Fußball:Deutsche Nationalelf: Wasserball im Donnerwetter

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Flachpässe waren in Augsburg irgendwann nicht mehr möglich. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Weil das Spielfeld unter Wasser steht, ist Fußball beim 1:3 gegen die Slowakei kaum möglich. Joachim Löw muss nun quasi ohne Test entscheiden, wen er zur EM mitnimmt.

Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn, Augsburg

Julian Brandt, das zumindest muss ihm wohlwollend zugute gehalten werden, hat sich nicht beschwert über diese Wettbewerbsverzerrung. Er hat einfach das gemacht, was er normalerweise am besten macht, er ist geflitzt und hat gedribbelt, als ob er auf einem ganz normalen Rasen spielen würde. Nur war unter ihm kein normaler Rasen. Der flitzende und dribbelnde Brandt war ein schlitternder Brandt, er war ein wunderbarer Wasserfußballer. Aber ob ihm das helfen wird?

Brandt gehört zu den Spielern, die noch in jeder Szene darum kämpfen müssen, um auch zum endgültigen Kader für die Fußball-EM in Frankreich zu zählen; vier Spieler muss Bundestrainer Joachim Löw bis Mitternacht am Dienstag aus dem vorläufigen Aufgebot streichen. 45 Minuten lang durfte sich daher am Sonntag im Test gegen die Slowakei auch Brandt beweisen, die gesamte zweite Halbzeit, doch eine wirklich faire Chance bekam er nicht.

Denn in der Halbzeitpause, die am Ende fast die Länge einer Halbzeit hatte, hagelte und stürmte es über der Augsburger Arena, als es weiterging, stand das Wasser auf dem Rasen. Also spritzte und schlitterte Brandt, so wie die übrigen 21 auf dem Rasen. Dass die Slowakei am Ende 3:1 (2:1) gewann, war fast nebensächlich. Entscheidender für Löw war: Kein Spieler hatte sich bei dieser Rutschpartie verletzt, er muss weiterhin vier Spieler streichen.

Die Castingshow unter Realbedingungen, die Löw eigentlich geplant hatte, war daher im Grunde genommen nach 45 Minuten beendet. Entsprechend gering war der Erkenntnisgewinn. "Dieses Spiel alleine macht für mich keine Entscheidung", sagte Löw danach, "verdient hat es niemand, dass er nach Hause muss. Es wird schwierig." Und: "Von den jungen Spielern kann man nicht alles erwarten. Man steht unter einem gewissen Druck und Stress." Zwei Teams benötigt er ja in Frankreich, sagt er, eine für die ersten Spiele, wenn seine Mannschaft auf Gegner trifft, die sich hinten reinstellen. Und eine für die K.-o.-Runde, wenn es auch gegen Teams geht, die selbst Fußball spielen wollen. Am Sonntag testete Löw daher eine Mannschaft, die personell wenig zu tun haben wird mit der Aufstellung in den wirklich wichtigen Spielen. Und er testete - zumindest vor dem Unwetter - eine Taktik, mit der er sich selbst etwas mehr Flexibilität ermöglichen könnte.

Mario Götze ging in Dribblings, die er in München zuletzt vermieden hatte

Die Münchner Manuel Neuer und Thomas Müller schonte Löw, sie durften im Trainingslager-Quartier im Tessin bleiben, ebenso wie die Reihe der mehr oder weniger Angeschlagenen: Bastian Schweinsteiger, Mesut Özil, Karim Bellarabi, Mats Hummels, Marco Reus. Lukas Podolski war erst kurz zuvor angekommen, und Toni Kroos feierte noch den Champions-League-Titel mit Real Madrid. In der späteren Phase des Turniers dürften aus dieser Augsburger Startreihe daher nur drei Spieler wieder von Beginn an auflaufen: Jérôme Boateng, Sami Khedira - und um den Platz ganz vorne streiten sich vermutlich Mario Gomez und Mario Götze.

Um diese Stammkräfte herum sortierte Löw die Spieler in neuer taktischer Formation. Vor Torwart Bernd Leno spielte er mit drei Innenverteidigern (einer davon der erst in dieser Saison umgeschulte Joshua Kimmich), dazu stellte er zwei vorgerückte Außenverteidiger, rechts Sebastian Rudy, links Jonas Hector. Da Schweinsteiger und Kroos fehlten, blieb für die Zentrale nur Khedira, vor diesem wirbelten Julian Draxler, Mario Götze und Leroy Sané. Als einzige Sturmspitze begann Mario Gomez.

Die Elf spielte zunächst einen sehr ansehnlichen Fußball, sie kombinierte sich in die Lücken, die die Slowaken in ihrer Defensive gewährten. Draxler hatte inspirierte Momente, Rudy marschierte und marschierte, Götze ging in Dribblings, die er in München zuletzt eher vermieden hatte. In der zwölften Minute etwa dribbelte er in den Strafraum hinein, Juray Kucka traf ihn am Fuß - Elfmeter. Gomez rutschte aus, obwohl der Rasen noch keine Sumpflandschaft war, sein Schuss war dennoch hart und platziert genug für die Führung (13.).

Auch danach war das Spiel der deutschen Mannschaft durchdacht, die Elf erspielte sich noch die eine oder andere Chance. In der 30. Minute überboten sich Sané, Boateng und Götze gar in einer Triplechance an Ungeschicklichkeit. Die Slowaken stürmten nur verhalten. Dennoch führten sie kurz vor dem Augsburger Donnerwetter auf einmal: Marek Hamsik traf mit einem gefühlvollen Distanzschuss (41.) und Michal Duris nach einem Eckball mit dem Kopf (43.) - wobei Joshua Kimmich höflich Abstand hielt.

Dann kam der Hagel, der Regen, der Sturm. In der zweiten Halbzeit ging die Castingshow weiter, wenn auch nicht unter Realbedingungen. Das war ungerecht für Brandt oder Julian Weigl, die sich lediglich in der Kunst versuchen konnten, den Zufall bei ihren Dribblings und Zuspielen einzuplanen. Und es war ungerecht für Marc-André ter Stegen, der Leno im Tor ablöste. Es lief die 52. Minute, Eckball für die Slowakei, Kucka stand ungedeckt im Strafraum, er schoss, der Ball platschte einmal auf dem Rasen auf, dann rutschte er ter Stegen durch die Beine. Den Torwart des FC Barcelona durfte immerhin beruhigen, dass Löw keinen der drei Schlussleute aus seinem Kader streichen wird.

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Von Philipp Selldorf

Anschließend passierte nicht mehr viel, Götze vergab nach einer Vorarbeit von Brandt noch eine gute Chance (82.). Der Rest war purer Zufall.

© SZ vom 30.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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