French Open - Match des Tages:Rafas spezieller Augenblick

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Er klettert auf die Tribüne, umarmt jedes Mitglied seines riesigen Clans und hält sogar eine kleine Rede auf Französisch: Rafael Nadal lässt Novak Djokovic keine Chance und gewinnt zum siebten Mal die French Open - so oft wie noch niemand vor ihm. Die Regenpause, die ihn am Sonntag noch ärgerte, wird zu Nadals großem Glück.

Milan Pavlovic

Es dauerte eine Weile, bis Rafael Nadal im wörtlichen Sinn die Beine baumeln lassen konnte. Was er aber auch alles tun musste in den ersten Minuten nach dem Matchball und einem Triumph, der alles in seiner an Höhepunkten so reichen Vita übertraf: auf die Knie fallen wie zwei Tage vor ihm Maria Scharapowa, die Siegerin des Frauenturniers; Tränen verdrücken und wegwischen, was nicht leicht war, weil Nadal dies mit dem Arm versuchte, der voll war mit dem feuchten roten Sand von Roland Garros.

Inmitten seiner Freunde: French-Open-Sieger Rafael Nadal. (Foto: AP)

Dann die Tribüne hochklettern, wo Nadal mit seinem roten T-Shirt auch auf hundert Meter herausragte und wo er alle Mitglieder seines riesigen Clans umarmte, bis hin zum NBA-Basketballer Pau Gasol; und schließlich eine kleine Rede auf Französisch halten, wie es sich für jemanden gehört, der die French Open "das schönste und wichtigste aller Turniere" nennt und vom "speziellsten Augenblick meiner Karriere" spricht.

Jetzt aber saß Nadal auf dem höchsten Punkt des neuen, ausladenden Siegerpodiums, für das sich die Architekten offenbar von der Einrichtung des heute-journals haben inspirieren lassen und ließ sich von den Fotografen ablichten. Finalgegner Novak Djokovic war nach rechts von der Rampe verschwunden, um dem ganz links sitzenden Sieger die Bühne zu überlassen.

Nadal schwang die Beine locker weg, und die Miene, die zuvor gut 20 Stunden lang vergrätzt bis biestig gewesen sein dürfte, hatte sich aufgehellt wie kurzzeitig der Himmel über Paris. Der Grund dafür stand unter dem linken Arm des Spaniers, den er lässig auf die Trophäe des Siegers lehnte. Diesen mächtigen Pokal hatte Nadal kurz zuvor zum siebten Mal in die Höhe gewuchtet, so häufig wie noch kein Mann vor ihm.

Wenn zukünftig die Rede auf Rekordhalter der French Open kommt, wird als erster Name nicht mehr Björn Borg fallen, der das Turnier zwischen 1974 und 1981 sechsmal gewann, sondern der von Rafael Nadal. Und wenn vom Endspiel des Jahres 2012 gesprochen wird, das nach einer kühlen, verregneten zweiten Woche erst am Montag beendet werden konnte, dann wird es nicht um eine vergebene Chance gehen, sondern höchstens um eine verzögerte Krönung. Es war dem neuen Rekordmann anzusehen, wie erleichtert er über beides war.

Am Sonntagabend hatte das ganz anders ausgesehen. Nadal verließ das Stadion kurz vor 19 Uhr mit einem Gesichtsausdruck, der noch grimmiger war als sonst. Der 26-Jährige verwandelt sich auf den Center Courts dieser Erde regelmäßig in einen unersättlichen Kannibalen, der selbst beste Freunde zum Nachtisch verspeist. In dieser Edition der French Open hatte er auf seinem Weg ins Finale gegen zwei seiner besten Kumpels auf der Tour antreten müssen, den Argentinier Juan Monaco und den Spanier David Ferrer - und ihnen in zusammengerechnet sechs Sätzen insgesamt sieben Spiele zugestanden.

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Doch im Endspiel musste er sich mit Novak Djokovic messen: mit jenem Mann, der Nadal in den vergangenen drei Grand-Slam-Endspielen drei Niederlagen beigebracht hatte, von denen jede immer noch mehr wehtat als die vorangegangene. Und dann schickte sich der Serbe auch noch an, ein längst entschieden geglaubtes Match zu drehen. Nadal führte bereits 6:4, 6:3, 2:0 und schien sogar zu schnell für das üble Wetter zu sein. Weder Niesel noch Novak konnten bis dahin etwas gegen die Urgewalt des Spaniers ausrichten - bis der Nieselregen stark genug wurde, um die Bälle zu durchtränken und Nadals Spiel zu stoppen. Aber noch zu schwach war, um schon früh eine Spielvertagung zu erzwingen.

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Djokovic erinnerte daran, dass er der einzige Spieler ist, der gegen Nadal auch auf Sand noch Ballwechsel gewinnen kann, in denen der Spanier dominiert hatte; er kämpfte sich ins Match zurück, holte sich unerhörte acht Spiele in Serie, schien auf dem besten Weg zu sein, auch den vierten Durchgang zu gewinnen - und selbst Geschichte zu schreiben: Hätte Djokovic gewonnen, wäre er der erste Mann seit 43 Jahren gewesen, der alle vier Grand-Slam-Titel zur gleichen Zeit besessen hätte. Ähnlich nahe war dieser Leistung in den vergangenen Jahrzehnten nur Roger Federer gekommen: Er scheiterte zweimal - an Rafael Nadal.

Doch dann wurde der Regen zu stark - und Nadal, der zunächst erbost über den Abbruch war, realisierte, dass es viel besser für ihn war, wenn er bei trockenen Bedingungen weiterspielen und den aufsässigen Serben mit der Wucht seiner Topspin-Schläge zermürben könnte. Als es am Montagmittag bei deutlich freundlicheren Umständen weiterging, machte er sogleich den Vorteil des Gegners zunichte.

Er wirkte viel entspannter, sicherer als am Sonntag, und spielte wieder nahezu fehlerfrei, wie in den ersten Runden, als er unantastbar wirkte. Diesmal war sogar das Glück auf Seiten des Spaniers: Das Rebreak am Montag fiel ihm mit einem Netzroller vor die Füße; den Matchball schenkte ihm der merklich angespannte Djokovic mit einem Doppelfehler. Als wäre alles einer Dramaturgie gefolgt, schien zu dem Zeitpunkt die Sonne.

Nadal hat von seinen bisher 53 Spielen in Paris 52 gewonnen. (Er verlor nur 2009, mit zwei kaputten Knien, im Achtelfinale gegen Robin Söderling.) Fragt sich nur, welche Zahl der Spanier in seiner unglaublichen Geschichte in Roland Garros erreichen kann. Nächstes Ziel: die Acht. "Für eine weitere Roland-Garros-Trophäe ist immer Platz", sagte Nadal. Außerdem muss er sich in den Pariser Rekordbüchern den übergreifenden Top-Platz noch mit Chris Evert teilen.

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