London (dpa) - Der FC Liverpool greift nach dem ersten Meistertitel seit 1990. Nach dem 3:2-Erfolg bei Norwich City stehen die Reds drei Spieltage vor dem Ende der Saison mit fünf Punkten Vorsprung vor dem FC Chelsea an der Spitze der Premier League.
Der als Außenseiter gestartete Club darf ausgerechnet in dem Jahr von der Meisterschaft träumen, in dem sich die Tragödie von Hillsborough zum 25. Mal jährt. 1989 waren 96 Liverpool-Anhänger im Stadion von Sheffield ums Leben gekommen.
Die Erinnerung an die Katastrophe setzt nicht nur bei Kapitän Steven Gerrard Kräfte frei, der 666 Spiele für Liverpool bestritt, aber noch nie Meister wurde. Reds-Coach Brendan Rodgers hatte vor dem Duell in Norwich eine Passage aus der Gedenkfeier aufgegriffen und sie seinen Spielern mit auf den Weg gegeben. Eine Hinterbliebene hatte am Jahrestag darüber gesprochen, wie aus einer solchen Tragödie auch eine Entschlossenheit zum Kämpfen entstehen kann. Rodgers hatte das Zitat in der Kabine an die Wand gehängt.
Der folgende Auswärtssieg beim Abstiegskandidaten war Liverpools elfter Erfolg in Serie und stellte die Teilnahme an der Champions League schon sicher. Zum ersten Mal seit der Saison 2009/10 ist der achtmalige Europapokalsieger in der neuen Runde wieder in der Königsklasse vertreten. „Das war unser Ziel. Dass wir das erreicht haben, ist fantastisch“, meinte Rodgers. „Jetzt kämpfen wir alle gemeinsam, für das ultimative Ziel“. Gemeint ist die Meisterschaft.
Vor den letzten drei Saisonspielen gegen Chelsea, Crystal Palace und Newcastle fehlt nicht mehr viel. Liverpool hat nach 35 Partien 80 Punkte, Chelsea weist 75 auf. Und Manchester City lauert mit 71 Punkten nach 33 Spielen auf Rang drei.
Ein Grund für den Höhenflug Liverpools ist die unglaubliche Treffsicherheit der Mannschaft. Mit 96 Toren jagen Luis Suarez, Daniel Sturridge und Co. den Rekord von Chelsea, das in der Saison 2009/10 103 Treffer verbuchte. Suarez markierte gegen Norwich bereits sein 30. Saisontor. Er führt die Torschützenliste der Liga an. Zweiter ist Sturridge (20). Auch Suarez wird wohl einen Rekord brechen: Zuletzt hatte Ian Rush 1986/87 in einer Saison 30 Treffer für die Reds erzielt.
Sollte Liverpool tatsächlich den Titel gewinnen, sei das ein Triumph von Rodgers' Methoden, meinte der „Independent“. „Er hat seine Spieler besser gemacht und ihnen beigebracht in verschiedenen Systemen zu spielen“, lobte die Zeitung. Das beste Beispiel ist Raheem Sterling. Der 19 Jahre alte Offensivspieler begann die Saison als Ersatzmann, mittlerweile dürfte der englische Nationaltrainer Roy Hodgson nicht mehr an einer WM-Nominierung vorbeikommen. Sterling traf am Sonntag zweimal. Rodgers bezeichnete ihn danach als besten jungen Spieler in Europa.
Der Coach freute sich auch über den Auftritt der gesamten Mannschaft, der ein Spiegelbild der Saison war. Einmal mehr kreativ und selbstbewusst. „Die jungen und die älteren Spieler spielen gemeinsam in einer Struktur, die es ihnen erlaubt, sich zu zeigen“, sagte Rodgers. Reds-Legende John Barnes ist überzeugt: „Wenn sie den Titel gewinnen, ist es der unglaublichste Triumph in der Geschichte der Liga.“