Salut-Jubel:Ein Gruß, der die Fußballfamilie spaltet

Salut-Jubel: „Allachs Siegespose für unsere Soldaten“: Mit diesem Kabinenfoto stieß der SV Türkspor bei anderen Vereinen auf großes Unverständnis.

„Allachs Siegespose für unsere Soldaten“: Mit diesem Kabinenfoto stieß der SV Türkspor bei anderen Vereinen auf großes Unverständnis.

(Foto: Instagram)

Auch in Münchens Amateurfußball salutieren Spieler mit türkischen Wurzeln - und fühlen sich dabei missverstanden. Der Verband fürchtet eine Eskalation.

Von Andreas Liebmann

Die Herbstsonne wirft lange, schwarze Schatten auf den Rasen. Sie stammen von fünf jungen Männern in roten Trikots und kurzen roten Hosen. Eng nebeneinander stehen sie, in Reih und Glied. Als sich das unscharfe Bild zu bewegen beginnt, gesellen sich hastig eine sechste und siebte Gestalt dazu, Kamera läuft - dann salutieren sie alle, die Männer und ihre Schatten. Kaum fünf Sekunden später friert das Bild wieder ein. Es ist nur ein kleines Instagram-Video auf der Seite des Fußball-Kreisklassisten SV Türk Dachau, daneben auf Türkisch ein nationalistischer Slogan und die Bitte, Gott möge den Soldaten helfen. Darunter haben sich andere Vereine mit Kommentaren zu Wort gemeldet, zum Beispiel der VfB Forstinning. Der schreibt: "Wir sind dann mal weg."

Man muss das vielleicht kurz vom Soziale-Medien-Deutsch ins echte Leben übersetzen: Das ist, wie jemandem die Freundschaft zu kündigen. Man folgt ihm nicht mehr. Auch andere Vereine haben es so gehandhabt, der SV Sentilo Blumenau, der TSV Gersthofen, sie sind ebenfalls weg. "Für mich ist das ein No-Go", erklärt Forstinnings Abteilungsleiter Thomas Herndl die Reaktion, "der Fußball sollte politikfrei bleiben." Die Jungs, sagt er, wüssten womöglich gar nicht, was sie da auslösten, aber er "als Demokrat" und Verantwortlicher eines Vereins, für den "Spieler aus aller Herren Länder" antreten, fühle sich verpflichtet, hier Farbe zu bekennen. Ebenso hätte er sich bei fremdenfeindlichen oder homophoben Äußerungen verhalten.

Die Militärgrüße türkischer Fußballprofis in den vergangenen Tagen haben auch in den unteren deutschen Amateurklassen längst Nachahmer gefunden. Spieler mit türkischen Wurzeln salutieren, auch in und um München. Die sieben von Türkspor Dachau taten das nach ihrem 6:1-Erfolg am vergangenen Sonntag gegen Lohhof. Es gab dafür auch Unterstützer auf ihrer Instagram-Seite, den FC Türk Sport Garching zum Beispiel, den SV Türkspor Allach. Letzterer kommentierte: "Der Türke hat keinen Freund außer dem Türken." Sie fühlen sich angegriffen, missverstanden. Doch zugleich spaltet ihre Aktion - das, was gelegentlich so hübsch als "die Fußballfamilie" bezeichnet wird, doch sie spaltet eben durchaus auch die Gemeinde der türkischstämmigen Fußballer.

Der BFV kündigt eine harte Linie an

Auch die Allacher haben auf ihrer Instagram-Seite ein Foto gepostet, auf dem die ganze Mannschaft in der Umkleide den Militärgruß zeigt - nicht nur die Spieler mit türkischen Wurzeln. Ihr Begleittext lautet: Allachs Siegespose für unsere Soldaten.

Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) hat das brisante Thema aufgegriffen. Am Mittwoch veröffentlichte er ein Doppelinterview mit dem für Rechtsfragen zuständigen Vizepräsidenten Reinhold Baier und Vural Ünlü, Vorstandssprecher der Türkischen Gemeinde in Bayern. Baier unterschied darin klar zwischen gesellschaftlichen und politischen Statements - aus letzteren müsse sich der Fußball aufgrund weltweiter Vereinbarungen heraushalten. Ünlü forderte, der Salut-Jubel dürfe "nicht reduziert werden auf eine platte Erdogan-Unterstützung oder eine Gier auf kriegerische Konfrontation. Das ganze Thema ist sehr komplex, weil da der kulturelle und historische Kontext mit reinspielt".

Dennoch halte er als Pazifist die Salut-Gesten für "grundsätzlich problematisch". Und der BFV kündigte eine harte Linie an: "Solch ein provozierendes Verhalten wird nicht toleriert und jeder einzelne Fall zur Anzeige vor dem Sportgericht gebracht."

Der Kreischef schickt einen Brief an alle Vereine

Als "kriegsverherrlichend" wertet auch Bernhard Slawinski, Münchens BFV-Kreischef, die Aktionen. Er und seine Mitstreiter sind natürlich nicht "mal weg", sie suchen nun intensiv Gespräche, versuchen zuzuhören und klarzumachen, warum solche Gesten im Sport nichts verloren hätten. Slawinski hat solche Dinge seit Langem kommen sehen. Nicht den unmittelbaren Konflikt im Nahen Osten, sondern die allgemeine Gefahr, dass die Vielzahl politischer und ethnischer Konflikte auf der Welt irgendwann seine Fußballplätze erfassen wird. Dass sich monoethnisch geprägte Vereine davon beeinflussen, vielleicht auch instrumentalisieren lassen. Davor hat der Initiator des Gewaltpräventionsprogramms "Fairplay München" intern oft gewarnt.

"Fußball muss komplett frei von ethnischen und politischen Vorbehalten sein", fordert er. Er sieht durch solche Handlungen die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre gegen Gewalt auf den Plätzen gefährdet. "Das Ganze birgt enorme Brisanz", warnt er. Schiedsrichter, Beobachter, Konfliktmanager und Mediatoren sind in Habachtstellung gegangen. Slawinski hat gerade einen Brief an alle Vereine geschrieben. Darin appelliert er, "dass wir im Ablauf unserer Fußballspiele keinerlei politische, sexuell diskriminierende oder religiöse Provokationen dulden. In den letzten Jahren haben wir mit großem Erfolg und enorm viel Energie dafür gesorgt, dass Fußballspiele ausschließlich sportliche Wettkämpfe bleiben."

"Das steckt in jedem drin, Türken werden da anders erzogen"

Hasan Celik ist Vorsitzender von Türk Sport Garching, auch dessen Team hat am Sonntag vor dem Anpfiff des Derbys gegen den VfR Garching II salutiert. Celik findet das nicht unbedingt gut, er habe sich die Spieler "zur Brust genommen", sagt er, sie zu den Beweggründen befragt. "Der Gruß galt den Soldaten", versichert er nun, "die dort in den Krieg ziehen müssen und nichts dafür können. Jeder Krieg ist ein Drama, das wir verurteilen. Sie salutieren vor den Leuten, die dort sinnlos sterben."

Celik betont, man habe auch Kurden im Verein, sogar im Vorstand, "wir sind Brüder". Und "die Jungs" hätten kein politisches Signal senden wollen. Man müsse die türkische Seele kennen, um all das zu verstehen. Es gehe hier um die dritte, vierte Einwanderer-Generation, diese jungen Männer würden jederzeit Deutschland als ihre Heimat verteidigen, aber sie hätten eben auch die starke Verbindung zu ihren Wurzeln. "Das steckt in jedem drin. Türken werden da anders erzogen".

Türk Dachau hat sein Video inzwischen gelöscht. Der Vorsitzende Selahatin Öztürk versucht zu erklären, dass das Gedenken an Gefallene per Soldatengruß für Türken nichts Ungewöhnliches sei, das habe nichts mit diesem Krieg zu tun. Er verstehe aber, dass man das schwer von jenen unterscheiden könne, die damit Propaganda machten und Krieg befürworteten; und dass es generell falsch verstanden werden könne. Deshalb, findet er, sollten die türkischen Vereine davon Abstand nehmen.

Der SV Türk Dachau ist in diesem Jahr übrigens nicht zum ersten Mal auffällig geworden. Im Januar zum Beispiel haben gut 20 seiner Fußballer versucht, eine etwas andere Challenge anzustoßen, als sich etwa mit Eiswasser zu übergießen. Sie gingen, in der Hoffnung auf Nachahmer, gemeinsam zum Blutspenden. Sie wollten etwas Gutes für ihre Gesellschaft tun.

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