Fußball:Über den Zauber des Amateurfußballs

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Auf deutschen Ascheplätzen geht es nicht um Höchstleistungen, es geht um die Werte, die der Profisport gerne für sich beansprucht. Beobachtungen an der Basis.

Von Sebastian Fischer

Sascha Mölders hat den Mund voll, vor ihm auf dem Tisch beim Italiener steht ein Berg aus Nudeln, und es vergehen keine zehn Sekunden, in denen sein Handy nicht brummt. Nicht die besten Voraussetzungen für ein Gespräch. Doch es soll in der Geschichte um den Widerspruch zwischen Amateur- und Profifußball gehen, deshalb ist es unvermeidlich mit Mölders zu sprechen, der es vom Ascheplatz in die Bundesliga geschafft hat, in der Freizeit Hobbykicker trainiert - und vor der Tür beim TSV 1860 spielt. Er lässt dann höflich seine Nudeln kalt werden.

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Der Profifußball ist ein bisweilen faszinierendes Geschäft. Es gibt, da nun die Saison beginnt, immer wieder Neues zu erzählen, auch wenn sich die Abläufe gleichen. Und sportliche Höchstleistungen, harmonisch verschiebende Abwehrreihen zum Beispiel, bleiben aller Skepsis über Transfersummen zum Trotz beeindruckend. Der Amateurfußball ist auf andere Weise besonders. Es geht nicht um Höchstleistungen (wenn die Abwehrreihen verschieben, dann öfter Richtung Vereinsheim als Richtung Ball). Es geht um die ideellen Werte, die der Spitzensport gerne für sich beansprucht. Wer einmal auf dem Platz stand, hat das selbst erfahren: Zusammenhalt, Hingabe, Opferbereitschaft. Der Amateurfußball ist ein Schatz voller Geschichten.

Rudi Gutsmuths war Torwart, Trainer, Jugendleiter, Spielervater, Sanitäter

In einem Text über die Amateurfußballer in Deutschland müssen ein paar Personen exemplarisch für Millionen andere stehen. Für manche ist dann leider kein Platz mehr. Für Gerd Hillmann zum Beispiel, über den in der Lokalzeitung steht, dass er sechs Jahre lang das einzige Mitglied des SV Rethorn in Niedersachsen war, den Verein nicht aufgab, sich Woche für Woche allein in die Kabine setzte, bis sich wieder eine Mannschaft fand.

In der Geschichte geht es dafür unter anderen um Menschen wie Rudi Gutsmuths, der 1949 den SV Britz Süd in Berlin Neukölln gegründet hat. Er war Spieler, Torwart, Trainer, Jugendleiter, Spielervater, Sanitäter. Er ist heute, mit 91, Fan, ältestes Mitglied, Maskottchen, Betreuer und, wenn es sein muss: Linienrichter. Gutsmuths ist Teil des Foto-Essays "An jedem Sonntag" des Berliner Fotografen Christian A. Werner, der die Essenz des Amateurfußballs in Bildern festgehalten hat, die die Geschichte begleiten.

Es kommt auch Wacker Bergeborbeck vor, jener Essener Verein, auf dem Sascha Mölders auf Asche die Lust am Fußballspielen wiedergewann, und der jetzt ums Überleben kämpft. Aber mit dem Fußball aufhören? Geht ja nicht, sagen sie in Essen. Und sagen auch Wolle und Bine Neubauer, die in der vergangenen Saison in Hamburg 109 Amateurspiele gefilmt und kommentiert haben. In dieser Saison sollen noch Frauenfußballspiele dazukommen.

Alle fragten beim Gespräch übrigens überrascht: "Und wie sind Sie ausgerechnet auf mich gekommen?" Alle, nur Sascha Mölders nicht. Aber vielleicht hatte er auch nur den Mund voll, als er es dachte.

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