Fußball:Protagonisten der WM-Affäre: Beckenbauer bis Louis-Dreyfus

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Frankfurt/Main (dpa) - Die Wirtschaftskanzlei Freshfields soll am Freitag Licht in den Affäre um die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 bringen. Die Deutsche Presse-Agentur beschreibt die Protagonisten eines Skandals, der seit mehr als vier Monaten schwelt.

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Frankfurt/Main (dpa) - Die Wirtschaftskanzlei Freshfields soll am Freitag Licht in den Affäre um die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 bringen. Die Deutsche Presse-Agentur beschreibt die Protagonisten eines Skandals, der seit mehr als vier Monaten schwelt.

FRANZ BECKENBAUER: Als Präsident des WM-Organisationskomitees steht er in der Verantwortung. Der „Kaiser“ wies den Vorwurf des Stimmenkaufs bei der WM-Vergabe zurück und sagte zu seinem damaligen Geschäftsgebaren: „Ich habe immer alles einfach unterschrieben, ich habe sogar blanko unterschrieben.“ Das soll auch für den dubiosen Vertragsentwurf mit dem einstigen FIFA-Spitzenfunktionär Jack Warner gegolten haben. Wohin die 10 Millionen Schweizer Franken (6,7 Millionen Euro) gingen, die das WM-OK Anfang 2002 über den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus heimlich an die FIFA zahlte? Nach Beckenbauers Ansicht an die Finanzkommission des Weltverbandes.

WOLFGANG NIERSBACH: Als DFB-Präsident ist der frühere Beckenbauer-Freund längst zurückgetreten. Jetzt muss er um seine letzten Ämter in der UEFA- und FIFA-Exekutive bangen. Bei Niersbach ist vor allem undurchsichtig: Wann wusste er von was? Von den ominösen 6,7 Millionen wollte er lange Zeit ebenso wenig erfahren haben wie von dem Jack-Warner-Vertrag. Die Aussagen enger Mitstreiter lassen aber jedes Mal auf etwas Anderes schließen. Sein miserables Krisenmanagement wurde dem 65-Jährigen zum Verhängnis.

THEO ZWANZIGER: Vorgänger Niersbachs als DFB-Boss und Vizepräsident im WM-Organisationskomitee. Der 70-Jährige betonte, er habe Niersbach und Co. auf die Brisanz der Zahlung an die FIFA hingewiesen. Nach seiner Meinung habe es „eindeutig eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung“ gegeben. Empfänger der 6,7 Millionen sei der katarische Ex-FIFA-Funktionär Mohamed Bin Hammam gewesen, inzwischen lebenslang gesperrt. Zahlreiche Kritiker werten Zwanzigers Verhalten in der Affäre als Rachefeldzug gegen seinen Intimfeind Niersbach.

JOSEPH BLATTER: Der für sechs Jahre gesperrte Ex-FIFA-Präsident steckt schon tief im Korruptionssumpf des Weltverbandes. Der 79-jährige Schweizer bestreitet die DFB-Version, wonach die 6,7 Millionen Euro damals an seine Organisation bezahlt wurden, um den WM-Zuschuss in Höhe von 170 Millionen zu bekommen: „Geld zu bezahlen, um Geld zu bekommen? Nein. So was gibt es bei der FIFA nicht.“

ROBERT LOUIS-DREYFUS: Der frühere Adidas-Boss, gestorben am 4. Juli 2009, stand am Anfang der undurchsichtigen Affäre. Der Franzose hatte dem WM-OK nach bisherigen Erkenntnissen die 6,7 Millionen Euro für die FIFA vorgestreckt, wollte das Geld aber zurückhaben. Den Schuldschein unterschrieb Franz Beckenbauer. Der DFB soll die Summe dann 2005 getarnt als Beitrag zu einem Kulturprogramm dem Weltverband überwiesen haben, damit es an Dreyfus weitergeleitet wird. Unklar ist, wo die Millionen wirklich geblieben sind.

JACK WARNER: Der inzwischen lebenslang gesperrte frühere FIFA-Vize war ein wichtiger Wahlmann vor der WM-Vergabe, bei der sich Deutschland am Ende knapp gegen Südafrika durchsetzte. Vier Tage vorher - am 2. Juli 2000 - wurde von Beckenbauer ein Vertragsentwurf mit dem Funktionär aus Trinidad und Tobago abgeschlossen. Demnach hätte Warner 1000 WM-Eintrittskarten der teuersten Kategorie erhalten. Der Kontrakt wurde aber nach bisherigen Kenntnissen nie in Kraft gesetzt. Trotzdem werteten ihn die DFB-Interimspräsidenten Reinhard Rauball und Rainer Koch sofort als Bestechungsversuch.

FEDOR RADMANN: Ex-Vize-Präsident des WM-Ok, seit vielen Jahren Beckenbauer-Intimus und einer der größten Strippenzieher im Weltsport. Der DFB wahrte ihm gegenüber ebenso wie Beckenbauer, Zwanziger, Niersbach und Horst R. Schmidt seinen Anspruch auf Schadensersatz in Millionenhöhe. Radmann (71) schwor „beim Leben meiner sechs Kinder, dass ich felsenfest davon überzeugt bin, dass nicht ein Mensch von uns bestochen wurde“.

HORST R. SCHMIDT: Der 74-Jährige war Niersbachs Vorgänger als DFB-Generalsekretär und auch Mitglied im WM-OK. Galt immer als graue Eminenz, die im Hintergrund die Fäden zog. Von ihm erhoffen sich die Freshfields-Anwälte einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung. Nach seinen Angaben leiteten Beckenbauer und dessen damaliger Manager Robert Schwan den Deal mit Louis-Dreyfus ein.

HELMUT SANDROCK: Der erkrankte DFB-Generalsekretär ist vergangene Woche zurückgetreten, laut Verband „auf eigenen Wunsch“. Er steht ebenso wie Niersbach unter Verdacht, schon länger als von den beiden bisher angegeben von den Geld-Transfers zur FIFA und vom Jack-Warner-Vertragsentwurf gewusst zu haben.

STEFAN HANS: Wurde vom DFB als stellvertretender Generalsekretär gekündigt, weil er in der WM-Affäre seiner Informationspflicht nicht nachgekommen sei. Streitet deshalb vor dem Arbeitsgericht Frankfurt mit dem Verband. Der frühere Direktor für Finanzen gilt als einer der zentralen Zeugen, weil er Niersbach und Sandrock unterstellt war.

RAINER KOCH UND REINHARD RAUBALL: Der bisherige DFB-Vize und der Ligapräsident Reinhard Rauball haben Niersbachs Amt interimsmäßig übernommen. Beim außerordentlichen Bundestag am 15. April soll der CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel zum neuen Verbandschef gewählt werden. „Es war immer unsere Grundauffassung, zu sagen: Wir wollen das aufklären“, sagte Rauball, der längst auf Distanz zu Niersbach gegangen ist. Der bayrischer Richter Koch, bisher eher im Hintergrund, wurde durch die Affäre öffentlich bekannter.

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