Fußball: Turnier in München:Konturen für van Gaal

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Das 4:1 gegen den AC Mailand zeigt, wie sich beim FC Bayern Stil, Aufstellung und Hierarchie herauskristallisieren. Einem teuren Zugang droht ein Platz auf der Bank.

Johannes Aumüller

Routiniert und zutreffend dribbelte Abwehrspieler Philipp Lahm in der Mixed-Zone durch den Analyse-Parcours. Zu Recht wies er darauf hin, dass sich seine Mannschaft im Passspiel verbessert gezeigt habe, zu Recht hob er hervor, dass die Abwehr kaum Chancen zugelassen habe, und ebenso zu Recht mahnte er an, dass sich das alles noch weiterentwickeln müsse und man ja - und hier unterlief Lahm der einzige kleine Analyse-Fehler - noch "mitten in der Vorbereitung" stecke.

Louis van Gaal kann mit der Leistung seiner Mannschaft gegen Mailand zufrieden sein. (Foto: Foto: Getty)

Die Zeit für diese Formulierung ist nun vorbei. Bereits in drei Tagen beginnt für die Bayern das Pflichtspielprogramm - zwar "nur" mit einem DFB-Pokal-Spiel gegen den Sechstligisten SpVgg Neckarelz, aber DFB-Pokal ist DFB-Pokal. Eine Woche später steht das erste Bundesligaspiel bei der TSG Hoffenheim an. Und somit sind der 4:1-Sieg der Bayern gegen eine übermüdete und tatsächlich noch mitten in der Vorbereitung steckende Mannschaft des AC Mailand sowie das Spiel gegen eine ebenso mitten in der Vorbereitung steckende Mannschaft von Manchester United am Donnerstagabend (20:45 Uhr) der letzte Härtetest vor der Saison.

Teil eins der Generalprobe hat die Elf von Gaal gut gemeistert, nach zwei Treffern von Thomas Müller sowie je einem von Bastian Schweinsteiger und Saër Sène siegte sie auch in dieser Höhe verdient. Entscheidender als das bloße Resultat ist ohnehin die Tatsache, dass sich immer mehr Fragen klären, die neue Bayern-Mannschaft immer mehr Konturen annimmt: in puncto Stil ebenso wie in puncto Aufstellung und in puncto Hierarchie.

Louis van Gaal hat seiner neuen Mannschaft bereits gewisse Grundcharakteristika eingeimpft. Das sichere Passspiel steht an oberster Stelle, und gegen Milan löste der FCB diese Anforderung ziemlich ordentlich. Insgesamt gab es nur wenige Ballverluste, und von den wenigen Ballverlusten der ersten Halbzeit gingen etliche auf das Konto von Linksverteidiger Edson Braafheid. In der Mannschaft steckt eine solide Grundordnung, was sich sowohl bei der Ballbehauptung als auch beim Versuch der Balleroberung zeigt - und es stellt sich allein die Frage, ob diese Grundordnung auch so beibehalten werden kann, wenn in einigen Wochen der anarchisch veranlagte Franck Ribéry in die Mannschaft zurückkehrt.

Der Wächter über besagte Ordnung ist sowohl verbal als auch fußballerisch Mittelfeldspieler Mark van Bommel, der sicherlich zu den Gewinnern der bisherigen Van-Gaal-Zeit zählt. Nach der Verpflichtung von Anatolij Timoschtschuk hatten schon viele den Niederländer abgeschrieben. Nun hat er den Platz als "Sechser" sicher, seit dem ersten Testspiel trägt er die Kapitänsbinde - und auch wenn die Spielführerfrage offiziell noch nicht entschieden, spricht nichts dafür, dass van Bommel dieses Amt noch einmal abgeben muss.

Weitere Fingerzeige auf die formale Team-Hierarchie zeigten sich beim Spiel gegen Milan, als van Bommel in der 63. Minute das Feld verließ - und die Binde nicht etwa an seinen letztjährigen Stellvertreter Martin Demichelis oder den mit Führungsspieleranspruch verpflichteten Timoschtschuk übergab, sondern an Philipp Lahm. Ein Zufall, weil der Außenverteidiger gerade in der Nähe stand? Keineswegs, der Trainer habe das vor dem Spiel so angeordnet, verriet Lahm später.

Auf der nächsten Seite: Welche Positionen in der Startaufstellung noch offen sind - und wer Anatolij Timoschtschuk auf die Bank verdrängen könnte.

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Der 27-Minuten-Spielführer gehört zu den sieben Spielern, die im beginnenden Pflichtspiel-Betrieb ihren Stammplatz sicher haben. An der Innenverteidigung Daniel van Buyten/Holger Badstuber rüttelt van Gaal nicht mehr, van Bommel und Danijel Pranjic haben ihre Plätze ebenfalls sicher, und im Angriff heißt das Duo Mario Gomez und Miroslav Klose, sofern Klose seine Grippe auskuriert, die ihn gegen Mailand am Mitspielen hinderte.

Doch die vier anderen Plätze sind umkämpft - eine davon wohl nur temporär. Bis Franck Ribéry wieder zurückkehrt, streiten sich José Sosa, Alexander Baumjohann und Thomas Müller um dessen Spielmacher-Position. Die Partie gegen Mailand hat van Gaal die Entscheidung nicht gerade leichter gemacht. Sowohl Sosa als auch der erst 20-jährige Müller, der Klose als zweiten Stürmer ersetzte, boten gute Leistungen. Müller erhielt entsprechend die Auszeichnung "Man of the Match" - sowie viel Lob und gute Aussichten vom Trainer. "Ich bringe junge Spieler, und wenn sie das gut machen, können sie weitergehen", sagte der Niederländer.

Für die Duelle auf den anderen Positionen sind alle Protagonisten fit. Im Tor liegt nach dem bisherigen Vorbereitungsverlauf Hans-Jörg Butt zwar etwas vorne, doch gegen Mailand war er gleich zwei Mal unsicher und verschuldete den einzigen Gegentreffer, einen Freistoß von Andrea Pirlo. Gemäß vorheriger Absprache hütet gegen Manchester Butts Kontrahent Michael Rensing das Tor.

Links hinten spielte zwar in allen Vorbereitungspartien der niederländische Zugang Edson Braafheid. Aber dessen Fehlerquote dürfte van Gaal Sorgen machen - und zu dem Gedanken verleiten, ob nicht die gegen Mailand in der zweiten Hälfte gewählte Variante (Pranjic links hinten, Schweinsteiger im halblinken Mittelfeld) sinnvoller wäre.

Einen etwas unerwarteten Kampf gibt es auf der halbrechten Rauten-Position. Alle Beobachter gingen fest davon aus, dass Timoschtschuk einen Stammplatz haben würde - entweder als Sechser oder halbrechts in der Raute. Doch in der Generalprobe gegen Mailand fand sich der für elf Millionen Euro verpflichtete Blondschopf zunächst auf der Ersatzbank wieder: Den Posten vor der Abwehr hat sich van Bommel gesichert, und halbrechts drängt sich Hamit Altintop auf, der gegen Mailand eine gute Leistung zeigte. "Ich bin gesund, ich bin bereit zu spielen, alles andere muss der Trainer entscheiden", sagte Timoschtschuk nach dem Spiel etwas verschnupft. "Ich habe in meiner Karriere meistens auf der Sechser-Position gespielt, aber letztlich will ich nur spielen und mir ist egal, wo."

Altintop hingegen gestand, wie er sich mühsam in die Bayern-Elf hineinbeißen und wie er sich erst an den neuen Trainer gewöhnen musste. "Die ersten Wochen waren für mich nicht einfach. Jeder braucht Zeit, um zu verstehen, wie einer etwas sieht", sagte er. Doch das hat sich nun eingespielt: "Der Trainer hat klare Vorstellungen und man weiß, woran man mit ihm ist."

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