Als Silvia Neid an diesem Montagmittag den Tagungsraum "Sepp Herberger 4" in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) betrat, musste sie angesichts der wartenden Journalisten lächeln. Lange Zeit gehörten Medientermine nicht zu den beliebtesten Aufgaben der Frauenfußball-Bundestrainerin. Zu diesem Wochenstart aber wirkte Neid gelöst, fast heiter. Noch vor ihr ergriff dann jedoch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach das Wort und erklärte den Grund für die gute Laune der 50-Jährigen.
Wie schon bei Bundestrainer Joachim Löw habe man auch bei den Frauen personell "frühzeitig und langfristig für Klarheit sorgen" wollen. Schließlich steht in diesem Sommer die WM an, und "es tut immer gut, wenn vor einem Turnier klare Verhältnisse herrschen", so Niersbach. Dann sprach er aus, was erst vor wenigen Wochen an der Felsenküste der Algarve während des WM-Vorbereitungsturniers in Portugal verabredet worden war: Silvia Neid wird ihr Amt als Bundestrainerin im kommenden Jahr mit Ende ihrer Vertragslaufzeit aufgeben und anschließend die neue Scouting-Abteilung für Frauen- und Mädchenfußball im DFB übernehmen.
"Sie wird noch verantwortlich sein für die Weltmeisterschaft und für das Olympia-Turnier in Rio, für das die Mannschaft sich hoffentlich qualifiziert", sagte Niersbach. Dann blickte er zu der Frau, die ebenfalls mit einem Lächeln neben ihm und Neid stand, und meinte: "Neue Bundestrainerin wird Steffi Jones."
Gero Bisanz, 1982 - 1996
Europameister 1989, 1991, 1995
Tina Theune-Meyer, 1996 - 2005
Weltmeister 2003
Europameister 1997, 2001, 2005
Silvia Neid, 2005 - 2016
Weltmeister 2007
Europameister 2009, 2013
Die frühere Welt- und Europameisterin war nach ihrem Karriereende 2007 in die Funktionärsebene des DFB gewechselt. Nachdem sie zunächst dem Organisationskomitee für die Frauenfußball-WM 2011 vorstand, übernahm sie 2012 das neu geschaffene Amt der Direktorin für den Frauenfußball im DFB. Nach vielen Jahren als Funktionärin und Repräsentantin "drängt es mich zurück auf den Platz", meinte die 42-Jährige zu ihrem anstehenden Wechsel. Für die Frauenfußball-Nationalmannschaft bedeutet diese Entscheidung 68 Tage vor Beginn der WM-Endrunde in Kanada (6. Juni bis 5. Juli) nichts anderes als eine bevorstehende Zeitenwende.
In den vergangenen zehn Jahren, die Silvia Neid die DFB-Fußballerinnen anleitete, gewann die frühere DFB-Spielführerin bis auf Olympisches Gold alles, was es an Titeln zu gewinnen gab. Mehr noch: Neid ist die einzige Person, die an allen bisherigen Erfolgen der deutschen Frauenfußball-Nationalelf persönlich beteiligt war. Zunächst als Spielerin, seit 1996 dann als Assistenz- und schließlich seit 2005 als Cheftrainerin. Die Entscheidung, in absehbarer Zeit aufzuhören, "ist lange in mir gereift", erklärte Neid.
"Nach dem EM-Sieg in Schweden habe ich mir gedacht: Was soll jetzt noch kommen?", sagte sie, "und da habe ich mir gesagt: Ich möchte nochmal eine neue Herausforderung." Die Frage, ob sie mit ihrem angekündigten Abschied nun an Autorität verliert, wischte Neid mit einem Lachen weg. Seit sie die Entscheidung gefällt habe, "fühle ich mich total gut", sagte sie, "ich genieße jeden Tag mit meiner Mannschaft." Die wiederum hat vom bevorstehenden Schritt ihrer Trainerin noch kaum etwas erfahren.