Deutsche U-21-Nationalmannschaft:Alles auf Anfang

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"Es ist eine neue Mannschaft, die mit dem EM-Ausscheiden nichts zu tun hat - eine neue Chance für eine neue Mannschaft": U-21-Trainer Antonio Di Salvo. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Nach dem EM-Debakel muss U-21-Trainer Antonio Di Salvo in seinem zweiten Zyklus als Chefcoach zeigen, dass er es besser kann. Von seiner neuen Achse fehlen allerdings gleich drei Spieler.

Von Ulrich Hartmann

Die Europameisterschaft im Juni war ein Debakel. Die meisten der Spieler wird der deutsche U-21-Trainer Antonio Di Salvo nie wieder einladen. Das ist allerdings keine Strafe. Das hat einen einfachen Grund: Sie sind jetzt schlicht zu alt.

Di Salvo hegt gegen niemanden einen Groll. Seine EM-Analyse hat kollektive Schwächen in der Teamstruktur, im Torabschluss und in der Restverteidigung ergeben. Wenn Di Salvo betont, dies seien ab sofort relevante Faktoren für die Qualifikationsspiele zur EM 2025 in der Slowakei, dann muss er sie jetzt den neuen, den jüngeren Spielern beibringen. "Das ist das Schöne", sagt er, "es ist eine neue Mannschaft, die mit dem EM-Ausscheiden nichts zu tun hat - eine neue Chance für eine neue Mannschaft."

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Für Di Salvo selbst ist sein zweiter Zyklus als Cheftrainer der U 21 die Chance zu zeigen, dass er es besser kann. Die alte Mannschaft hat bei der EM in Georgien von ihren drei Gruppenspielen kein einziges gewonnen, sie lag nicht ein Mal in Führung, hat nur zwei Tore geschossen und ist als Gruppenletzter ausgeschieden. "Die Mannschaft war zur EM sehr kurzfristig so zusammengekommen und hatte durch eine hohe Fluktuation im Laufe der Jahre zuvor nicht richtig zusammenwachsen können", sagt Di Salvo im Rückblick. "Durch die Ausfälle wichtiger Spieler bei der EM war außerdem die Qualität geringer; die Konsequenz im Abschluss hat ebenso gefehlt wie in entscheidenden Szenen die Konsequenz im Verteidigen." Beides wird im Fokus stehen beim neuen Jahrgang. Auf die Zusammenstellung des Kaders wird Di Salvo diesmal vielleicht noch mehr achten. "Es wäre wünschenswert, eine feste Achse zu haben, eine Achse, die immer da ist, die die Mannschaft führt."

Diese könnten im Tor der Freiburger Noah Atubolu, in der Innenverteidigung der Herthaner Marton Dardai und der Freiburger Kenneth Schmidt, im Mittelfeld der Kölner Eric Martel und der Freiburger Merlin Röhl sowie in der Offensive der Dortmunder Youssoufa Moukoko und der Mainzer Nelson Weiper bilden. Allerdings fehlen in dieser Woche beim ersten Lehrgang des neuen U-21-Jahrgangs in Saarbrücken mit Atubolu, Dardai und Weiper verletzungsbedingt gleich mal drei dieser Spieler. "Das ist bitter" sagt Di Salvo, "aber das bedeutet auch immer eine Chance für andere Spieler."

Vor der EM fiel fast eine komplette Elf aus

Viele Chancen für möglichst viele Spieler - was eigentlich gut klingt, war im vergangenen Zyklus ein entscheidender Nachteil. Nicht zuletzt wegen Corona hatte Di Salvo im Laufe der eineinhalb Jahre vor der EM 2023 insgesamt mehr als 50 Spieler in seine Nationalmannschaft berufen, und als die EM dann losging, fiel ihm verletzungsbedingt fast eine komplette Elf relevanter Spieler aus. "Über eineinhalb Jahre hinweg war die Teamstruktur extrem schwankend und die Fluktuation groß gewesen", sagt Di Salvo, "dabei ist es so wichtig, eine gute Teamstruktur zu haben und dass allen alle Abläufe bekannt sind."

Nun sind feste Strukturen und über Jahre hinweg verinnerlichte Abläufe ohnehin nichts, was ein Trainer einem Kader binnen zwei oder drei Lehrgängen beibringen kann. Dazu bedarf es einer übergeordneten Systematik. Genau die zu verbessern ist das Ziel eines Kompetenzteams, das beim Deutschen Fußball-Bund der neue Sportdirektor für Nachwuchs, Training und Entwicklung, Hannes Wolf, zusammengestellt hat. Auch Di Salvo gehört zu diesem Gremium. "Uns geht es dabei auch um die Basics, um Leidenschaft, um den Willen, Tore zu schießen und zu verteidigen, um Intensität über 90 Minuten hinweg", sagt er. Di Salvos Ziele im Kompetenzteam und in der U 21 sind ziemlich identisch, bloß dass er im ältesten Nachwuchsteam ausbaden muss, falls Spieler mal nicht voll mitziehen. Bei der jüngsten EM war das der Fall.

Einer der Hoffnungsträger für den neuen Zyklus der U 21: Stürmer Youssoufa Moukoko. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Nun geht alles von vorne los. An diesem Freitag (18.15 Uhr) testet die U 21 in Saarbrücken gegen die Ukraine, nächsten Dienstag gastiert sie zum ersten EM-Qualifikationsspiel gegen Kosovo in Pristina. Spieler, auf die es ankommen könnte, sind in der Abwehr der Herthaner Linus Gechter, der Darmstädter Clemens Riedel und der Freiburger Schmidt; im Mittelfeld der Kölner Martel, der Augsburger Tim Breithaupt und der Mainzer Brajan Gruda sowie im Angriff der Fürther Tim Lemperle, der Dortmunder Moukoko und der Hoffenheimer Maximilian Beier.

Einige Spieler, die in ihren Bundesliga-Klubs in dieser noch jungen Saison bereits Einsätze hatten, sind nicht dabei. So spielen der Gladbacher Lukas Ullrich und der Unioner Aljoscha Kemlein bei der U 20, der Gladbacher Rocco Reitz, der Stuttgarter Lilian Egloff, der Kölner Max Finkgräfe, der Bremer Leon Opitz und der Hoffenheimer Tom Bischof wurden nicht nominiert. Di Salvo sagt: "Sie sind alle in unserem Fokus!" Das Auswahlverfahren hat gerade erst begonnen.

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