die erfolgreichste Fußballnation der Welt. Und das nicht nur wegen der Titel in den großen Zeiten bis 1950 - 2010 stand Uruguay im WM-Halbfinale, 2011 gewannen sie die Copa America - nun ist das Land wieder im WM-Viertelfinale.

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Uruguay ist der natürliche Außenseiter und eine Ewigkeit versuchte das Land, alle seine Nachteile mit Härte zu kompensieren. Die Spieler wurde "Urus" genannt, das klang steinzeitlich und war auch genauso gemeint. "Urus" war ein Synonym für Treter, für unfaires Spiel, für den Sieg um wirklich jeden Preis. Als Luis Suarez seinem Gegenspieler bei der WM in Brasilien in die Schulter biss - da war das Klischee wieder da, obwohl es schon damals nur noch bedingt stimmte.

Uruguay gehört zu den fairsten Teams der WM

Nun ist die Steinzeit aber vorbei. Gegen Portugal gewann das Team ohne gelbe Karte, in vier Spielen sah die Mannschaft nur eine Verwarnung, Uruguay ist zusammen mit Spanien und Saudi-Arabien das fairste Team der WM. "Wir haben ein starkes Kollektiv, dass es jedem Gegner schwer machen kann", sagte Tabarez. Uruguay tut nicht mehr mit Tritten weh, sie haben eine viel bessere Methode gefunden, um ihren Gegenübern noch mehr Schmerzen zuzufügen: Uruguay schlägt den Gegner mit Ordnung.

Die letzten Minuten gegen Portugal waren ein Abwehr-Fest. Man sah zwei perfekt gegeneinander verschiebende Verteidigungsreihen um die beiden Betonmischer Diego Godin und José Mario Giménez, beide angestellt beim Kettenhund-Verein Atlético Madrid. Portugal prallte an diesem himmelblauen Stahltor ab, ein Schuss von Bernado Silva in der 70. Minute nach einem Fehler von Uruguays Torwart Fernando Muslera war noch die beste Chance - auch Ronaldo hatte keine Aktion mehr. Die Türsteher vom Rio de la Plata ließen niemanden durch.

"Man darf das Wort Abwehr nicht dämonisieren", hatte Trainer Tabarez schon 2010 gesagt, als seine Mannschaft gegen die Niederlande vor dem Einzug ins WM-Finale stand und diese Vorgabe lebt sein Team. Tabarez meinte damit, wenn Trainer eine Mannschaft übernehmen, dann sprechen sie gerne von der Offensive, vom Spektakel, dass sie angreifen wollten. Das käme gut an, das würden die Leute hören wollen. Aber wer den Fußball komplett betrachten will, der müsse auch das Verteidigen als Kunst begreifen.

"Ich denke, dass unverwechselbare Merkmal war das Engagement, das alle Spieler gezeigt und auf dem Platz umgesetzt haben. Und das ist ein Teil des Fußballs - es ist ein Teil davon, wie wir Fußball sehen", sagte er dann auch nach dem Sieg gegen Portugal. Tabarez ist ein Denker, ein ehemaliger Grundschullehrer, der den maximalen Respekt seiner Spieler genießt. Was er sagt, wird umgesetzt. "Im Kopf ist das Team sehr stark", sagt der Trainer wiederum über seine Mannschaft.

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Mit Gehhilfe am Spielfeldrand: Seit Oscar Tabárez, 71, Uruguays Fußball leitet, hat er die einstige Tretertruppe zu einer Elf geformt, die für alle großen Teams eine Herausforderung ist.

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Tabarez warnt vor Mbappé und Griezmann

Gleichwohl weiß er auch: Wer lediglich kein Gegentor kassiert, gewinnt kein Fußballspiel, womit man wieder bei Cavani wäre. Der hebelte mit seinem Sturmpartner Luis Suarez zunächst mit zwei Pässen das ganze Verteidigungskonzept von Portugal aus (Flanke Cavani über das ganze Feld nach links, Flanke Suarez über das halbe Feld vors Tor, Kopfball Cavani, 1:0) und schlenzte dann das zweite Tor herbei. Das Abwehrkollektiv braucht seine zwei Offensiv-Künstler und wenn einer ausfällt - dann liegt die Last auf dem anderen. 2010 war auch deswegen gegen die Niederlande Schluss, weil Luis Suarez rotgesperrt fehlte.

Nun kommt mit Frankreich "ein sehr starker Gegner", sagte Tabarez, der vom furiosen 4:3 gegen Argentinien zumindest die ersten Minuten noch sah, ehe er zu seiner Mannschaft sprach. "Antoine Griezmann und Kylian Mbappé haben eine unglaubliche Geschwindigkeit. Das wird sehr schwierig für uns. Aber wir sind hier, um alle sieben Spiele zu spielen." Am Flughafen in Kasan jubelten ein paar argentinische Fans für kurze Zeit, als Portugal der zwischenzeitliche Ausgleich gelang und schwiegen laut, als Cavani das Siegtor schoss. Sie wollten nicht einsehen, dass der kleine Nachbar sich cleverer angestellt hat, als sie, die große Fußballnation.

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