Fußball:Der Schlendrian ist Bayerns größter Gegner

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Sekundenschlaf in der Abwehr: Münchens David Alaba und seine Mitspieler kämpfen mit dem Schlendrian. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Münchner gewinnen ihre Fußballspiele wieder mit der gewohnten Dominanz. Irritierend sind jedoch kleinere Turbulenzen in der Abwehr, die sich in der Champions League schnell rächen könnten.

Von Matthias Schmid, Augsburg

Das modische Glanzlicht hatte am Samstagabend mal wieder David Alaba gesetzt. Über seiner Strickmütze trug er diesmal seine Kopfhörer, nicht darunter, wie es Menschen üblicherweise tun, die der 24-Jährige vermutlich als "Old School" bezeichnen würde. Zum Rhythmus seiner Musik wippend schwebte der Österreicher durch den Bauch der Augsburger Arena nach draußen zum Mannschaftsbus. Man hätte gerne vom Münchner Außenverteidiger erfahren, was er über das Gegentor dachte beim ansonsten lockeren 3:1-Sieg des FC Bayern in Augsburg, mit dem der Rekordmeister seine Tabellenführung vor Aufsteiger RB Leipzig verteidigte. Aber Alaba hatte Besseres zu tun, als Antworten zu liefern, er lauschte seinen Lieblingsbeats.

In manchen Momenten des Spieles schien es ja fast so, als ob er und die anderen Verteidiger diese schweren Kopfhörer aufgehabt hätten und davon abgelenkt gewesen wären, sie hörten die Rufe der Mitspieler nicht. Obwohl der FC Bayern in diesen Tagen wieder zu seiner gewohnten Souveränität zurückgefunden hat, zu seiner selbstverständlichen Dominanz fällt die Abwehrreihe mitunter in einen kollektiven Sekundenschlaf, der dann gleich zum Gegentor führt. So war es am Samstag in Augsburg und drei Tage zuvor schon gegen den gleichen Gegner im Pokal. "Wir haben nach dem Gegentor einen Schlendrian in unser Spiel gekriegt", gab Innenverteidiger Mats Hummels zu. Dramatisieren wollte der Nationalspieler die kurzzeitigen Turbulenzen in der zweiten Hälfte aber nicht: "Wir haben uns danach schnell wieder gefangen, aber ich hätte mir schon gewünscht, dass wir unsere Seriosität komplett beibehalten hätten."

In der Tat war der Vortrag des FC Bayern sehr ansehnlich vor dem Champions-League-Auftritt am Dienstag in Eindhoven. Im Spiel nach hinten mussten Hummels und Jérôme Boateng in der ersten Hälfte bis auf einen Fernschuss von Augsburgs Kapitän Paul Verhaegh und einem Schüsschen von Koo nach einem Aussetzer von Xabi Alonso nicht groß eingreifen. Und im Spiel nach vorne hatten sie ja Arjen Robben und Robert Lewandowski, die Raffinesse und Geschwindigkeit ins Angriffsspiel brachten.

Vor allem der Pole scheint wieder zu seiner formidablen Form aus der vergangenen Saison zurückgefunden zu haben. Die beiden waren an allen drei Bayern-Toren beteiligt, sie legten sich gegenseitig die Bälle auf, präzise, kunstvoll, mit der Noblesse von Oberkellnern im Grandhotel. Robben traf einmal, Lewandowski zweimal und beendete mit dem Führungstor in der 19. Minute auch eine kleine Negativserie - fünf Spiele und exakt 482 Minuten hatte der Pole zuvor nicht mehr für den FC Bayern getroffen. Eine vergleichbare Serie hatte er im Münchner Trikot zuvor nie erlebt.

Der 28-Jährige ahnte nach dem langen Sommer und der kurzen Vorbereitung nach der Europameisterschaft aber schon, dass so eine Phase kommen könnte. Er begegnete ihr also mit der nötigen Gelassenheit. Aber einfach waren die torarmen Arbeitswochen trotzdem nicht, gibt er zu. Geholfen hatten ihm zuletzt gute Trainingseinheiten an der Säbener Straße und vor allem: ein Gespräch mit Robben.

"Wir haben miteinander geredet", erklärte Lewandowski. Das überraschte insoweit, weil die beiden bisher meist über- statt miteinander gesprochen haben. Vor dem Spiel in Augsburg tauschten sie sich aber dann aus, über Laufwege, über Fußballspezifisches halt, aber vor allem unterhielten sich Lewandowski und Robben darüber, dass alle davon profitieren, wenn sie selbstloser auftreten, miteinander und nicht gegeneinander Fußball spielen und dem anderen auch das eine oder andere Tor gönnen. "Wir wissen nun, dass jeder etwas bekommt und das bringt auch der Mannschaft etwas", sagte Lewandowski, der nun auf sieben Tore in neun Ligaspielen kommt.

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An Lewandowskis Aufschwung hatte natürlich auch Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge Gefallen gefunden, er freute sich, dass aus dem Torjäger außer Dienst vor den anstehenden Spielen in der Champions League wieder ein Torjäger im Dienst geworden ist. "Mittelstürmer werden halt an ihren Toren gemessen und deshalb ist es schön, dass er wieder in seiner besten Verfassung ist", sagte Rummenigge.

Er hofft, dass er in den nächsten Wochen endlich auch eine Einigung mit Lewandowski und dessen Berater in Sachen vorzeitiger Vertragsverlängerung bis 2021 verkünden kann. Es sehe gut aus und "was lange währt, wird manchmal dann ja auch gut...", sagte der Bayern-Chef. Herauszögern bis zur Mitgliederversammlung am 25. November will er eine zu erwartende frohe Botschaft aber nicht, versicherte Rummenigge. "Wir brauchen keine Show oder Effekthascherei da."

Über seine anstehende Vertragsverlängerung will der Pole nichts sagen

Auch Lewandowski selbst will keine große Sache daraus machen. "Es gibt nichts Neues zu vermelden", sagte der Pole am Samstag. Er wisse selbst nicht, wann etwas bekannt gegeben werde. Ob er sich überhaupt schon entschieden hätte, wurde er noch gefragt. Lewandowski lächelte und entgegnete dann: "Das ist nur für mich interessant."

Interessieren wird für ihn ganz sicher, wie er und seine Mitspieler in Einhoven mit dem Schlendiran umgehen werden. In der Champions League gegen Gegner, die nicht wie Augsburg nur verteidigen und das Spiel zerstören wollen, könnte das die Münchner in größere Kalamitäten stürzen als in der Bundesliga. "Wir dürfen da nicht unkonzentriert werden", mahnte Hummels, während in seinem Rücken Renato Sanches vorbeilief, seine Kopfhörer über der Wollmütze tragend. Ganz nach dem Vorbild von David Alaba.

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