Fußball in England:Fußballtrainer David Wagner erobert Huddersfield

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David Wagner ist der "Manager" von Huddersfield Town. So heißen in England Trainer. (Foto: imago/Sportimage)
  • Deutsche Fußballtrainer in England - lange gab es das gar nicht.
  • Nun beeindruckt auf der Insel nicht nur Jürgen Klopp, sondern auch dessen Freund David Wagner.

Von Sven Haist, Huddersfield

David Wagner könnte es sich einfach machen und am Spielfeldrand einen windgeschützten Ort suchen, um das Nachmittagstraining zu verfolgen. Es ist schließlich kalt. Wagner hat die Hände tief in der Jackentasche vergraben und sich eine Mütze aufgezogen. Mit dem Team von Huddersfield Town ist er gerade erst aus dem Trainingslager in Marbella zurückgekommen.

"Sonne gibt Energie, davon bin ich überzeugt", sagt Wagner, 45. Ein Trip nach Spanien - das war auch gleich seine erste Maßnahme, als er vor rund einem Jahr von dem Klub als Coach engagiert worden ist. Danach passierte Bemerkenswertes: Von Rang 19 aus führte Wagner den Zweitligisten ins Tabellen-Mittelfeld. Parallel modernisierte Wagner die Trainingsanlage, die sich hinter zwei Fast-Food-Restaurants versteckt.

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An diesem Trainingstag gibt es in Huddersfield keine Sonnenstrahlen. Es zieht mal wieder ein Sturm durch Yorkshire. Die Profis haben Mühe, den Ball zu kontrollieren. Und der Videoanalyst tut sich schwer, die Kamera gerade zu halten auf seinem drei Meter hohen Baugerüst. Wagner könnte das Training abbrechen. Bequem zu sein, ist aber nicht seine Sache.

Der leichte Weg wäre für ihn gewesen, bei der U23 von Borussia Dortmund zu bleiben. Oder seinem Freund Jürgen Klopp zum FC Liverpool zu folgen. Oder eines der Angebote aus der zweiten und dritten Liga in Deutschland anzunehmen für seinen Start als Profitrainer. Ihn aber zog es nach Huddersfield. Warum nur?

In seinem Büro erklärt Wagner: "Durch den Weggang von Jürgen war die Verbindung beim BVB zur ersten Mannschaft nicht mehr wie früher. Ich bin auch nicht so vermessen gewesen, zu denken, dass noch Manchester United auf mich zukommt. Von der Größe her passt Huddersfield zu mir."

Er lehnt sich zurück, zum ersten Mal im Gespräch fangen seine Hände an, zu gestikulieren. "Und England! Da hört man zweimal hin!", sagt er mit Begeisterung: "Das ist ein ganz neuer Markt, wo ich mir ein Netzwerk aufbauen kann. Es gibt ja nur Jürgen und Felix Magath, die das versucht haben auf der Insel. Auf eine gewisse Art suche ich das Risiko." Der Pioniergeist hat Wagner also nach Huddersfield getrieben.

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Sein Büro hat kein Fenster, keine Espressomaschine, keinen Flachfernseher. Am Anfang hatte Wagner noch nicht mal ein Büro. Was er aber hatte: einen Freifahrtsschein. Er kann den 108 Jahre alten Verein nach seinen Vorstellungen modernisieren. "Als ich hierher kam, war die Stimmung so: Egal, was kommt, es kann nur besser werden. Dann probieren wir es halt mal mit dem Deutschen."

Der Klub litt unter regelmäßig wiederkehrenden Verlusten. Die Löcher stopfte Eigentümer Dean Hoyle, der über den Verkauf von Grußkarten und kleinen Souvenirs zum Multimillionär aufstieg. Seit seiner Übernahme 2008 stand er Huddersfield Town mit etwa 50 Millionen Euro zur Seite. In der Textilindustriestadt leben etwa 150 000 Menschen. Viele Sehenswürdigkeiten gibt es nicht. Auf ihren Fußball-Klub konnten die Menschen aber auch nicht so recht stolz sein.

Um das zu ändern, gingen Eigentümer Dean Hoyle und Sportchef Stuart Webber in Europa auf Trainersuche. Sie stellten fest: Die deutschen Profiligen kommen der zweiten englischen Spielklasse am nächsten. Ein Berater empfahl ihnen David Wagner, dessen Arbeit beim Regionalliga-Team des BVB Hoyle und Webber daraufhin wochenlang beobachteten. "Die Verpflichtung hat überhaupt nichts mit Jürgen Klopp zu tun. Wir sind schon viel früher auf David aufmerksam geworden", sagt Webber, "ich war mir zu 100 Prozent sicher, dass das passt."

Für die englischen Medien hat es auch gepasst. Wenige Wochen vor Wagners Umzug war Klopp zum FC Liverpool gewechselt. Die beiden hatten sich Anfang der 90er-Jahre als Spieler beim FSV Mainz 05 kennengelernt. Beim BVB arbeiteten sie vier Jahre lang zusammen. "Wir lieben die gleiche Art von Fußball und haben den gleichen Humor", sagt Wagner. Für die Daily Mail stand deshalb fest: Wagner ist ein Klopp-Klon. "Wer das erzählt, den muss man verklagen. Das ist total daneben", sagt Wagner: "Er ist 1,93 Meter groß - ich bin 1,83. Er ist hellhäutig - ich bin dunkelhäutig. Er hat blonde Haare - ich habe schwarze. Wenn jeder Brillenträger mit Dreitagebart ein Klopp-Klon ist, haben wir 4,9 Millionen davon in Deutschland."

Bild: SZ-Karte (Foto: SZ-Grafik)

Das urbritische Kick-and-rush verbannte Wagner aus Huddersfield. Er lässt Fußball mit Struktur spielen. Die ersten taktischen Kniffe brachte ihm einst Ralf Rangnick bei der TSG Hoffenheim bei. Wagner war damals Jugendtrainer. "Bis dahin habe ich das Spielsystem von Jürgen Klopp in Mainz gar nicht verstanden", sagt er.

Die Spielweise ist nicht alles, was Wagner geändert hat. Auf der Insel sind die meisten Profis es gewohnt, sonntags und mittwochs frei zu haben; und zwei Einheiten am Tag sind selten. Wagner wollte häufiger üben. "Anfangs habe ich ein paar komische Blicke erhalten", erzählt er, "dann habe ich mich an beide Kapitäne gewandt: Zieht bitte mit - dafür müsst ihr euch keine Gedanken um eure Stammplätze machen!"

Die anderen Spieler zogen dann sofort mit, "weil die Hierarchien hier noch sehr ausgeprägt sind", wie Wagner sagt. Nach vier Wochen stellte sich schon der erste Erfolg ein. Im Sommer nahm das Team dann klaglos insgesamt fünf deutsche Neuverpflichtungen auf, darunter den ehemaligen 1860-Kapitän Christopher Schindler und den vom FC Ingolstadt ausgeliehenen Angreifer Elias Kachunga. Deren Professionalität außerhalb des Platzes soll sich nun mit der Mentalität der britischen Spieler auf dem Platz verbinden.

In der Tabelle liegt Huddersfield in der Spitzengruppe, auf den beiden direkten Aufstiegsrängen davor befinden sich Newcastle United und Brighton. "Wir haben eine realistische Chance, die Saison unter den ersten Sechs zu beenden", sagt Wagner. Dann dürften sie in den Aufstiegs-Playoffs ran. Die jüngsten Investitionen in Infrastruktur und Kader sollen den Klub näher heranbringen an den Geldbrunnen Premier League. Der Aufstieg würde Huddersfield Town bis zu 250 Millionen Euro einbringen - und David Wagner zwei Duelle gegen Jürgen Klopp.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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