French Open:Gewinnt wieder Nadal? Ein 90-prozentiges Ja

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Pokal Nummer elf: Nadal 2018 in Paris (Foto: Cameron Spencer/Getty Images)

Findet Kerber in Paris die Kerber-Welle? Was gelingt Federer auf Sand? Und warum fährt Serena Williams im Rollstuhl durch Disneyland? Sieben Fragen zum Start der French Open.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Man stelle sich vor, es gäbe einen sogenannten Media Day im Weltfußball und es würden der Reihe nach zum Interview erscheinen: Für den Start Lionel Messi, dann folgten Gianluigi Buffon, Kylian Mbappé, Marta, Alex Morgan, Cristiano Ronaldo, Thomas Müller. Schließlich Dzsenifer Marozsan, Ada Hegerberg, Luis Suárez, Mo Salah, Toni Kroos, Antoine Griezmann. Da wäre was los.

So einen Media Day gibt es im Weltfußball natürlich nicht. Aber im Tennis. Er wird tatsächlich vor jedem Grand-Slam-Turnier veranstaltet. Da es nur vier Majors gibt, sind diese vier Media-Days stets etwas Besonderes. In Paris bei den French Open war diesmal Simona Halep, die Titelverteidigerin, um 12 Uhr am Freitag als Erste dran. Karolina Pliskova, Angelique Kerber, Rafael Nadal, Roger Federer - im Viertel- und Halbstundentakt wurden insgesamt 13 Profi befragt. Sportlich zu klären bei der 123. Ausgabe von Roland Garros ist ja einiges. Sieben drängende Fragen (und Antwortversuche) zum Turnier 2019.

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1. Gewinnt schon wieder Rafael Nadal?

Um vernünftig zu spekulieren: ein 90-prozentiges Ja. Vorausgesetzt selbstverständlich, er ist fit und keine seiner Flaschen, die er in manischer Art immer in die gleiche Richtung ausrichtet an seinem Seitenwechsel-Platz, fällt mal um. Elf Mal hat der Spanier, 32, in Paris gewonnen, und das, was er sagte, klingt für die Konkurrenz besorgniserregend. Er habe ein paar Mal nun hier trainiert. Nach seinem Sieg in Rom war er kurz noch zu Hause auf Mallorca, habe auch gegolft. Wie er die neue Anlage, das umgebaute und renovierte Hauptstadion Philippe Chatrier finde? "Das Gefühl mit dem Ball, das Gefühl mit dem Court, also persönlich hatte ich das gleiche Gefühl." Nein, vom Spielerischen her sehe er keinen Unterschied. Wenn Nadal keinen Unterschied sieht, ahnt man, wo das hinführen sollte.

2. Was gelingt Roger Federer bei seinem Comeback?

Das letzte Mal hatte der nun 37-Jährige 2015 in Paris gespielt. Seinen Titel zum Abhaken auf der Bucket List hatte er sich 2009 gesichert, als ihm der Schwede Robin Söderling den Gefallen tat und Nadal aus dem Weg räumte. Wenig herzlich fegte Federer dann über Söderling hinweg und sank auf die Knie. Lange her. Ja, viel habe sich verändert, sagte Federer staunend, der sich 2019 also ernsthaft die Sandplatzsaison antut. Wie selbstsicher er sich fühlt, der 20-malige Grand-Slam-Sieger? In Rom zog er zuletzt vor dem Viertelfinale zurück, das rechte Bein schmerzte. "Es ist ein bisschen wie in Australien 2017", sagte Federer. Damals kehrte er nach einer mehr als sechsmonatigen Verletzungspause zurück. "Ich hatte keine Erwartungen." Keine Erwartungen? Das ging dann mal so aus: Titelgewinn, in einem Fünfsatzmatch gegen Nadal.

Für Federer ist diese Teilnahme aber auch eine Art Zeitreise. Er sprach über sein erstes Mal in Paris. 1998 nahm er in der Juniorenkonkurrenz teil. 1999 per Wildcard im Hauptfeld. Er erinnerte sich an Pat Rafter, seinen ersten Gegner, gespielt wurde im Court Suzanne Lenglen. Der Australier siegte in vier Sätzen. Er dachte an das emotionale Finalduell Hingis-Graf, in dem die Deutsche triumphierte. Auch Jim Courier fiel ihm ein. Zu oft, sagte Guy Forget, der Turnierdirektor, werde Federer wohl nicht mehr in Paris spielen. Vielleicht, ja, ist es sein letztes Mal. Federer will nach wie vor nichts rausrücken dazu. Er sagt ja zurecht: Wenn er über den Rücktritt redet, ist das der nächste Schritt zu genau diesem.

Seine Chancen nun also? Er kann weit kommen, klar. Er ist doch Federer. Aber: "Wenn es blöd läuft, dann erreicht Federer nicht mal die erste Woche!" So griffig brachte es ein Tennisfan im Internet, der auch unter dem lustigen Account "Die Tennisproleten" sein Unwesen treibt, auf den Punkt. Federer muss ja schon am Sonntag gegen den Italiener Lorenzo Sonego ran. Der ist nicht so schlecht. In Monte-Carlo stand er im April im Viertelfinale.

3. Schafft Novak Djokovic zum zweiten Mal den jahresübergreifenden Karriere-Grand-Slam?

Der Serbe, als Weltranglisten-Erster an Nummer eins gesetzt, hatte 2015 Wimbledon und die US Open gewonnen, 2016 dann die Australian Open und Anfang Juni zum ersten Mal die French Open. Damit war er jahresübergreifend der Besitzer aller vier Grand-Slam-Trophäen. Diese Leistung kann der 32-Jährige wieder schaffen. Er habe "fantastische Wochen" zuletzt gehabt, sagte Djokovic. Der Turniersieg in Madrid, das Finale in Rom. Dort indes sei, räumte er ein, Nadal "der bessere Spieler" gewesen. Immerhin, einen Satz gewann er gegen den Linkshänder. Das Gallige, das läuferisch Zermürbende, das Tenniswandige hat Djokovic wieder in sich gefunden. Und ja, er spüre eine "extra Motivation", nun noch mal das vierte Slam-Turnier in Serie gewinnen zu können. Sollte er nicht plötzlich Mumps kriegen, sollte er den Weg ins Finale am 9. Juli finden. Dann wird man sehen.

4. Kann Angelique Kerber nach den Australian Open, den US Open und Wimbledon auch das vierte Grand-Slam-Turnier gewinnen?

Theoretisch ja. Praktisch eher nein. Außer sie findet wieder diese berühmte Kerber-Welle, die sie zu großen Dingen tragen kann. Allerdings: "Vor zwei Wochen war ich mir nicht mal sicher, dass ich hier in Paris sein werde", gab die 31-Jährige zu. Ihre Saison verlief bislang durchwachsen. Erst eine Grippe, dann eine Knöchelverletzung, Startverzicht in Rom. Sie hatte sogar einige Tage nur auf der Couch gelegen, weil sie außer Reha nichts machen konnte. Kerber sei nun aber hier, "um sich der Situation zu stellen". Immerhin: Wenn sie so unbeobachtet ist, hat Kerber oft am gefährlichsten agiert. Aber Sand ist nicht ihr bester Belag. So viele Pros und Contras. Am besten, man rechnet mit allem. Kerber darf immerhin schon mal das Turnier im Hauptstadion eröffnen. Ihr Match gegen die Russin Anastasia Potapowa beginnt um elf Uhr (live auf Eurosport).

5. Kann Alexander Zverev seine Viertelfinalteilnahme von 2018 wiederholen?

Um ehrlich zu sein: vielleicht ja, vielleicht nein. Dem 22-Jährigen, 2019 in einem Rumpeljahr, hilft wenigstens das Draw, die Auslosung. In der dritten Runde hätte er auf Nick Kyrgios treffen können, aber der zog zurück, angeblich krank. Seinen Auftaktgegner John Millman, weiß Gott kein Sandplatz-Experte, sollte der Deutsche besiegen dank seiner Qualitäten. Wenngleich Zverev derzeit mehr Tennis schuftet, als dass es nach Leichtigkeit aussieht. Im Achtelfinale könnten allerdings der rockige Italiener Fabio Fognini oder der Wühler Roberto Bautista Agut die Hürden sein.

6. Wie groß sind die Chancen für Serena Williams, dass sie nun den 24. Grand-Slam-Titel gewinnt und einen weiteren Rekord aufstellt?

Williams ist die Nächste, die eine Bestmarke aufstellen kann: Ein Slam fehlt der 37-Jährigen noch, dann hat sie Margaret Court eingeholt; die Australierin, die aufgrund ihrer homophoben und anderen diskriminierenden Aussagen nicht als allergrößte Leuchte aufgefallen ist, hat in den Sechzigern und Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts 24-mal triumphiert. Auch zu Amateurzeiten also. Williams jedoch ist und bleibt oft ein Rätsel. Ihre Rückkehr nach der Geburt der Tochter verlief schlagzeilenträchtig und durchaus erfolgreich. Aber nicht total erfolgreich. Sie gewann kein Turnier seitdem, zuletzt spielte sie kaum noch. In Paris wird sie 2019 erst ihr zweites Match auf Sand bestreiten. In Rom zog sie früh zurück. Jüngst zeigte ein Foto sie bei einem Besuch in Disneyland Paris. Sie saß im Rollstuhl. Reine Vorsorge, hieß es. In Roland Garros trainierte sie jedenfalls normal. Beim Media Day fehlte sie.

7. Welche Auslosung haben die deutschen Spielerinnen und Spieler erwischt?

Die "Sandplatzgötter", wie sich eine Truppe ambitionierter Hobbyspieler im Internet und auch in einer Kolumne des Tennis Magazins nennt, textete dazu pointiert: das "deutsche Desaster-Draw". Elf deutsche Männer haben sich zwar fürs Hauptfeld qualifiziert, aber die zugelosten Gegner sind in der Ballung so schwer wie selten. Yannick Hanfmann muss sich mit Nadal messen. Maximilian Marterer (der sich von Trainer Michael Kohlmann getrennt hat) trifft auf den Griechen Stefanos Tsitsipas. Cedrik-Marcel Stebe duelliert sich mit dem Russen Karen Chatschanow. Jan-Lennard Struff mit dem Kanadier Denis Shapovalov. Peter Gojowczyk mit dem Franzosen Jo-Wilfried Tsonga. Yannick Maden würde nach gewonnener erster Runde wohl gegen Hanfmann spielen. Kleiner Spaß. Gegen Nadal, außer es geschieht ein Wunder oder die bekannte Mumps-Epidemie. Bei den deutschen Frauen (sieben im Hauptfeld) herrscht ein nicht ganz so krasses, aber dennoch düsteres Bild. Julia Görges spielt gegen die Estin Kaia Kanepi, Mona Barthel gegen die Französin Caroline Garcia, Andrea Petkovic gegen die Amerikanerin Alison Riske.

© SZ vom 26.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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