Fußball:Schwarz-Rot-Gold unnahbar - DFB kämpft mit Vorbildrolle

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St. Leonhard (dpa) - Der Vorzeigefußballer Thomas Müller hat im WM-Vorbereitungscamp der deutschen Nationalmannschaft einen wunderbaren Satz gesagt. "Wir werden in Brasilien elf Spieler auf dem Platz haben, die alles für den Bundesadler geben werden."

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St. Leonhard (dpa) - Der Vorzeigefußballer Thomas Müller hat im WM-Vorbereitungscamp der deutschen Nationalmannschaft einen wunderbaren Satz gesagt. „Wir werden in Brasilien elf Spieler auf dem Platz haben, die alles für den Bundesadler geben werden.“

Der 25 Jahre alte Bayern-Profi sagte dies zwar im Zusammenhang mit der Verletzungsmisere der Löw-Truppe, aber er sprach damit auch die herausragende Rolle der DFB-Auswahl an. Sie wird bei der einen Monat dauernden Weltmeisterschaft wieder 80 Millionen Deutsche repräsentieren. Über die ganz besondere Außenwirkung der Repräsentanten und Vorbilder in Schwarz-Rot-Gold wird nach einigen Vorfällen heftig diskutiert - gerade auch vor Ort in Südtirol.

Bundestrainer Joachim Löw verliert als Temposünder den Führerschein. Der Dortmunder Kevin Großkreutz verrichtet seine Notdurft nach dem DFB-Pokalfinale in einer Hotel-Lobby. Und ein fragwürdiger Fahr-Spaß in schnellen Autos des DFB-Generalsponsors Mercedes-Benz endet auf einer offenbar nicht ausreichend gesicherten Bergstrecke mit einem Crash und Verletzten. Es läuft einiges schief im italienischen Passeiertal - nicht nur auf, sondern auch neben dem Fußballplatz.

Als Löw und Teammanager Oliver Bierhoff wegen der Pinkelaffäre ein ernstes Gespräch mit dem 25-jährigen Großkreutz führten, ging es auch um das große Ganze. „Nationalspieler sind in ganz besonderem Maße Vorbilder, auch neben dem Platz. Daran haben wir ihn erinnert“, sagte Löw.

Als zwei Tage später bekanntwurde, dass das Vorbild der Vorbilder schon seit längerem die Fahrerlaubnis los ist, gab sich Löw selbst zwar öffentlich zerknirscht über sein Fehlverhalten. Aber Bierhoff spielte das Thema am selben Tag bei einer Pressekonferenz in St. Leonhard herunter: „Wir wollen immer Vorbilder sein, aber wir sind auch Menschen“, sagte der Manager: „Ich sehe keine Gefahr darin, dass Jogi jetzt als Raser durchgeht.“ Zwei Stunden später wurden bei den Werbeaufnahmen zwei Personen vom 360 PS starken Mercedes des DTM-Piloten Pascal Wehrlein (19) erfasst und verletzt.

Löw ist kein Freund von Sponsorenterminen in Trainingslagern. Aber auch der Bundestrainer weiß, wie wichtig die zahlreichen Geldgeber mit ihren Millionen für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) sind. Das Nationalteam ist wirtschaftlich der Goldesel und Motor des Verbandes.

Insgesamt 600 000 Euro in Geld- und Sachleistungen lassen sich die Gemeinden des Passeiertals und des Landes Südtirol den zehntägigen Aufenthalt der deutschen Kicker kosten. „Der Grund, hierherzukommen, war kein wirtschaftlicher Aspekt“, versicherte Bierhoff jedoch.

Die Gastgeber freuen sich über schöne Werbebilder von Spielern, die auf Moutainbikes durch die Berge radeln. Ansonsten kriegen Einheimische und Urlauber die unnahbaren Stars aber praktisch nicht zu sehen. Auch nach einer Woche in Südtirol hatte noch kein öffentlicher Termin stattgefunden. Ein angekündigtes Training mit Zuschauern steht weiterhin aus. Nur an einem Sponsorentag durften rund 600 ausgewählte Gäste ein Übungsspiel zumindest teilweise verfolgen. „Es ist immer ein Spagat. Die größte Freude können wir unseren Fans machen, wenn wir Weltmeister werden. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit kann man ruhiger arbeiten“, erläuterte Bierhoff.

Die besondere Anziehungskraft von Philipp Lahm und Co. wird von den Verantwortlichen gerne genutzt, sogar betont, die Zuneigung der Fans aber wird immer wieder auch störend empfunden. Auch Politiker suchen die Nähe der nationalen Fußballhelden. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird auf ihrer Brasilien-Reise zum ersten WM-Gruppenspiel am 16. Juni in Salvador gegen Portugal kommen. Ein Kabinen-Foto von ihr mit Mesut Özil sorgte einst für Aufregung, Spieler mit Migrationshintergrund betonen die gesellschaftspolitische Bedeutung der Nationalelf.

Vor vier Jahren gelang es Löw, mit einem jungen, unbekümmerten Team und frischen Gesichtern wie Özil, Khedira und WM-Torschützenkönig Müller in Südafrika ein neues deutsches Fußballbild in der Welt zu zeichnen. Der damalige Bundespräsident Christian Wulff verteilte nach WM-Platz drei symbolisch Goldmedaillen an Kapitän Philipp Lahm und seine Kollegen. „Unser Land kann dankbar für diese Leistung und stolz auf diese Mannschaft sein“, sagte Wulff als Überraschungsgast bei der abschließenden Pressekonferenz im DFB-Quartier. „Die Nationalmannschaft war bester Botschafter unseres Landes in der Welt“, sagte das Staatsoberhaupt. Wiederholung in Brasilien?

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