Fürstenfeldbruck:Der Zwölfjährige in der zweiten Tischtennis-Liga

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Erster Aufschlag: Debütant Petros Sampakidis (li.) gewinnt im Doppel mit Michal Obeslo einen Satz. (Foto: Günther Reger)

Einserschüler und Tischtennis-Hoffnung: Petros Sampakidis vom TuS Fürstenfeldbruck überzeugt bei seinem Debüt in der zweiten Bundesliga. Ausgerechnet jetzt verabschiedet sich sein Verein aus dem Profisport.

Von Andreas Liebmann, Fürstenfeldbruck

Die Zukunft war akkurat gescheitelt, die Vergangenheit eher etwas struppig. Nun standen beide Schulter an Schulter, und der Zukunft mochte rein gar nichts gelingen. Sie war nervös, die Zukunft, zumal gerade alle Augen nur auf sie gerichtet waren. Der Nachbartisch war leer. 1:11 ging dieser erste Satz verloren, Petros Sampakidis hatte zu Beginn seines Debüts in der zweiten Tischtennis-Bundesliga rein gar nichts getroffen.

Die Gegenwart war etwa so trist wie der Dauernieselregen, der die üblichen hundert Zuschauer in die graue Fürstenfeldbrucker Jahnhalle getrieben hatte. Es waren nicht weniger gekommen als sonst, obwohl es für den Tabellenvorletzten ja um nichts mehr ging in dieser letzten Saisonpartie; es waren aber auch nicht mehr als üblich, obwohl das Duell mit dem TTC Frickenhausen doch eine Abschiedsvorstellung war: der letzte Zweitliga-Auftritt des TuS Fürstenfeldbruck vor dessen finanzbedingtem Rückzug in die sechste Liga, der Bayernliga. Zur selben Zeit, 300 Kilometer weiter nördlich, sicherte sich der unterfränkische TSV Bad Königshofen gegen den TTC Jülich den Meistertitel. Dort waren es mehr als 600 euphorische Fans, die das heimische Team zum 6:2-Sieg brüllten.

Die Nervosität verschwindet schnell

In Fürstenfeldbruck bedankte sich Abteilungsleiter Rudi Lutzenberger zunächst beim langjährigen Hauptsponsor Günther Paul, dessen altersbedingter Rückzug aus seinem Unternehmen letztlich gleichbedeutend war mit dem des TuS aus dem Profisport. "Wir wussten, dass es eines Tages so kommen würde", sagte Lutzenberger. Jedem der Spieler drückte er einen Bierkrug der Kreisstadt in die Hand, auch Florian Schreiner, dem langjährigen Vorzeigetalent des Vereins, der trotz Grippe zumindest zum Abschiednehmen gekommen war. Zugezogen hatte er sich den Infekt bei den Chile Open, wo er das U-21-Turnier gewann - sein bisher größter Erfolg auf der World Tour. Nächste Saison wird Schreiner für den Erstligisten Bergneustadt antreten. Dann kam jener flüchtige Augenblick, in dem sich Vergangenheit und Zukunft der Abteilung unmittelbar begegneten; in dem beide miteinander Doppel spielten.

Fürstenfeldbrucks Spielertrainer Andras Podpinka war ungewöhnlicher Weise im Anzug erschienen, nicht wie sonst in Spielkleidung. "Er wollte wohl ganz sicher gehen, dass wir ihn nicht doch noch aufstellen", argwöhnte Lutzenberger grinsend. Auch Podpinka war daran gelegen, dass nicht er, sondern sein Schützling Petros Sampakidis anstelle von Schreiner antreten durfte, und nun also bestritt der Debütant das einzige Doppel an der Seite des Tschechen Michal Obeslo, der Nummer 161 der Weltrangliste, der künftig wieder in Schweden spielen wird. Man muss wissen: Petros Sampakidis, ein leichtgewichtiger Nachwuchsspieler, ist erst zwölf Jahre alt.

Sampakidis' Nervosität legte sich bald, den dritten Satz gegen Kazuhiro Yoshimura und Filip Zeljko gewannen die Brucker sogar. Später, im Einzel gegen den aufschlagstarken Litauer Alfredas Udra, hielt er beim 10:12, 4:11, 4:11 ebenfalls phasenweise gut mit. Und schließlich, zumindest statistisch, kam der Zwölfjährige sogar zu seinem ersten Zweitliga-Sieg - allerdings kampflos, weil die Gäste aus Frickenhausen wegen einer Schulterverletzung des Ungarn Marton Szita nur zu dritt antraten.

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Möglicherweise war sogar das ein Kompliment für Sampakidis. Denn Frickenhausens Trainer Derd Soos, ein doch schon betagter ehemaliger Erstligaspieler, hatte sich bereits warmgespielt, dann aber doch auf einen Einsatz verzichtet. "Er hat vor mehr als 30 Jahren schon gegen uns gespielt", berichtete Lutzenberger, und er habe sich mehrmals respektvoll über Sampakidis' Anlagen geäußert, als dieser sich einspielte. Womöglich hatte der Altmeister, inzwischen selbst nur noch auf Kreisebene aktiv, dann doch keine große Lust, sich von einem Zwölfjährigen abfieseln zu lassen.

Sampakidis wird nächste Saison jedenfalls in der Bayernliga der Männer mitspielen. Vor zwei Jahren kam er aus Milbertshofen, damals noch als exzessiver Block- und Schupfspieler. Podpinka stellte zunächst die Vorhand auf Offensive um, was Sampakidis einen Platz im Bundeskader einbrachte, dann die Rückhand. "Er trainiert etwas weniger als andere", erzählt Rudi Lutzenberger - der Gymnasiast sei ein Einserschüler und konzentriere sich schon auch aufs Lernen. Als ehemaliger Fußballer habe er eine gute Beinarbeit, auch im Kopf sei er stark. "Wie lange wir ihn halten können, muss man abwarten." Auch der TTC Frickenhausen habe gleich angekündigt, Petros Sampakidis im Auge zu behalten. So oder so müsse sein Verein "schauen, dass wir mit der Jugend weiterkommen", sagt Lutzenberger. Es gebe da noch ein paar Talente mehr. Die Frauenmannschaft des TuS ist mit mehreren Nachwuchsspielerinnen gerade in die dritte Liga aufgestiegen.

Die Partie gegen Frickenhausen endete 5:5. Zu drei kampflosen Punkten kamen zwei klare Siege Obeslos gegen Kazuhiro Yoshimura und Filip Zeljko. Nach Spielende bedankte sich Sampakidis artig dafür, dass ihn der Verein eingesetzt hatte, und die scheidenden Profis (Obeslo, Schreiner, Bojan Crepulja und Filip Cipin) stellten sich im Vorraum der Halle auf, wo sie ihre Trikots verschenkten und - tatsächlich - jeden Zuschauer per Handschlag verabschiedeten. "Eine schöne Geste", fand Lutzenberger. Und Glück: Bei 600 Fans hätte sich die Prozedur zeitraubender gestaltet.

© SZ vom 20.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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