Fußball:Eine Wissenschaft namens Greenkeeping

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Speziallampen wie diese in Wolfsburg sollen das Wachstum des Rasens fördern. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
  • Der Beruf des Platzwarts ist heute umfassend: Die meisten heißen auf neudeutsch Greenkeeper und sind bei den Bundesligaklubs fast genauso wichtig wie Trainer und Spieler.
  • Arndt Valbert ist einer von ihnen und arbeitet für den Fußball-Bundesligisten FC Augsburg.
  • Ein Besuch bei einem Rasenversteher, der seinen Beruf liebt.

Von Anna Lammers, Augsburg

Es ist still im Augsburger Stadion, keine Fans stehen auf den Tribünen, keine Fußballer auf dem Platz. Das letzte Spiel der Saison ist längst gespielt, nichts ist zu hören außer der Sprinkleranlage, die das 105 mal 68 Meter große Spielfeld mit Wasser versorgt. Die Torturen der vergangenen 17 Heim- und zusätzlicher Testspiele sind dem Rasen kaum anzusehen. Alles ist, wie es sein soll, und das liegt an Arndt Valbert, 48, Greenkeeper, Rasenversteher und, das fast auch, Wissenschaftler.

Der Rasen ist die Grundlage eines jeden Fußballspiels, er ist Spielfeld und Bühne zuleich, für Pässe, Grätschen, Tore und Sprints, für Komödien und Tragödien. Manche Spieler berühren ihn andächtig vor jedem Spiel, Fans nehmen bei Gelegenheit ein Stück davon als Trophäe mit nach Hause. Doch wie bei einem Parkettboden bemerkt man den Rasen erst so richtig, wenn eine Macke drin ist. Wenn wie beim Testspiel der DFB-Elf gegen die Slowakei der Platz in Augsburg buchstäblich unter Wasser steht. Erst dann macht man sich Gedanken über den Rasen.

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Weil das Spielfeld unter Wasser steht, ist Fußball beim 1:3 gegen die Slowakei kaum möglich. Joachim Löw muss nun quasi ohne Test entscheiden, wen er zur EM mitnimmt.

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Arndt Valbert dagegen macht sich jeden Tag Gedanken über den Rasen, es ist sein Job. Seit Dezember 2015 arbeitet er beim FC Augsburg, als "Head Greenkeeper", und er gehört zu den Menschen, die Wert darauf legen, dass sie im Team arbeiten. Fünf Greenkeeper sind in diesem Team, sie kümmern sich um den Rasen im Stadion, um den auf den Trainingsplätzen, um den des Nachwuchsleistungszentrums. Um neun Plätze insgesamt.

Der Rasen, die große Unbekannte

Vorbei sind die Zeiten, als der Greenkeeper noch Platzwart hieß und die Spielfeldmarkierungen aus Kreide waren. Vorbei sind auch die Zeiten der Wasserschlacht von Augsburg. Heute liegt in der Arena Hybridrasen. Eine Mischung aus Kunstfaserhalmen und Naturrasen. Alle zwei Zentimeter steckt ein Kunstfaserhalm 18 Zentimeter tief in einem Erd-Sand-Untergrund. Wenn Valbert über seine Arbeit spricht, dann sagt er Sätze wie: "Die Kunstfasern stabilisieren, und es gibt kaum Schäden". Es geht in seiner Welt um Spindelmäher, Sichelmäher, Vertikutierer, Aerifizierer, Besander oder Natriumdampflampen. Ja, man kann das schon so sagen: Greenkeeping hat den Status einer Wissenschaft erreicht, zumindest ein bisschen.

Fußfallfans kennen die Rückennummern der Spieler, sie wissen, wer wann von welchem Klub wohin wechselte, sie kennen die Trainer, die Vorstände, sogar die Schiedsrichter. Aber über das Offensichtlichste im Spiel, den Rasen, weiß kaum jemand etwas, vor allem nicht, welche Arbeit dahintersteckt, den Platz möglichst perfekt herzurichten.

Also, Herr Valbert, was genau tun Sie eigentlich?

Er sitzt auf der Tribüne des Stadions und betrachtet sein Werk. Er hatte einst, Jahre her, die Greenkeeper bei der Arbeit beobachtet und sich gedacht: "Das kann ich auch." Irgendwann fragte er nach einer offenen Stelle, besuchte Weiterbildungen und Seminare. Und schon bald wurde aus dem "Das kann ich auch" ein Vollzeit-Job, erst in München, nun in Augsburg.

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Valberts Arbeit beginnt und endet mit jedem Heimspiel. "Wir haben einen langfristigen Plan für die Pflege des Rasens, aber natürlich reagieren wir täglich auf die unterschiedlichen Wetterbedingungen. Dann entscheiden wir, was zu tun ist", sagt er. Und zu tun ist einiges. Eine Woche vor der Partie mäht sein Team den Rasen täglich. Je öfter das geschehe, desto schöner werde das Muster, das später zu sehen sei, sagt Valbert. Durch das Mähen "stocke" der Rasen zudem, das mache ihn breiter und optimal bespielbar.

Ob Sieg oder Niederlage, sofort nach Spielende mähen Valbert und sein Team das Feld mit Handmähern. Sie entfernen die ausgetretenen Rasenfetzen, damit der Rasen nicht fault. Mit Handgabeln schließen sie einzelne Löcher oder sähen Gras nach, drei Stunden kann das insgesamt dauern. Im Winter müssen sie zudem das Beleuchtungssystem auf dem Rasen ausrollen: Meterlange Gestelle mit goldgelbem Licht sind das, sie regen in den dunklen Monaten das Wachstum der Grashalme an. Ein Wachstum, das eigentlich gegen die Natur abläuft. Denn für einen ganzjährig bespielbaren Platz ist ausgerechnet die Natur der größte Feind. Lichteinfall, Witterung und Belastung sind die größten Faktoren, gegen die das Augsburger Greenkeeper-Team kämpft, mit Beleuchtung, Rasenheizung und ständiger Pflege.

Valbert weiß, dass ein Spielfeld längst nicht mehr bloß ein reiner Rasen, sondern ein Faktor für Erfolg und Misserfolg ist. Wie die Aufstellung kann sein Zustand Teil der Spieltaktik sein. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Vereine ihr Feld je nach Gegner bewässern oder stutzen. Ein feuchter und kurzer Rasen macht das Spiel schnell und ist vor allem bei technisch starken Mannschaften wie dem FC Bayern oder Borussia Dortmund beliebt. Je länger und trockener die Halme, desto mehr wird der Ball abgebremst und das schnelle Kurzpassspiel verlangsamt.

Doch nicht immer läuft alles rund, ob in Augsburg oder woanders. Vergangenes Jahr im September hatte ausgerechnet der FC Bayern wochenlang mit einem ramponierten Platz in der eigenen Arena zu kämpfen. Pilzbefall machte aus dem sonst so hochgelobten Rasen den reinsten Acker. Er musste mitten in der Saison ausgetauscht und durch einen reinen Naturasen ersetzt werden, etwas peinlich für den Rekordmeister.

Auch die Wissenschaft hat ihre Grenzen

Valbert kennt die Beschwerden über den Rasen, aber er kann gut leben damit. "Wir können es nicht allen recht machen", sagt er. Schließlich habe der Gegner seinen eigenen Rasen und seine eigenen Greenkeeper, die nach ihren Vorstellungen den Platz pflegen und bearbeiten. "Aber ich arbeite für den FC Augsburg, für den Trainer und die Spieler hier."

Es sei aber schon so, dass die Plätze in den Bundesliga-Stadien über eine gute Qualität verfügen. So sagt es jedenfalls Harald Nonn, der Vorsitzende der Deutschen Rasengesellschaft und Mitglied der Expertengruppe Rasen der Deutschen Fußball Liga: "Die Spielfelder brauchen aus meiner Sicht keinen internationalen Vergleich zu scheuen."

Das liege an der richtigen Pflege, aber auch an neuen Technologien. Der Hybridrasen gehört dazu. Daneben gibt es Dinge wie Watte und Kork im Boden, es gibt Maschinen, die Luft in den Boden pumpen sollen. Es ist nicht ganz klar, was davon Sinn macht und was nicht, am Ende ist es beim Rasen wie bei allem anderen: Es geht nicht zuletzt auch ums Geld. Und trotz aller Wissenschaft, Rasenheizungen, Beleuchtung und Pflege hat eben auch ein Stadionrasen seine Grenzen: die Natur.

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