Fußball-Nationalmannschaft:Die Sphinx spielt auf Zeit

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Das Ballack-Comeback ist verschoben, die Kapitäns-Frage unbeantwortet. Doch Bundestrainer Joachim Löw geht den richtigen Weg. Der Trainer muss mächtiger sein als jeder seiner Spieler.

Klaus Hoeltzenbein

Früher, zu Zeiten von Ernst Happel, hat ein Trainer die Kreide genommen, elf Namen auf eine Tafel geschrieben, dann ist er gegangen. Kommentarlos. Diese elf durften spielen, die Übrigen nicht. Damals waren Trainer noch mächtiger als die Spieler. Einer wie Happel wäre nie auf die Idee gekommen, mehr als zwei Worte seines Wiener Schmähs darauf zu verschwenden, einem Spieler zu verraten, warum sein Name nicht auf der Tafel steht.

Michael Ballack ist angeschlagen. Bundestrainer Joachim Löw will sich nicht festlegen, ob Ballack wieder DFB-Kapitän wird oder nicht. (Foto: AFP)

So gesehen hat sich Joachim Löw seit der WM dem Happelschen Beispiel genähert. Er hat nicht viel gesprochen, weder zum Fanvolk noch zu Michael Ballack, der erst in dieser Woche vom Bundestrainer persönlich erfuhr, dass er nicht dabei sein darf in den ersten Spielen der EM-Qualifikation. Es scheint, als kultiviere auch Löw die Minimal- Kommunikation als strategisches Mittel. Schon im Frühsommer hat er zwei Personalien (Torsten Frings, Kevin Kuranyi) so lange im Stile einer Sphinx aus dem Schwarzwald beschwiegen, bis sie sich irgendwie von selbst erledigt hatten. Dass jemand nicht mit einem spricht, hat ja sehr viel zu sagen: Du bist auch nicht wichtiger als andere. Auch du sollst wieder ein Irdischer, also auswechselbar werden, ohne dass der große Theaterdonner ausbricht.

Kein Austragsstüberl

Falls Löw also Ballack bis zur EM2012 noch einmal beruft, was nicht ausgeschlossen, aber unsicher ist, soll dieser nicht auf einen Sonderstatus pochen können. Abgesehen davon, dass die Kapitänsrolle deutschlandweit in ihrer Bedeutung ohnehin viel zu staatstragend diskutiert wird, sollte eines klar sein: Der Trainer will und muss, im Stile Happels, mächtiger sein als der stärkste, der prominenteste seiner Spieler.

Das ist eine verständliche Reaktion auf die WM, bei der sich Löws Mannschaft von ihrem Kapitän emanzipiert hat. Bei der sich dort, wo Ballack, 33, sein Revier besaß, Schweinsteiger, 26, und Khedira, 23, entfaltet haben. Seine Rückkehr wäre jetzt nicht nur eine simple Personalie, seine Rückkehr ist zur Systemfrage geworden. Denn mit Ballack muss ein anderer, ein langsamerer, im besten Falle clever-kalkulierter Fußball gespielt werden. Richtig ist es deshalb, erst einmal auf Zeit zu spielen und die Welle der WM zu reiten. Und dann liegt es an Ballack selbst, in Leverkusen die sportlichen Fakten dafür zu schaffen, dass eine Nominierung unumgänglich wird. Einiges deutet darauf hin, dass ihm das gelingen kann; für diesen Fall, sagt Löw, halte er die Tür offen.

Im Moment aber ist Ballack nach langer Verletzung noch nicht fit, und die Nationalelf darf kein Therapiezentrum sein. Sie ist dem Leistungsprinzip unterworfen und deshalb, bei allen Verdiensten, auch kein Austragsstüberl. Sonst würde Uns Uwe doch heute noch spielen.

© SZ vom 28.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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