Fußball: Ex-Nationalspieler Tobias Rau:Trennung vom Traumberuf

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Tobias Rau, der in der Nationalelf sieben Länderspiele absolvierte und beim FC Bayern spielte, macht mit 27 Jahren einen harten Schnitt: Er studiert nun.

Martina Farmbauer

Tobias Rau war einmal auf dem Weg, ein großer Fußballer zu werden. Mit 19 gab er beim VfL Wolfsburg sein Bundesliga-Debüt, mit 21 wurde er Nationalspieler, wechselte zum FC Bayern und war, so flink, frech und unbekümmert er sich auf der linken Abwehrseite präsentierte, ein Kandidat für die deutsche Elf bei der WM 2006. Aber Rau setzte sich in München nicht durch, verlor seinen Platz im Nationalteam, und zum Schluss saß er bei Arminia Bielefeld, in der zweiten Liga, mehr auf der Bank, als dass er spielte. "Die vergangenen Jahre", sagt er, "waren nicht einfach." Im Sommer, mit 27, beendete er seine Karriere und beschloss, ein Studium aufzunehmen. Am Montag hatte er seinen ersten Tag an der Universität in Bielefeld.

Die Freiheit des Studentendaseins

"Nein", sagt Tobias Rau, "ich bin nicht gescheitert." Er war nicht gar so hochbegabt am Ball wie beispielsweise Sebastian Deisler, der auch bereits mit 27 einen Schlussstrich zog, weil er unter Depressionen litt. Aber er hat nicht erreicht, was er hätte erreichen können. "Da war mehr drin in dem Tobias Rau", sagt Wolfgang Wolf, der diesen einst vom Regionalligisten Eintracht Braunschweig nach Wolfsburg lockte und dort trainierte. Doch Rau hatte auch das Glück, etwas anderes machen zu können als nur Fußball zu spielen, und nun gleitet er hinüber in sein nächstes Leben. In die Freiheit des Studentendaseins.

Natürlich würde er nicht studieren, wenn er heute noch Teil der Nationalelf oder beim FC Bayern wäre. Aber es entwickelte sich eben anders. "Der Schritt nach München kam zu früh", sagt Wolf. Jedenfalls kam Rau dort kaum zum Einsatz. Mit Bayern-Manager Uli Hoeneß hatte er ein Lehrjahr verabredet, nach dem er den französischen Weltmeister Bixente Lizarazu auf der linken Abwehrseite ablösen sollte. Doch anstatt Spielpraxis zu sammeln, verletzte er sich. "Danach ist es bei einem Team wie Bayern schwer, Anschluss zu finden." Auch weil er sagt, dass er einen Charakter habe, der nicht zu einem typischen Profi passt: "Ich war meist fair und habe nur auf dem Platz versucht, mich in die Mannschaft zu kämpfen." - "Ihm haben im Haifischbecken die Ellbogen gefehlt", sagt Wolf. Am Ende hatte sein ehemaliger Schüler zwischen 2003 und 2005 in München lediglich 13 Ligaspiele und drei Partien in der Champions League absolviert.

Rau bestreitet, dass der FC Bayern der Knackpunkt war. Ihn hatte in München allerdings nicht nur seine Gesundheit verlassen. Er verlor auch seine Unbekümmertheit. Als er in Bielefeld ankam, spürte er auch dort die Last der Erwartungen - er war Nationalspieler, er kam von den Bayern. "Man stellt sich am besten zwei Wecker, damit man pünktlich ist", sagt Rau: "Und beim Aufstehen denkt man gleich ans Training, der Druck ist sofort da." Er hat mit einem Mentaltrainer gearbeitet, ein Reha-Programm absolviert, aber er kam nie mehr richtig auf die Beine. Warum sollte er da dabeibleiben?

Angebot aus der 2. Liga

Tobias Rau gehört einer Generation von Fußballern an, die besser ausgebildet sind als viele ihrer Vorgänger, intelligent, weltgewandt. "Ganz anders, als wir damals waren, als wir jung waren", sagte Rudi Völler einst, als er Bundestrainer war. Seit dem Abitur begleitete Rau der Gedanke, Lehrer zu werden. "Wenn man dann die Chance hat, Profifußballer zu werden, macht man das natürlich", sagt er: "Es ist ein Traumberuf."

Rau wusste jedoch immer, dass es ein Leben nach dem Fußball gibt. Dass er auch nach der Laufbahn etwas tun wollte, das ihn zufriedenstellt. "Und jetzt kam auch fußballerisch ein Punkt, an dem es gerade durch die Verletzungen nicht gut lief." Mehr als 20 Muskelbündel- oder Muskelfaserrisse hat er seit seiner ersten Blessur in München gezählt. Dennoch hätte er weiterspielen können. "Es ist ja nicht so, dass ich keine Chance mehr hatte", sagt Rau.

Er hatte Angebote eines Zweitligisten aus Nordrhein-Westfalen und eines griechischen Erstligisten. Bielefeld, der Klub, bei dem er seit 2005 unter Vertrag stand, plante nicht mit ihm. Aber noch einmal umziehen und neu anfangen wollte Rau nicht, der mit seiner Freundin bei Bielefeld lebt. Er entschloss sich zum Studium, Erziehungswissenschaften und Sport. "Bewundernswert", sagt Benny Lauth, der mit Rau einst in der Nationalelf debütierte. "Es kommt selten vor, dass sich jemand gegen den Fußball entscheidet." Lauth selbst, dessen Karriere bisher ähnlich wechselhaft verlaufen ist, kämpft mit 1860 München um den Verbleib in der zweiten Bundesliga.

Rau schwärmt von der Atmosphäre an der Universität, dem Zusammenhalt unter Studenten: "Man lernt sich schnell kennen, man hilft sich." Aber er muss sich daran gewöhnen, für Stunden zuzuhören, zu lesen, zu lernen. Dass er einer der Ältesten des Semesters ist, stört ihn nicht: "Ich sehe ja immer noch jünger aus als viele 20-Jährige." In fünf Jahren möchte Tobias Rau Lehrer an einem Gymnasium sein, und er kann sich vorstellen, irgendwann ein Jugendteam zu trainieren. Selbst wird er erst einmal nicht Fußball spielen. Er braucht Raum für neue Pläne.

© SZ vom 15.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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