Als Silvia Neid an diesem Montagmittag den Tagungsraum "Sepp Herberger 4" in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) betrat, musste sie angesichts der wartenden Journalisten lächeln. Lange Zeit gehörten Medientermine nicht zu den beliebtesten Aufgaben der Frauenfußball-Bundestrainerin. Zu diesem Wochenstart aber wirkte Neid gelöst, fast heiter. Noch vor ihr ergriff dann jedoch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach das Wort und erklärte den Grund für die gute Laune der 50-Jährigen.
Wie schon bei Bundestrainer Joachim Löw habe man auch bei den Frauen personell "frühzeitig und langfristig für Klarheit sorgen" wollen. Schließlich steht in diesem Sommer die WM an, und "es tut immer gut, wenn vor einem Turnier klare Verhältnisse herrschen", so Niersbach. Dann sprach er aus, was erst vor wenigen Wochen an der Felsenküste der Algarve während des WM-Vorbereitungsturniers in Portugal verabredet worden war: Silvia Neid wird ihr Amt als Bundestrainerin im kommenden Jahr mit Ende ihrer Vertragslaufzeit aufgeben und anschließend die neue Scouting-Abteilung für Frauen- und Mädchenfußball im DFB übernehmen.
"Sie wird noch verantwortlich sein für die Weltmeisterschaft und für das Olympia-Turnier in Rio, für das die Mannschaft sich hoffentlich qualifiziert", sagte Niersbach. Dann blickte er zu der Frau, die ebenfalls mit einem Lächeln neben ihm und Neid stand, und meinte: "Neue Bundestrainerin wird Steffi Jones."
Die frühere Welt- und Europameisterin war nach ihrem Karriereende 2007 in die Funktionärsebene des DFB gewechselt. Nachdem sie zunächst dem Organisationskomitee für die Frauenfußball-WM 2011 vorstand, übernahm sie 2012 das neu geschaffene Amt der Direktorin für den Frauenfußball im DFB. Nach vielen Jahren als Funktionärin und Repräsentantin "drängt es mich zurück auf den Platz", meinte die 42-Jährige zu ihrem anstehenden Wechsel. Für die Frauenfußball-Nationalmannschaft bedeutet diese Entscheidung 68 Tage vor Beginn der WM-Endrunde in Kanada (6. Juni bis 5. Juli) nichts anderes als eine bevorstehende Zeitenwende.
In den vergangenen zehn Jahren, die Silvia Neid die DFB-Fußballerinnen anleitete, gewann die frühere DFB-Spielführerin bis auf Olympisches Gold alles, was es an Titeln zu gewinnen gab. Mehr noch: Neid ist die einzige Person, die an allen bisherigen Erfolgen der deutschen Frauenfußball-Nationalelf persönlich beteiligt war. Zunächst als Spielerin, seit 1996 dann als Assistenz- und schließlich seit 2005 als Cheftrainerin. Die Entscheidung, in absehbarer Zeit aufzuhören, "ist lange in mir gereift", erklärte Neid.
"Nach dem EM-Sieg in Schweden habe ich mir gedacht: Was soll jetzt noch kommen?", sagte sie, "und da habe ich mir gesagt: Ich möchte nochmal eine neue Herausforderung." Die Frage, ob sie mit ihrem angekündigten Abschied nun an Autorität verliert, wischte Neid mit einem Lachen weg. Seit sie die Entscheidung gefällt habe, "fühle ich mich total gut", sagte sie, "ich genieße jeden Tag mit meiner Mannschaft." Die wiederum hat vom bevorstehenden Schritt ihrer Trainerin noch kaum etwas erfahren.
Sie habe nur Kapitänin Nadine Angerer in Portugal beim Algarve Cup eingeweiht. Mit dem Rest der Mannschaft will Neid beim am Donnerstag beginnenden WM-Lehrgang in Fürth sprechen. "Vor der Pressekonferenz heute aber habe ich allen eine E-Mail geschrieben", sagte Neid.
Offenbar war der Druck, an die Öffentlichkeit zu gehen, in den vergangenen Wochen gewachsen. "Ich wurde zuletzt immer häufiger gefragt, wann ich denn nun meinen auslaufenden Vertrag verlängere", sagte Neid, die dem Verband "rechtzeitig genug eine ordentliche Nachfolge-Regelung ermöglichen" wollte. Sobald sie DFB-Präsident Niersbach informiert hatte, begann die Suche.
Dabei war es allerdings nicht Steffi Jones, die als erste Kandidatin gehandelt wurde. "Ich habe auch sofort an Maren Meinert gedacht", räumte Jones ein. Die erfolgreiche Junioren-Trainerin, die im vergangenen Jahr erst die U20-WM der Frauen gewonnen hat, habe aber auf Nachfrage darauf beharrt, im Juniorinnenbereich zu bleiben. Daraufhin "ging die Initiative letztlich von mir aus", sagte Jones.
Schon länger war intern bekannt, dass die frühere Abwehrspielerin nicht mehr glücklich war mit ihrem Direktions- und Repräsentationsposten. Jetzt also soll Jones das Team in eine Zeit führen, in der "die anderen Nationen mehr und mehr aufholen und auch so viel investieren, dass sie uns überholen, wenn wir nicht aufpassen", meint Neid. Deshalb wolle sie ab 2016 ihre Erfahrung darauf verwenden, "den neuesten Trends im Frauenfußballs nachzuspüren" - und sie für den DFB zu verwerten.
Steffi Jones dagegen hat außer ihrem DFB-Lizenzlehrgang 2007 noch keine praktische Erfahrung gesammelt. Das sei allerdings kein Hinderungsgrund. "Das war bei Klinsmann auch so", sagte sie und fügte an: "Gebt mir einfach eine Chance." Während Jones mit jeder Frage immer nervöser wurde, wuchs bei Neid das Lächeln. "Ich habe richtig Spaß jetzt", sagte sie. "Ich freue mich total auf die WM."