Pep Guardiola saß vermutlich in einem Ohrensessel in Manchester, und als er die Aufstellung der deutschen Mannschaft gegen Nordirland erfuhr, sprach er innerlich noch einmal mit all seinen Münchner Kritikern. "Ihr könnt nicht verstehen, ich liebe diesen Jungen. Er hat alles, er kann alles, er gibt alles" hatte der Katalane einmal über Joshua Kimmich gesagt.
Was fühlte sich der Trainer des FC Bayern angegriffen, wenn mal einer bemerkte, dass dieser 1,76 Meter große Jungspund aus dem Schwäbischen nicht die richtige Wahl sei für den Posten als Innenverteidiger. Noch dazu für so brisante Partien wie in Lissabon, in Dortmund oder in Turin.
Doch dieser Kimmich war Guardiolas Werk und Idee, seine Erfindung. Er hatte aus dem Mittelfeldspieler für die Zukunft einen Verteidiger für die Gegenwart gemacht. Er brauchte diesen Kimmich, weil sich sein Stammpersonal reihenweise verletzt hatte. Für die guten Leistungen dankte ihm der Trainer mit allerlei Liebesbekundungen ("Süßer, süßer Junge" - "Fast mein Sohn").
Guardiolas Prophezeiung geht in Erfüllung
Im Pariser Prinzenpark nun ging spätestens Guardiolas Prophezeiung in Erfüllung, der Junge werde früher oder später Nationalspieler; sein Debüt hatte dieser im Testspiel gegen die Slowakei gefeiert. War ja auch nicht schwierig vorherzusagen. Wer als Bayern-Trainer einen deutschen Fußballer aufstellt, der ebnet automatisch den Weg zum Bundestrainer.
Dabei war schnell klar, dass Joachim Löw mit Joshua Kimmich einen anderen Plan hat. Löw hat wahrlich kein Problem in der Abwehrmitte, dafür aber einen andauernden Notstand auf der rechten Seite. Philipp Lahm grüßt ja diesen Sommer vom heimischen Grill aus nach Frankreich.
Gegen die Ukraine und Polen hatte Benedikt Höwedes die Position brav und gewissenhaft ausgefüllt. Aber ohne jede Wirkung in der Offensive, für die der Schalker einfach nicht geschaffen ist. Der Plan gegen das ultradefensive Nordirland sah allerdings vor, dass die Außenverteidiger bei eigenem Ballbesitz zu Außenstürmern mutieren sollten, um den grünen Abwehrriegel auseinanderzuziehen. Eine Idee, die sich mehrfach als guter Plan erwies. Weil Kimmich zeigte, dass er auch das kann.