Fußball:Ein Knall, ein Hak und eine Volte

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Lass dich umarmen: Der eigens fürs Elfmeterschießen eingewechselten Torhüter Franco Flückiger wird zum Pokal-Held. (Foto: Goldberg/Beautiful Sports/Imago)

Türkgücü gewinnt in Illertissen den Toto-Pokal, bucht damit den Startplatz in der ersten DFB-Runde - und verlängert trotz Streit mit Spielmacher Sercan Sararer.

Von Christoph Leischwitz

Der Fußballverein Türkgücü München ist bekannt dafür, gerne auch mal mit Knalleffekten zu arbeiten. Und genau das nahm sich in diesem entscheidenden Moment mindestens einer der mitgereisten Fans zu Herzen. Gerade hatte Türkgücüs neuer Spieler Luis Jakobi seinen Elfmeter verschossen; wenn nun Fabio Maiolo vom FV Illertissen den seinen verwandeln würde, hätte der Regionalligist den Drittligisten geschlagen, den Toto-Pokal gewonnen und sich damit einen DFB-Pokal-Startplatz gesichert.

Doch als Maiolo anlief, zerriss ein lauter Knall die Stille: Ein Gäste-Fan hatte einen Böller gezündet. Mehrere Zuschauer im Stadion zuckten erschrocken zusammen - und Maiolo schoss in die Arme des eigens fürs Elfmeterschießen eingewechselten Franco Flückiger. Kurz beriet sich das Schiedsrichterteam: Wären die Unparteiischen zu dem Entschluss gekommen, dass es sich bei dem Knall um eine entscheidende Beeinflussung gehandelt hatte, wäre der Elfmeter wiederholt worden. Doch er wurde es nicht. Vier Schützen später stand Türkgücü als Pokalsieger fest. Auf den vorab gedruckten Sieger-Shirts war dann zu lesen: "Wir holen uns unser Hak". Darunter, etwas kleiner: "Hak ist ein Begriff aus dem türkischen Sprachgebrauch und wird als Anspruch auf etwas haben/Anrecht auf etwas haben definiert." Eine Anspielung darauf, dass sich Türkgücü vergangenes Jahr erfolglos in den DFB-Pokal einzuklagen versucht hatte. Wobei die ordentlichen Gerichte eben kein Hak festgestellt hatten.

Beim FV Illertissen nimmt man die Entscheidung gelassen, fühlt sich aber "ein Stück weit betrogen"

Beim FV Illertissen nahmen sie die Tatsache, so knapp den DFB-Pokal verpasst zu haben, relativ gelassen hin. Der sportliche Leiter Hermann Schiller merkte tags darauf aber noch an, dass "wir uns ein Stück weit betrogen fühlen". Auch deshalb, weil der Schiedsrichter zweimal während der Partie nicht auf Elfmeter für die Gastgeber entschieden hatte - was angesichts der TV-Bilder durchaus vertretbar gewesen wäre. Von einem Protest aber, so Schiller, nehme man Abstand. Denn die Erfolgsaussichten seien gering, der Bayerische Fußball-Verband müsse schon sehr bald seinen Pokalteilnehmer an den Deutschen Fußball-Bund melden.

Darüber hinaus hätten die Fans beinahe den Pokalsieg verhindert, anstatt ihn zu begünstigen: Sie hatten zuvor schon einen Böller und eine Leuchtfackel gezündet. Zählt man Böller zu Pyrotechnik, hätte der Schiedsrichter nach dem Elfmeterknall die Möglichkeit gehabt, die Mannschaften in die Kabinen zu schicken und das Spiel zu unterbrechen. Fest steht, dass sich Türkgücü, wie schon beim knappen Halbfinalsieg in Buchbach (2:1), trotz guter Torchancen schwer getan hatte gegen den unterklassigen Gegner, vor allem in der hochspannenden Schlussphase. Und das, obwohl in Albion Vrenezi der Zweitliga-Zugang von Jahn Regensburg erstmals für Türkgücü in der Startelf stand.

Obwohl das Transfer-Fenster noch nicht offen ist, hat Türkgücü bereits 14 neue Spieler geholt - und mit Sararer verlängert

Und dann hatte es ja exakt vier Stunden vor dem Anpfiff noch einen ganz anderen Knalleffekt gegeben: Da hatte Türkgücü bekannt gegeben, dass der Vertrag mit Spielmacher Sercan Sararer um nicht weniger als drei Jahre verlängert wurde. Das kam reichlich überraschend, denn Türkgücü und Sararer hatten bis vor wenigen Tagen nur über Anwälte kommuniziert. Vor dem Arbeitsgericht hatte Sararers Rechtsbeistand kürzlich noch erklärt, sein Mandant wolle "auf jeden Fall" den Verein verlassen. Ganz offensichtlich hat Präsident Hasan Kivran nun ein Angebot gemacht, mit dem sich der Streit unter den Teppich kehren ließ. So stand auch Sararer erstmals wieder auf dem Platz. Insofern hat sich, auch wenn der Sieg glücklich zustande kam, seine Verpflichtung zum Teil bereits refinanziert, denn ein niedriger sechsstelliger Betrag ist Türkgücü dank der DFB-Pokalteilnahme schon sicher.

Türkgücüs neuer Trainer Petr Ruman meinte zum Böller-Vorfall noch: "Es ist nicht schön, das gebe ich zu, aber wenn man vor 50 000 Zuschauern Elfmeter schießt, ist es auch nicht gerade ruhig, und Fans gehören zum Spiel." In der einen oder anderen Form wird es wohl schon bald weitere Knalleffekte geben. Erst kürzlich hatte Türkgücüs Geschäftsführer Max Kothny angemerkt, dass das Transferfenster eigentlich ja noch gar nicht eröffnet worden sei - dabei hat er schon jetzt 14 neue Spieler verpflichtet. Dem Vernehmen nach handelt sich Türkgücü bei seiner Spielersuche auch jede Menge Absagen ein; doch Verpflichtungen wie jene von Vrenezi, Philip Türpitz oder der wohl kostspieligen Vertragsverlängerung Sararers lassen darauf schließen, dass der Verein weiterhin mit aller Macht den Aufstieg in die zweite Bundesliga anstrebt. Wer da noch alles kommen mag, dürften auch die Lostrommel und die Pandemie-Entwicklung mitentscheiden: Am Sonntag in der Sportschau findet die Pokal-Auslosung statt. Mit einem lukrativen Gegner und vielen Zuschauern im eigenen Stadion lässt sich sicher die eine oder andere zusätzliche Knaller-Verpflichtung finanzieren.

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