Fußball-Regionalliga:Auf Wiedersehen

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"Coole Momente" und ein uncooles Ende: Schweinfurts Lamar Yarbrough ist bedient, während der Bayern-Nachwuchs jubelt. (Foto: Frank Scheuring/foto2press)

Trotz eines guten Vortrags verliert der FC Schweinfurt 05 das Regionalliga-Spitzenspiel gegen den FC Bayern München II 3:6. Das Resultat ist nicht nur in der Tabelle wegweisend - es lässt auch sehr tief blicken.

Von Sebastian Leisgang

Robert Hettich arbeitet erst seit Anfang des Jahres als Sportlicher Leiter für den FC Schweinfurt 05, doch zu seinen besonders wertvollen Qualifikationen zählt es, dass er mal beim TSV 1860 München gearbeitet hat. Aus dieser Zeit weiß Hettich noch, wie es ist, wenn die Mannschaft den gegnerischen Fans mal wieder einen Grund gibt, "Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen" zu skandieren. Meistens hat es dann nicht mehr lange gedauert, bis das Namensschild an der Tür des Trainerbüros ausgetauscht wurde, weil auch die Verantwortlichen nicht mehr anders konnten, als zum Trainer "Auf Wiedersehen" zu sagen.

Am Dienstagabend dauerte es bis zu den letzten 60 Sekunden der regulären Spielzeit, bis die Fans des Tabellenführers FC Bayern München II die Botschaft der 90 Minuten auf den Punkt brachten. Es war ein Moment, in dem sich all das verdichtete, was sich in den vorangegangenen 89 Minuten im Schweinfurter Stadion zugetragen hatte. Es waren hämische Rufe, gemünzt auf den Spielstand und die Kräfteverhältnisse, sie ließen sich aber, und das war das Entscheidende, in einen Kontext setzen, der über dieses Regionalligaspiel hinausreichte.

Nach diesem 3:6, das war die Nachricht des Spiels, müssen die Schweinfurter wohl deutlich früher von ihren Aufstiegsambitionen Abstand nehmen, als ihnen lieb ist. Oder etwa doch nicht?

"Ich erachte es immer noch für wichtig und richtig, dass wir das Saisonziel Meisterschaft ausgegeben haben", sagt Sportleiter Hettich

Ein Anruf am Tag danach bei Hettich. Er meint: "Nach einem Drittel der Saison liegt die Favoritenrolle bei Bayreuth und Bayern." Kurze Kunstpause, um den Satz wirken zu lassen, dann sagt Schweinfurts Sportlicher Leiter nochmal: "Nach einem Drittel der Saison."

Obwohl es seit Dienstagabend acht Punkte sind, die Schweinfurt von Bayreuth und den Bayern trennen, sagt Hettich auch: "Ich erachte es immer noch für wichtig und richtig, dass wir das Saisonziel Meisterschaft ausgegeben haben. Alles andere wäre albern gewesen." Die Schweinfurter haben ja schon in den vergangenen Jahren um den Titel mitgespielt und waren in der Corona-Saison 2019/21 Meister. Alleine deshalb hätte es ihnen niemand abgenommen, wenn sie im Sommer rumgedruckst und bloß ein paar Sätze gesagt hätten, in denen Wortpaare wie "starke Konkurrenz" und "erstes Tabellendrittel" vorgekommen wären.

Weil all die Anläufe in den vergangenen Jahren aber vergeblich waren, erschien das Spiel am Dienstagabend in einem Licht, das ziemlich tief blicken ließ. Weil Schweinfurt in den vergangenen Jahren immer wieder am Drittliga-Aufstieg gescheitert ist, war es nur die eine Lesart, dass seine Mannschaft, wie Trainer Tobias Strobl sagte, zwar "coole Momente" hatte, allerdings "in der individuellen Qualität nicht auf Augenhöhe" war. Die andere Lesart war: Diesem 3:6 liegt etwas Fundamentaleres zugrunde als bloß die Erkenntnis, dass die Bayern in diesem einen Spiel halt besser waren.

Vor gut drei Jahren sind die Schweinfurter unter Gerd Klaus nur als Dritter ins Ziel gekommen, vor etwas mehr als zwei Jahren wurden sie unter Timo Wenzel nur Vierter, und im vergangenen Juni mussten sie unter Strobl in den Aufstiegsspielen einem Verein namens TSV Havelse den Vortritt lassen. Wer all das im Hinterkopf hat, der kann nach diesem Spiel gegen die Bayern auch zu diesem Schluss kommen: Schweinfurt hat sich zu einem Milieu entwickelt, dem mittlerweile der Misserfolg anhaftet.

Hettichs Vertrauen in die Arbeit von Trainer Strobl ist ebenso ungebrochen wie sein Vertrauen in die Spieler

Wer Hettich mit dieser These konfrontiert, der erhält zum einen einen Hinweis, dass er, Hettich, erst seit neun Monaten im Amt ist - und zum anderen die Anmerkung, dass es gegen Havelse ziemlich knapp gewesen sei. Im Laufe des Gesprächs sagt Hettich auch: "Bei Sechzig ging es nach zwei Siegen um die Meisterschaft, bei zwei Niederlagen stand der Verein kurz vor der Auflösung." Was Schweinfurts Sportlicher Leiter damit zum Ausdruck bringen will: Er hat schon eine ganze Menge erlebt im Fußball, und deshalb weiß er nur zu gut, was zu halten ist von all den Aufgeregtheiten im Umfeld eines Vereins.

Hettich ist weit davon entfernt, zu irgendwem "Auf Wiedersehen" zu sagen, sein Vertrauen in Strobls Arbeit ist ebenso ungebrochen wie sein Vertrauen in die Spieler. "Ich bin mit dem Kader total zufrieden, wir haben genug Qualität", findet Hettich, "und auch das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft ist vollkommen intakt."

Nach dem Spiel gegen die Bayern hat Hettich ein paar Worte an die Spieler gerichtet. Auch ihnen hat er gesagt, dass es erst ein Drittel der Saison ist, das bislang hinter ihnen liegt. Kein Grund also, die Meisterschaft abzuschreiben - und ebenso wenig Grund, die Auflösung des Vereins in Erwägung zu ziehen.

Ob die These eines Milieus des Misserfolgs haltbar oder doch zu steil ist, das könnte sich schon in gut einer Woche zeigen. Dann sind die Schweinfurter bei der SpVgg Bayreuth zu Gast. Sollten sie auch dort verlieren, kämen sie nicht mehr umhin, ein neues Saisonziel zu definieren. Auch wenn Hettich dazu nur sagt: "Es ist noch nicht mal der erste Schnee da."

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