Fußball in Europa:Krakauer Würste für die Steirer Buam

Werden deutsche Trainer Meister in Österreich und der Schweiz? Warum holt in Dänemark ein Team mit 26 Punkten Vorsprung den Titel? Und wer droht dem FC Bayern in der Qualifikationsrunde zur Champions League? Ein Streifzug durch Europas Ligen.

Christof Kneer und Moritz Kielbassa

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Werden deutsche Trainer Meister in Österreich und der Schweiz? Warum holt in Dänemark ein Team mit 26 Punkten Vorsprung den Titel? Und wer droht dem FC Bayern in der Qualifikatrionsrunde zur Champions League? Ein Überblick über die europäischen Ligen. von Christof Kneer und Moritz Kielbassa Dass der FC Barcelona spanischer Meister geworden ist? Weiß jeder. Dass Real Madrid nicht Meister geworden ist, obwohl es von José Mourinho trainiert wird, dem nach Meinung von Mourinho weltbesten Trainer? Weiß auch jeder. Dass Manchester United mal wieder die englische Premier League dominiert hat? Dass die ganz gut sind, das wissen sogar die Spieler von Schalke. Und in Italien? Auch da ist allgemein bekannt, dass der AC Mailand Meister wurde, nicht zuletzt dank seines sympathischen Mittelfelds Gattuso/Seedorf/van Bommel/Boateng. Die überraschendsten Geschichten sind aber die, die nicht dauernd erzählt werden - es sind die kleinen Geschichten aus den großen Ligen und die großen Geschichten aus den kleinen Ligen Europas, in denen zurzeit große und kleine Entscheidungen fallen oder unmittelbar bevorstehen. Logisch ist, dass sich fast alle Geschichten um Figuren aus der deutschen Bundesliga drehen - der, wie sogar Mourinho weiß, tollsten Liga der Welt.  

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Österreich Vom Wiener Kabarettisten Helmut Qualtinger stammt die unverwüstliche Metapher: "Simmering gegen Kapfenberg, das nenn' ich Brutalität." Das war eine charmante Umschreibung von harter Spielweise. Vorigen Sonntag aber verging sogar den Beobachtern des österreichischen Fußballs die Lust am Schmäh. Beim 297. Wiener Derby zwischen Rapid und Austria rannten wilde Rapid-Hooligans nach 26 Minuten auf den Rasen - ein "Platzsturm", wie der Österreicher sagt. Austria führte 2:0, die Partie wurde abgebrochen. "Ich schäme mich! Rapid ist immer emotional, aber Emotionalität und Brutalität sind zwei verschiedene Dinge", verurteilte Rudolf Edlinger, Rapid-Präsident und früherer Finanzminister der Republik, die Randale. Das Wiener 26-Minuten-Derby wurde mit 3:0 für die Austria strafverifiziert, wie der Österreicher sagt. Politiker und Funktionäre fordern weitere harte Konsequenzen. Mit den gerichtlich zuerkannten Punkten hat die Austria (61 Punkte) aus dem Wiener Stadtteil Favoriten noch Außenseiter-Chancen auf die Meisterschaft. Topfavorit RB Salzburg ist als Titelverteidiger schmählich entthront, vorne liegt vor dem letzten Spieltag Sturm Graz (63 Punkte). Diese Steirer Buam spielen in einem Stadion, das einst nach Arnold Schwarzenegger benannt war (Namens-Änderung 2005 wegen politischer Kontroversen, nicht wegen Ehebruchs/Anm.d.Red.). Sturm stellte nach goldenen Jahren nebst Misswirtschaft im Jahr 2006 einen Konkursantrag. Mit weniger Geld und - Achtung! - deutschem Know-How schaffte der Klub seither den Turnaround, wie Arnold Schwarzenegger sagen würde. Trainer Franco Foda (im Bild), ehemals Kaiserslautern, und Sportdirektor Oliver Kreuzer, ehemals Karlsruhe, können mit einem Sieg am Mittwochabend gegen Wacker Innsbruck den Titel wieder nach Graz holen - und sich selbst für höhere Aufgaben empfehlen. Zum Beispiel in der tollsten Liga der Welt.

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Schweiz Der Schweizer Foda heißt Thorsten Fink, als Spieler ehemals München, vormals Wattenscheid 09. Groß geworden beim größten FCB von Bayern und der Welt, könnte Fink jetzt mit dem kleinen FCB ("B" wie Basel) in seinem zweiten Jahr zum zweiten Mal Meister werden. In der Schweiz ist dieser FCB der reichste Klub des Landes, dessen Festgeldkonto aus der Präsidentin, Milliardärsgattin und Pharmakonzerns-Miterbin Gisela "Gigi" Oeri besteht. Trotzdem machen es Finks und Oeris Mannen - wie im Vorjahr - bis zum letzten Spieltag spannend: Basel muss am Mittwoch gegen Luzern gewinnen, sonst könnte der FC Zürich noch vorbeiziehen. Auch Fink ist längst ein Thema in der tollsten Liga der Welt, aber noch nicht beim allergrößten FCB. Denn: "Ein Schweizer Meistertitel zählt als Empfehlung nicht so viel wie ein deutscher", weiß Ottmar Hitzfeld, derzeit Trainer der Schweizer Nati und früher Finks Trainer beim großen FCB.

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Rumänien "Deutschland wäre mein Traum", sagt auch Dorinel Munteanu, 42, obwohl er weiß, dass ein rumänischer Meistertitel bestimmt noch weniger zählt als einer in der Schweiz. Munteanu, der viele Jahre beim größten FC der Welt spielte (1. FC Köln/Anm.d.Red), coachte soeben Otelul Galati, einen Provinzverein aus dem Dreiländereck mit Moldawien und der Ukraine, völlig überraschend zum Titel. "Wir sind das Mainz 05 Rumäniens", sagt der Trainer über seine namenlosen Überflieger, die das Bukarester Establishment (Steaua, Dinamo) und alle von schrägen Mäzenen finanzierten Konkurrenten abhängten. Munteanu wäre gut vorbereitet für einen Job in der tollsten Liga der Welt: Er hat sein Haus in Köln vorsichtshalber nie verkauft.  

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Dänemark Stale Solbakken besitzt kein Haus in Köln, dort aber ab sofort den Trainerposten beim größten FC der Welt. Mit dem größten FC von Dänemark, dem FC Kopenhagen, stand er in dieser Saison schon als Meister fest, als in weiten Teilen Europas noch Schnee lag. Inzwischen hat Kopenhagen - Achtung! - mehr Vorsprung auf den Tabellenzweiten Odense (+26 Punkte) als der Zweite auf den Letzten Esbjerg (+23). Damit ist Kopenhagen 2011 der souveränste Meister Europas - und Solbakken, der kahle Charakterkopf, geht nun zur Weiterbildung nach Köln: zum Afrika-, Georgien-, Japan- und Breisgau-erfahrenen Sportchef Volker Finke. Experten sagen: Ein Jahr mit Finke auszuhalten, zählt mindestens so viel wie ein Meistertitel in Dänemark.

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Tschechien Erstmals Meister in der tschechischen Gambrinus-Liga, benannt nach einer Brauerei, wurden die Fußballer aus der Bierstadt Pilsen. Basiswissen für Kenner des europäischen Fußballs: Dieser Klub wurde 1911 als SK Viktoria Plzen gegründet, 1949 in Sokol Škoda Plzen umbenannt, 1952 dann in Sokol ZVIL Plzen, 1953 in DSO Spartak LZ Plzen, 1962 in TJ Spartak LZ Plzen, 1965 in TJ Škoda Plzen, 1981 in TJ Škoda Plzen fotbal und 1992 in FC Viktoria Plzen. Gefeiert wurde die Meisterschaft nach SZ-Informationen mit Pils.  

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Türkei Vor einem Jahr verlor Fenerbahce, gelegen am Dreiländereck mit Galatasaray und Besiktas, am letzten Spieltag unter dramatischen Umständen den Titel an den Außenseiter Bursa. In diesem Jahr rettete Fener, wie der Istanbuler sagt, die Ehre der Großstadt am Bosporus - nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Trabzonspor. Beide erreichten 82 Punkte, doch der maßgebliche direkte Vergleich ließ diesmal Fenerbahce feiern. Trainer Aykut Kocaman schaffte damit, was Vorgänger Christoph Daum im Sommer 2010 verwehrt blieb - und er war damit auch erfolgreicher als seine prominenten Kollegen Bernd Schuster (Rücktritt bei Besiktas, das nur Fünfter wurde), Frank Rijkaard und Gheorghe Hagi (beide entlassen bei Galatasaray, das blamabler Achter wurde). In der tollsten Liga der Welt haben solche Trainer keine Chance.

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Polen Im EM-Land 2012, in dem leider oft mindestens so hässlich randaliert wird wie in Wien, geschah auch Erfreuliches. Wisla Krakau wurde Meister in der Liga mit dem wunderschönen Titel Ekstraklasa. Noch wunderschöner ist nur der Refrain der Vereinshymne: "Zwyciezy orzel bialy, zwyciezy polski ród Zwyciezy nasza Wisla, bo to Krakowski klub." Gefeiert wurde nach SZ-Informationen mit Krakauer Würsten.  

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Benelux Der glasklare Trend 2011 in den Benelux-Staaten war, dass große Traditionsklubs Meister wurden (Niederlande/ Ajax Amsterdam), es sei denn, ein kleiner Klub wurde Erster (Belgien/KRC Genk). In Luxemburg siegte trendgemäß der kleine Großklub F91 Düdelingen.  

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Russland Aktuelle Fußnote aus Moskau: Der Zweitligist Alania Wladikawkas hat am Wochenende das russische Pokalfinale gegen ZSKA Moskau verloren, damit aber trotzdem die Europa League erreicht. Auf dem Weg ins Finale schoss Wladikawkas - Achtung, kein Witz! - exakt null Tore (dreimal Elfmeterschießen nach 0:0, ein Gegner kurzfristig bankrott). Glück für den Reisemuffel Jupp Heynckes: Dem FC Bayern bleibt die fidele Dienstreise nach Nordossetien erspart.

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Italien und Co. Im Atlas markieren darf sich Heynckes hingegen Udine im schönen Friaul. Udinese Calcio erreichte als Vierter der Serie A die Playoffs zur Champions League - der größte Erfolg der Norditaliener seit der Verpflichtung eines Stürmers namens Oliver Bierhoff (1995). Schlechtes Omen für Udine: Der Vorjahresvierte Sampdoria Genua, ehemaliger Klub eines Stürmers namens Jürgen Klinsmann und 2010 im Champions-League-Playoff nur knapp an Werder Bremen gescheitert, ist soeben abgestiegen. Noch schlimmer: Rekordmeister Juventus Turin hat die Saison als Siebter beendet und darf im nächsten Jahr nicht außer Landes reisen, nicht mal nach Wladikawkas. Basiswissen für Heynckes: Weitere Teilnehmer an den Champions-League-Playoffs aus den großen Ligen sind Ende August der FC Villareal (4. in Spanien), der FC Arsenal (4./England) und der Dritte aus Frankreich (Lyon oder Paris St. Germain). Glück für Heynckes: Die meisten dieser Klubs sind wie Bayern gesetzt.

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Portugal Zum Schluss noch eine Girlande für Europas Super-Elf zwotausendelf: Am Sonntag gewann der FC Porto mit einem 6:2 (Halbzeit 5:2) gegen Guimaraes auch noch den Landespokal und damit das Triple aus Europa League und Meisterschaft (27 Siege, drei Remis). Erfolgscoach ist der gefeierte "Mini-Mourinho" André Villas-Boas, 33, der nach SZ-Informationen noch grandioser ist als Foda, Fink und Finke und sogar in der tollsten Liga der Welt unterfordert wäre.

© SZ vom 24.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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