Regionalliga-Fußball:Ein Dorfverein will Herbstmeister werden

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Ex-Profis unter sich: Jim-Patrick Müller (Nummer 10) gratuliert hier seinem ehemaligen Hachinger Teamkollegen Paul Grauschopf nach einem Torerfolg. (Foto: Melanie Zink/Sportfoto Zink/Imago)

Die DJK Vilzing ist das Überraschungsteam der Saison. Am Samstag trifft sie auf den punktgleichen Tabellenführer Würzburger Kickers. An einen Aufstieg will im Verein aus dem Bayerischen Wald trotzdem niemand denken.

Von Christoph Leischwitz

Josef "Beppo" Eibl hat in den vergangenen Tagen einen Eindruck davon bekommen, was es bedeutet, sich Richtung Profifußball zu kicken. Der Trainer der DJK Vilzing absolviert gerade den A-Lizenz-Lehrgang in Bad Hennef, am Dienstag saß er sechs Stunden im Auto, um rechtzeitig zum Auswärtsspiel seines Teams bei Türkgücü München am Seitenrand zu stehen. "Ich war ziemlich fertig, aber im Spiel ist dann das Adrenalin gekommen", sagt der 37-Jährige, der schon als Spieler mit dem SV Schalding-Heining bis in die Regionalliga kam. In Hennef habe er bemerkt, dass "wir deutschlandweit im Fokus sind", er werde von Kollegen viel auf seine Mannschaft angesprochen. Zu dieser Euphoriewelle rund um den Verein, die einfach nicht brechen will, hatte auch das Tor des Monats in der ARD im Monat Juli beigetragen: Torwart Max Putz war mit einem Abschlag aus der Hand aus 90 Metern Entfernung gegen den 1. FC Nürnberg II erfolgreich gewesen.

Die Mannschaft aus Cham hat bereits sieben Siege geholt, das Spitzenspiel beim Dritten Türkgücü am Dienstag endete 1:1. Zum Abschluss der Regionalliga-Hinrunde erreicht die Mannschaft jetzt den Gipfel der Aufmerksamkeit: Das Überraschungsteam empfängt den punktgleichen, aber haushohen Favoriten, die Würzburger Kickers (Samstag, 14 Uhr). Es ist gerade mal drei Wochen her, da ging es Trainer Eibl vor allem um Punkte für den Ligaverbleib. Nun haben sie 40, und der Trainer sagt nach dem Remis in München: "Jetzt wollen wir auch Herbstmeister werden."

Die Ansprüche steigen, das gibt Eibl unumwunden zu. Aber vom Profibetrieb will man im Bayerischen Wald nichts wissen. "Wir sind ein Dorfverein", sagt er. Als die Mannschaft vergangenes Jahr aufstieg und erstmals gegen den FC Bayern II spielte, verwies die Bürgerinitiative "Lebenswerte Heimat Vilzing" danach auf die Waldbrandgefahr beim Einsatz von Pyrotechnik. Bei der DJK arbeiteten alle ehrenamtlich, erläutert Eibl. "Wir müssten alles umstellen und die Mannschaft komplett austauschen." Nun ja. Im Kader befinden sich mehrere Ex-Profis, die die dritte Liga schon stemmen könnten, wie Jim-Patrick Müller und Paul Grauschopf, die schon für die SpVgg Unterhaching spielten. Müller ist aber schon 34, für Grauschopf, 25, liegt der Fokus auf dem Studium in Regensburg.

Mit dem Schubkarren würde Coach Eibl seine Spieler hinfahren, wenn sie gute Angebote von Profiklubs bekämen

Bleibt die Frage, wie man die Spieler halten will, wenn der anhaltende Erfolg in der nächsten Transferperiode Begehrlichkeiten weckt. Antwort: gar nicht. "Einige spechten schon danach", räumt Eibl ein, und wenn dann vernünftige Angebote eingehen, dann würde Eibl sie "selber mit dem Schubkarren hinfahren", weil das eine riesige Auszeichnung für die eigene Arbeit wäre. Aber träumen ist weiter erlaubt, und zwar vom DFB-Pokal - der nationale Wettbewerb winkt dem Viertliga-Meister.

Die Frage, wer sich für den Aufstieg qualifiziert, könnte Vilzing aber nicht einmal mit einem Sieg mehr besonders spannend machen. Die Kickers sind nämlich den anderen aufstiegsfähigen Teams fast schon hoffnungslos enteilt. Zwar ist Türkgücü nur neun Punkte entfernt, und es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die Truderinger mit ihrem neuen kroatischen Investor Milan Rapaic mal wieder Richtung dritte Liga schielen. Am Dienstag erklärte Trainer Alper Kayabunar aber auf Nachfrage: "Davon weiß ich wirklich nichts. Mit der aktuellen Struktur, die wir haben, ist das gar nicht möglich." Auf SZ-Nachfrage bestätigt das Münchner Sportamt, dass auf absehbare Zeit keine infrastrukturellen Verbesserungen für Türkgücü möglich sind. Ein Nachwuchs-Leistungszentrum zum Beispiel wäre für die dritte Liga erforderlich. Übrigens ist auch das Insolvenzverfahren nach dem Ausstieg von Präsident und Mäzen Hasan Kivran noch nicht abgeschlossen.

Wie wichtig den Vilzingern das Spiel am Samstag ist, zeigte auch eine kuriose Begebenheit vom Dienstagabend. Jim-Patrick Müller sah in der 89. Minute nach einer Grätsche die rote Karte. Danach lief der Ex-Profi aufgeregt übers Feld und rief immer wieder: "Ich war's nicht!" Die Vilzinger Sichtweise: Müller hatte den Gefoulten kaum berührt, der war wegen eines anderen Zweikampfs zu Fall gekommen. Das Sportgericht sprach am Freitag ein Spiel Sperre aus - Müller fehlt also ausgerechnet gegen die Kickers. Nicht nur deshalb findet Eibl: "Wir sind krasser Außenseiter." Aber einer mit krassem Lauf.

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