Fußball-EM:Der tätowierte Final-Schiedsrichter

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Der englische Unparteiische Mark Clattenburg leitet das EM-Finale. (Foto: Robert Ghement/dpa)

Mark Clattenburg leitet das EM-Endspiel, dabei wollte ihn Englands Verband gar nicht in Frankreich dabeihaben. Zu Hilfe kam ihm Pierluigi Collina.

Von Johannes Kirchmeier, Paris/München

Mark Clattenburg schüttelte heftig mit dem Kopf, er blickte ungläubig auf den Rasen herab, ließ seine Zunge viermal über die Oberlippe und wieder zurück in den Mund flattern, als würde er überlegen, mit welcher Karte er das absurde Theater bestrafen könnte, das sich vor seinen Augen abspielte. Unten, vor dem Schiedsrichter Clattenburg auf dem Rasen in Mailand, lag der Fußballer Pepe.

Es liefen die letzten Augenblicke der Verlängerung des Champions-League-Finals im Mai zwischen Real und Atlético Madrid (1:1, 5:3 i.E.). Das Gesicht des englischen Schiedsrichters kommentierte den Versuch von Reals Verteidiger, eine rote Karte für seinen Gegenspieler Yannick Ferreira-Carrasco zu erzwingen, der ihn versehentlich mit seiner Hand im Gesicht traf. Pepe schauspielerte wie ein neues portugiesisches Telenovela-Sternchen, doch Clattenburg durchschaute das.

Der erste englische Final-Schiri seit 1964

Die Szene mit dem wälzenden Portugiesen war die bisher stärkste seiner Schiedsrichterkarriere, die am Sonntag ihren nächsten Höhepunkt erreicht, wenn er Pepe wiedersieht. Clattenburg, 41, wird als erster Engländer seit 1964 ein EM-Finale leiten. Dabei hätte er bei der EM in Frankreich eigentlich gar nicht pfeifen dürfen.

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Clattenburg ist tätowiert. Und die hohen Schiedsrichterherren bei der FA, Mike Riley und David Elleray, fürchteten, dass ein tätowierter Schiedsrichter auch im Jahr 2016 ihr Land nicht seriös genug vertritt - sogar, wenn das Tattoo eigentlich gar nicht richtig sichtbar ist. Der 41-Jährige ließ sich die Olympischen Ringe auf den Arm stechen, nachdem er 2012 das Finale in London pfeifen durfte. Riley und Elleray nominierten statt Clattenburg dessen Kollegen Martin Atkinson.

Dass Clattenburg trotzdem dabei ist, hat er Pierluigi Collina zu verdanken. Der Italiener, der früher ähnlich wild gestikulierte wie Clattenburg im Champions-League-Finale, ist ein Fan des Briten, und als sogenannter Chef-Schiedsrichter-Officer zuständig für die Ernennung der Referees. Er stattete Clattenburg mit einer Art Wildcard aus, für England pfiffen in Frankreich zwei Schiedsrichter. Collina nominierte Clattenburg auch für das Finale. Riley und Elleray dürften zürnen. Immerhin kommt ihnen der Schiedsrichter entgegen: Bei der EM läuft er auch bei hohen Temperaturen mit langen Ärmeln auf, um sein Tattoo zu verstecken.

Clattenburg pfiff das brisanteste Spiel der EM

Das Finale wird sein viertes Spiel bei dieser EM sein. Er pfiff zwei Partien in der Vorrunde (Italien gegen Belgien und Kroatien gegen Tschechien) und das Achtelfinale zwischen Polen und der Schweiz. Besonders bei der Partie Tschechien gegen Kroatien war er gefordert: Er musste das Spiel unterbrechen, nachdem kroatische Fans randalierten und Böller aufs Feld warfen. Clattenburg brachte die Partie souverän zu Ende. Kurz vor Schluss der achtminütigen Nachspielzeit bewies er zudem starke Übersicht und entschied auf einen berechtigten Elfmeter für Tschechien. Damit hat er sich für sein nächstes großes Finale qualifiziert.

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Und so ist Clattenburg, ein Elektriker aus der Industriestadt Newcastle, nun der letzte Engländer, der sein Land bei der EM vertritt, nachdem das Nationalteam bereits im Achtelfinale überraschend an Island scheiterte. Es passt daher schon auch ein bisschen zur miserablen Situation im Verband, dass der letzte Engländer nun genau derjenige ist, den sie in diesen Tagen eigentlich gar nicht über die Fußballplätze Frankreichs laufen sehen wollten.

© SZ vom 10.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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