Fußball-Idol ist tot:Brasilien trauert um Sócrates

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Schon länger sorgte sich die Fußball-Nation Brasilien um den Gesundheitszustand ihres Idols - am Sonntag starb Sócrates in Sao Paulo. Mit Alkohol und Zigaretten hatte der "zauberhafte Doktor" seinen Körper zu Grunde gerichtet. Bei den Weltmeisterschaften 1982 und 1986 war Sócrates einer der brasilianischen Helden.

Es sieht so wahnsinnig leicht aus. Mit einem Kontakt stoppt der Mann mit der Nummer acht den planlos herausgeschlagenen Ball. Mit einer zweiten Berührung und einem kleinen Hopser lässt er den ersten Gegner ins Leere grätschen, mit einer kurzen Körpertäuschung verlädt er den nächsten. Aus vollem Lauf wirbelt er dann um 90 Grad herum und, das rechte Bein federt die Lederkugel aufs Tor. Sie streicht genau unter der Querlatte ins Netz.

Gestorben mit nur 57 Jahren: der frühere brasilianische Nationalspieler Sócrates. (Foto: AFP)

Die Brasilianer bestürmen ihren genialen Anführer Sócrates, der gerade den 1:1-Ausgleich gegen die Sowjetunion erzielt hat. Eines der schönsten Tore der WM 1982, ein Treffer, der die spielerische Eleganz, die fantastische Leichtigkeit, mit der dieser bärtige Kinderarzt und Querdenker Fußball spielte, auch Jahrzehnte später noch verdeutlicht.

Sócrates, Herz und Kopf der ebenso legendären wie ungekrönten brasilianischen Selecao der Achtzigerjahre, ist tot. Er hat seinen Körper zu Grunde gerichtet mit Unmengen von Alkohol und Zigaretten. Sócrates starb in einem Krankenhaus in Sao Paulo, wurde nur 57 Jahre alt.

"Ich war Alkoholiker, wenn ich wollte. Wer täglich Alkohol trinkt, ist Alkoholiker. Ich war abhängig vom Alkohol, habe aber nicht jeden Tag getrunken", gestand jüngst der studierte Mediziner. Schon während seiner aktiven Karriere hat er getrunken und geraucht. Beides nicht in Maßen und auch nicht verhohlen. Im Sommer konnte die Welt ihm noch einmal ins Auge blicken. Auf den veröffentlichen Porträtfotos vor hellem Hintergrund schaute den Fans aus aller Welt ein Mann mit aufgequollenem Gesicht und müden Augen entgegen. Nur das charakteristische Stirnband erinnerte an bessere, an glorreiche Zeiten.

Sócrates war da längst ein schwerkranker Mann, im August und September kam er nach Not-Operationen noch einmal mit dem Leben davon. Am frühen Sonntagmorgen gab sich sein Körper dann geschlagen.

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Mit hagerer Gestalt und Che-Guevara-Bart zelebrierte er einen eleganten Fußballstil, der Hackentrick war sein Markenzeichen. Doch nicht nur auf dem Platz war der im verarmten Norden Brasiliens (Belem) geborene Komplettfußballer der Kopf des Teams. Er setzte sich am Ende der Militärdiktatur öffentlich in der Kampagne "Diretas Ja" für die direkte Wahl des Staatspräsidenten durch das Volk ein und gehörte zu den treibenden Kräften der "Democracia Corintiana". Die weltweit wohl einmalige Demokratiebewegung erlaubte es den Corinthians-Spielern, per Abstimmung in Klubentscheidungen bei Spielerwechseln oder Regeln in Trainingslagern einzugreifen. Politisch links stehend gab er einst zu: "Ich wäre gern Kubaner." Die Brasilianer liebten aber vor allem seinen Fußballstil und Tore.

In der Erinnerung der Brasilianer ist er schon lange unsterblich, zusammen mit seinen kongenialen Mitspielern wie Zico, Falcão und Toninho Cerezo hat er eine Nation verzaubert, am meisten wohl bei der WM 1982. Ein Turnier, das im Finale Italien, mit drei Unentschieden gerade so in die zweite Runde gelangt, gegen das rumpelnde Deutschland gewann.

Die Brasilianer dagegen scheiterten im entscheidenden Spiel der Zwischenrunde trotz wunderschöner Tore von Sócrates und Falcao an der eigenen Schlampigkeit in der Abwehr und an der Cleverness des italienischen Dreifachtorschützen Paolo Rossi. 2:3 heißt es am Ende, ein 2:2 hätte für das Halbfinale gereicht.

Auch vier Jahre später gelingt einer der spielstärksten Selecaos, die es je gab, nicht der Titelgewinn. Im Viertelfinale siegt Frankreich im Elfmeterschießen. Sócrates vergibt gleich den ersten Versuch.

So blieb eine großartige Karriere ungekrönt. 25 Jahre nach seinem letzten Länderspiel ist das Leben eines der größten Fußballspielers zu Ende gegangen. Die Frage nach dem Warum hat er selbst vor einiger Zeit mit einem Achselzucken beantwortet. Warum die vielen Kippen, der Suff, Sócrates? Es habe einfach zu gut geschmeckt, antwortete der Arzt, der den Fans des schönen Spiels unvergesslich bleiben wird.

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