Fußball:Löw mit Geheimnissen nach Lille - Kein Urlaub für Boateng

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Der Einsatz von Abwehrchef Jérôme Boateng (r) gegen die Slowakei ist unsicher. (Foto: Arne Dedert)

Évian-les-Bains (dpa) - Joachim Löw arbeitete mit seinem Stab ohne Pause weiter - und auch Jérôme Boateng konnte nicht nur ausspannen.

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Évian-les-Bains (dpa) - Joachim Löw arbeitete mit seinem Stab ohne Pause weiter - und auch Jérôme Boateng konnte nicht nur ausspannen.

Während Mario Götze und Bastian Schweinsteiger mit weiteren Mitspielern auf einem Beachvolleyballplatz und beim Bummeln den Sonnenschein am Genfer See genießen durfte, hatten sich der Bundestrainer und der angeschlagene Abwehrchef einen harten Tag verordnet. „Die Spannung ist da“, sagte Löw, für den der immer weiter steigende EM-Druck jedoch mehr Lust als Last bedeutet.

Löw bastelte mit seinem Trainerstab im Teamhotel bereits mit Genuss am Matchplan der deutschen Fußball-Nationalmannschaft für das EM-Achtelfinale gegen Außenseiter Slowakei. Der 27 Jahre alte Boateng und die medizinische Abteilung arbeiteten unweit der Konferenzräume „mit Hochdruck“, um den wichtigen Bayern-Profi für das Spiel am Sonntag (18.00 Uhr) in Lille fit zu bekommen, berichtete Löws Assistent Thomas Schneider in Évian.

Boatengs Einsatz ist wegen einer Wadenblessur gefährdet, auch wenn die Sportliche Leitung Optimismus verbreitete. „Wir sind positiv gestimmt und hoffen, dass es reicht“, sagte Co-Trainer Marcus Sorg: „Aber Prophet bin ich auch nicht.“ Löw muss das Risiko abwägen. Auf dem nun vorgezeichneten schweren Turnierweg zum angestrebten vierten europäischen Titel warten die Mitfavoriten wie Italien, Spanien, Frankreich oder England in den folgenden K.o.-Runden. Da könnte Abwehrboss Boateng noch mehr gebraucht werden als im Achtelfinale.

Natürlich sollen die Slowaken, gegen die der Weltmeister in der EM-Vorbereitung im Augsburger Starkregen mit 1:3 ausrutschte, nur der Aufgalopp der K.o.-Phase sein. Seit Löw für den DFB arbeitet, hat das Nationalteam bei Turnieren immer mindestens das Halbfinale erreicht. Mit entsprechendem Selbstbewusstsein gehen Verantwortliche und Spieler in Frankreich nach dem Gruppensieg die neue Aufgabe an.

„Ich glaube nicht, dass man das Testspiel als Maßstab heranziehen kann. Damals war es Vorbereitung, jetzt ist es K.o.-Modus“, betonte Schneider. Ende Mai beim Unwetterspiel hatten viele Leistungsträger wie Manuel Neuer, Mats Hummels, Toni Kroos, Thomas Müller oder Mesut Özil gefehlt. „Wir wissen schon, was auf uns zukommt“, sagte Löw.

Bevor die Spannung Richtung Achtelfinale mit dem Mannschaftstraining in Évian wieder nach oben gefahren wird, durften die Spieler an einem Urlaubstag regenerieren. Im örtlichen Freibad war extra ein Beachvolleyball-Court abgesperrt und mit Planen vor unliebsamen Beobachtern geschützt worden. Auch Kapitän Schweinsteiger mischte am Volleyball-Tag im Sand mit.

Andere Stars wie Hummels, Thomas Müller und Lukas Podolski spielten Street-Basketball. Dass sie dies auf einem Betonplatz taten, mochten die Trainer nicht rügen. „Sie stehen und werfen“, bemerkte Assistent Sorg mit Augenzwinkern: „Die Spieler sind so erfahren, das sie wissen, was gut für sie ist und was nicht.“

Auf den Erfahrungsschatz der langjährigen Nationalspieler setzt Löw auch gegen den nächsten EM-Gegner. Zudem will der Bundestrainer mit intensiver Analyse die letzten Details der Slowaken herausfinden. „Die Scouts arbeiten auf Hochtouren“, berichtete Schneider. Das Profil ihrer Gegenspieler bekommen die Spieler einzeln präsentiert.

Die erste Beurteilung von Assistenzcoach Schneider lautet: „Die Slowakei spielt einen technisch sehr ansehnlichen Fußball aus einer kompakten Defensive. Für uns ist es eine schwere Aufgabe, die wir lösen können und werden.“ Mit welchem Personal, wird auch in den Tagen bis zur Abfahrt in den Spielort am Samstag diskutiert.

Obwohl die Slowakei mit einer ähnlich defensiven Ausrichtung erwartet wird, wie sie die Vorrundengegner gezeigt hatten, könnte Löw seine Startelf punktuell verändern. „Es gibt viele Optionen, auch Basti ist gut in Schuss“, sagte Co-Trainer Schneider und brachte so plötzlich Schweinsteiger als Startelf-Möglichkeit ins Gespräch. „Jogi wird nochmal mit den Spielern sprechen, um eine optimal Lösung zu finden.“

Auch Schneiders Kollege Marcus Sorg sprach davon, dass der 117-malige Nationalspieler Schweinsteiger nach zwei Knieverletzungen und langer Rehabilitation „langsam auf das Niveau kommt, dass er uns von Anfang an helfen kann“. Ob der Kapitän tatsächlich auf dem frisch verlegten neuen Rasen im EM-Stadion von Lille wieder von Beginn an eingreift und den bisher mit einer enormen Laufleistung beanspruchten Sami Khedira entlasten kann, bleibt bis zum Anpfiff Löws Geheimnis.

Beim auf den eigenen Trainingsplatz in Évian verlegten Abschlusstraining am Samstag kann Löw weiter nach den optimalen Lösungen suchen. Da die Europäische Fußball-Union wegen des Rasenaustausches die deutsche Übungseinheit im Stade Pierre Mauroy gestrichen hatte, wird der DFB-Tross nun später als geplant in den Norden Frankreichs aufbrechen.

„Ich denke, die Aufstellung hängt generell von der Ausrichtung und dem Gegner ab“, bemerkte der Schalker Benedikt Höwedes, der als Rechtsverteidiger gegen Nordirland dem offensiveren Joshua Kimmich weichen musste. Den Automatismus, dass der Münchner Turnierneuling oder auch Torschütze Mario Gomez gegen die Slowakei wieder beginnen dürfen, gibt es nicht. „Wir sind keine Mannschaft, die von einem Spieler lebt, der brillante Momente hat“, sagte Offensivmann Müller.

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