Fußball-EM:Renato Sanches ist eine teure Fantasie

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Teure Fantasie: Portugals Renato Sanches. (Foto: AFP)

Warum zahlen die Bayern 35 Millionen Euro plus Zuschläge für einen Ersatzspieler Portugals? Bei der EM will Renato Sanches zeigen, wie gut er ist.

Von Christof Kneer

Am Dienstag, 21 Uhr, werden die Fans des FC Bayern ihren neuen Helden erstmals zu sehen bekommen. Und wenn nicht alles täuscht, werden sie Renato Sanches gleich recht gut kennenlernen, seine Erscheinung, seine Mimik, seine Frisur. Sie werden ihm aufmerksam ins Gesicht schauen können, jedenfalls dann, wenn die Kamera auf die Ersatzbank schwenkt. Dort wird Renato Sanches beim Auftaktspiel der Portugiesen gegen Island erwartet.

Wer die Bayern ärgern möchte, kann ihnen vorhalten, dass sie 35 Millionen Euro für einen Ersatzspieler Portugals bezahlen und am Ende wahrscheinlich noch viel mehr; theoretisch - aber wirklich nur theoretisch - könnten es am Ende fast 80 Millionen werden. Wer die Bayern nicht ärgern möchte, darf von einem, je nach Sichtweise, riskanten oder innovativen Deal sprechen, der ein neues Münchner Geschäftsmodell zu werden scheint. Jahrhundertelang haben die Bayern in gegnerischen Gärten einfach die prächtigsten Trauben weggepflückt (was sie - siehe Götze, Lewandowski, Hummels - immer noch genüsslich praktizieren).

Aber neuerdings versuchen sie sich auch als Trüffelschweine. Der Plan ist, junge Spieler zu erschnüffeln, die nach Weltstar riechen, aber es noch nicht sind - ein Plan, der ganz schön ins Geld geht. Beim Franzosen Kingsley Coman, 19, könnte sich die Kaufsumme, wenn die Bayern demnächst ihre Option ziehen, auf 28 Millionen summieren; bei Sanches, 18, dürfte die Summe realistischerweise mindestens doppelt so hoch ausfallen.

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Der sehr dynamische, sehr aggressive, manchmal noch hyperaktive Mittelfeldspieler Sanches, der die Beobachter auf dem Weltmarkt an den Franzosen Paul Pogba oder den emeritierten Niederländer Edgar Davids erinnert, wird bei Bayern einen Vertrag erhalten, den man in ein paar Jahrzehnten vielleicht als Exponat hinter Glas ausstellen kann; man wird ihn dann bestaunen können wie heute den ersten Vertrag von Gerd Müller. Sanches' Vertrag wird dann stellvertretend stehen für die späten Zehnerjahre dieses Jahrhunderts, in denen der Transfermarkt durchdrehte.

Fünf Millionen bei 25 Einsätzen

Stilbildend für aktuelle Umtriebe sind ja nicht nur eskalierende Summen, sondern auch die ulkigen Unter-, Hilfs- und Nebenklauseln, mit denen der eine Bewerber den anderen auszustechen versucht. Weil Sanches' bisheriger Klub, Benfica Lissabon, an der Börse notiert ist, hat man offiziell von der Existenz der 45 Millionen schweren Nebenabreden erfahren; inoffiziell sollen sie etwa so aussehen: Zusätzlich zu den fix vereinbarten 35 Millionen könnten 20 Millionen kommen, falls der Spieler in seiner Vertragslaufzeit bis 2021 unter die letzten drei bei der Weltfußballer-Wahl kommt oder nach Turnieren in Weltauswahlen berufen wird. Aktuelle Prognose: unwahrscheinlich. Wahrscheinlich ist dagegen, dass die Bayern für Teil zwei des Kleingedruckten mal kräftig zur Kasse gebeten werden: Angeblich erhält Benfica bis 2021 je fünf Millionen für jede Saison, in der es Sanches auf 25 Einsätze bringt (was bei etwa 50 Saisonspielen kein besonderes Wunder wäre).

Renato Sanches ist eine teure Fantasie. Bei Bayern gehen sie davon aus, dass ihre Fans den Fantasiespieler bei der EM auch auf dem Platz sehen.

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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