Fußball-Relegation:Kollaps im System

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Traumatische Szene: Der Zusammenbruch des Spielers von Hellas München erinnerte viele an den des dänische Nationalspielers Christian Eriksen während der EM im vergangenen Sommer. (Foto: Friedemann Vogel/AP)

In einem Münchner Relegationsspiel zur Bezirksliga kollabiert ein Spieler, die Partie wird trotzdem fortgesetzt. Im Anschluss kochen die Emotionen hoch - und die Frage ist, wie man künftig mit solchen Fällen umgeht.

Von Christian Bernhard

Das Relegationsspiel zur Bezirksliga zwischen dem FC Wacker München und dem FC Hellas München hat über Bayerns Fußballgrenzen hinaus Aufsehen erregt - und das nicht aus sportlichen Gründen. Hellas-Spieler Sokratis Evangelou war am Pfingstsonntag um die 35. Spielminute auf dem Platz zusammengebrochen. Laut beiden Trainern habe er die Augen verdreht, gezuckt und sei für eine Minute nicht ansprechbar gewesen. "Ein fürchterliches Bild", sagte Wacker-Trainer Florian Hahn.

Hahn rief seinen Vater, einen Kardiologen im Ruhestand, von der Tribüne aufs Feld, dieser half mit, Evangelou zu stabilisieren, bis der Rettungswagen eintraf. Der Spieler sei beim Abtransport ansprechbar gewesen. Bei beiden Vereinen wurden Erinnerungen an den Kollaps von Christian Eriksen bei der letztjährigen Europameisterschaft wach, viele Hellas-Spieler weinten. Hellas-Trainer Adis Letica hob hervor, dass Wacker sofort angeboten habe, auch nicht mehr anzutreten, wenn Hellas nicht mehr hätte weiterspielen wollen. "Wir wollen nicht unrühmlich aufsteigen", betonte Hahn.

"Ich hätte zu beiden Seiten hingehen und fragen müssen: Wollt ihr weiterspielen? Das war mein Fehler."

Zum weiteren Geschehen gehen die Schilderungen auseinander. Laut Wacker-Seite sei vom anwesenden Gruppenspielleiter Volker Blum der Satz gefallen, die Partie müsse noch am selben Tag zu Ende gebracht werden. Es herrscht Zeitdruck. Worte wie "Skandal" und "menschenverachtend" fielen daraufhin. Blum entgegnete, er habe den Schiedsrichtern mitgeteilt, dass sie, falls Hellas einen Spielabbruch wünsche, dem nachkommen sollten. Er habe es in der emotionalen Ausnahmelage jedoch verpasst, beide Teams darüber zu informieren, räumte er ein. "Ich hätte zu beiden Seiten hingehen und fragen müssen: Wollt ihr weiterspielen? Das war mein Fehler." Den Vorwurf von Wacker-Seite, er habe sich nicht nach dem Gesundheitszustand des Spielers erkundigt, wies er zurück.

Letica stand auch noch am Pfingstmontag, als er Sokratis Evangelou im Krankenhaus besuchte, unter Schock. Evangelou gehe es den Umständen entsprechend gut, sagte er. Letica kann nicht bestätigen, dass der Satz, es müsse weitergespielt werden, gefallen sei. Wofür er den Bayerische Fußball-Verband (BFV) kritisiert, ist, dass Hellas weder von Funktionärs- noch von Schiedsrichterseite gefragt worden sei, ob man weiterspielen wolle. "Das uns zu überlassen, war falsch." Gegen seinen Rat beschlossen die Spieler die Partie fortzusetzen - für den kollabierten Kollegen. Abgebrochen wurde das Spiel schließlich zwar doch noch, allerdings wegen eines Unwetters in der zweiten Hälfte.

Münchens BFV-Kreisvorsitzender Frank Ludewig zeigte Verständnis für die Vereine. "Dass die Entscheidung, nach so einem traumatischen Ereignis weiterspielen zu müssen, beim FC Hellas auf Unverständnis stößt, ist nachvollziehbar. Ebenso verstehen wir den Unmut des FC Wacker, der innerhalb von acht Tagen vier Spiele zu absolvieren hatte." Das letzte hatte wegen eines Flutlichtausfalls wiederholt werden müssen. Um nun zu deeskalieren, habe sich der BFV-Kreis mit der Bitte an die Verbandsspitze gewandt, die Partie ausnahmsweise erst eine Woche später nachzuholen, "um den Vereinen Zeit zu geben, durchzuatmen", so Ludewig, trotz des Termindrucks.

Ludewig und Blum gaben zu verstehen, dass sie an die Spielordnung gebunden sind, wenngleich Ludewig mit Blick auf mögliche künftige Fälle einwandte: "Ohne die Struktur an sich schlecht zu reden, könnte man meiner Meinung nach einen Gedanken daran verschwenden, ob die Spielordnung auf Kreisebene noch in jeder Hinsicht passt. Sowohl Letica als auch Evangelou erreichten aus ganz Deutschland mitfühlende Nachrichten. Das, sagte Letica, sei die schöne Seite des Fußballs.

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