French Open:"Angelique ist außergewöhnlich"

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Trotz einer couragierten Leistung unterliegt Angelique Kerber im Viertelfinale der French Open Sara Errani mit 3:6 und 6:7, sie wurde von der zähen Italienerin mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Errani hat nach dem Spiel tröstende Worte für Kerber übrig.

Milan Pavlovic, Paris

Wenn Angelique Kerber diesen einen Ballwechsel, den längsten der ganzen Partie, noch einmal bestreiten dürfte, den Sara Errani mit einem mutigen Vorhandstop entschied; wenn die Deutsche sich vier Punkte später nicht wieder auf zu viele Mondbälle von der Grundlinie eingelassen hätte; wenn sie einen der beiden Satzbälle im zweiten Durchgang genutzt hätte, dann hätte kein Konjunktiv bemüht werden müssen, und die Kielerin hätte gute Chancen gehabt, dem Viertelfinale bei den French Open eine frappierende Wende zu geben.

Niederlage trotz guter Leistung: Angelique Kerber unterliegt Sara Errani. (Foto: AFP)

So aber unterlag die 24-Jährige ihrer um ein Jahr älteren Gegnerin 3:6, 6:7 (2). Die Italienerin darf sich nun im Halbfinale mit der Australierin Samantha Stosur messen, die 6:4, 6:1 gegen Dominika Cibulkova gewann, Erranis hellblondes Ebenbild.

Wer wie Kerber nicht die ultimativen Mittel besitzt, um Spiele nach Belieben zu dominieren, für den wird jedes größere Spiel ein Test: Wie kann man Punkte erzielen, wie die Kontrahentin ausmanövrieren? In den ersten vier Runden hatte die derzeit beste deutsche Spielerin auf jede Herausforderung Lösungen gefunden und oft sehr gut reagiert.

Sie bereitete ihre Punktgewinne gut vor, oder sie gab den Gegnerinnen die Gelegenheit, Fehler zu begehen. Das ist nichts Verwerfliches, sondern im Gegenteil ein Zeichen von Klugheit. Sie zeigte, dass sie - anders als manche ihrer Landsfrauen - auf verschiedene Arten gewinnen kann. Der Igel ist schon da

Auch im Viertelfinale war Kerber hellsichtig genug, um früh zu merken, dass Plan A gegen Sara Errani nicht aufgehen würde. Denn die Italienerin schafft es trotz ihrer gerade einmal 1,64 Meter , den Platz formidabel abzudecken. Das Hase- und Igel-Spiel beherrscht die Nummer 24 der Weltrangliste wie nur wenige andere

auf der Tour, und anfangs kannte sie auf jede Idee von Kerber die bessere Antwort: attackierte die Deutsche frech auf deren Vorhand, erwischte sie oft auf dem falsche Fuß, setzte Stops, ging freiwillig ans Netz, setzte Volleys und ließ einfach nicht zu, dass ihre Gegnerin ihrerseits das ungemütliche Spiel einer Linkshänderin mit tückischen Winkeln aufziehen konnte.

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Bilder aus Paris

Im Gegenteil: Kerber musste laufen und konnte nicht einmal ihren Paradeschlag, die aus vollem Lauf geschlagene Vorhand, gewinnbringend einsetzen, da die Italienerin sie dazu zwang, für beinahe jeden Punktgewinn zwei Schläge mehr als zunächst gedacht zu machen.

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Bilder aus Paris

Weil beide Spielerinnen keine Aufschlagmonster sind, kam es zu etlichen langen, umkämpften Ballwechseln. Über Nacht war es in Paris wieder etwas freundlicher geworden, die Sonne gab ein Gastspiel und machte den Court Suzanne Lenglen wenigstens etwas schneller. Der zweitgrößte Platz der Anlage, auf dem vor einem Jahr Andrea Petkovic ihr Viertelfinale gegen Maria Scharapowa verlor und auf dem es überraschend wenig Unterstützung von deutschen Fans gab, ist berüchtigt dafür, dass er die Schläge mehr bremst als irgendein anderer in Paris. Angriffsspieler wie Roger Federer mögen ihn überhaupt nicht, Sandwühlerinnen wie Sara Errani dagegen sehr.

Kerber versuchte nach dem Aufschlagverlust zum 0:1 schon bald, den Rhythmus zu durchbrechen und der Italienerin neue Aufgaben zu stellen. Doch diese blieb cool und gleichmütig: sagte nichts, schimpfte nicht, und weigerte sich, leichte Fehler zu begehen. Und gegen ihren zweiten Aufschlag, der mitunter nur mit 100 km/h über das Netz segelte, wusste Kerber zu oft keine Antwort. So ging der erste Satz nach 39 Minuten vollkommen verdient an die 25-Jährige aus Bologna.

Kerber wäre allerdings nicht unter die Top 10 der Welt vorgestoßen, wenn sie nach so einem Satz den Kopf hängen ließe. Und tatsächlich war es nun immer häufiger sie, die einen Ball mehr zurückbrachte, als es Errani erwartete. Es erstaunte fast, dass die Italienerin zu Fehlern der leichteren Art fähig war. "Ich war plötzlich ein bisschen müde", gab die Italienerin später zu, "das hat sie ausgenutzt. Angelique ist eine außergewöhnliche Spielerin, die dir eine Bombe vor die Füße knallt, wenn du denkst, du hättest sie ausmanövriert."

Das Problem war nur, dass Kerber die Vorteile, die sie sich verschaffte, nicht in eine deutlichere Führung ummünzen konnte. Ihrem Break der Partie, zum 2:1 im zweiten Satz, folgte das Rebreak, weil Kerber drei Spielbälle zum 3:1 nicht nutzen konnte. Dieses Prozedere wiederholte sich ab 3:3 dreimal: Vorteil Kerber, Vorteil verspielt - mit dem traurigen Höhepunkt der beiden vergebenen Satzbälle zum 7:5. Nach sechs Breaks in Serie landeten die beiden Kämpferinnen im Tiebreak, wo die Rechnung relativ einfach war.

Kerber beging fünf Fehler, die Italienerin nur einen. "Es war ein seltsamer Satz", sagte Errani, die Ende des zweiten Durchgangs tatsächlich erstmals aus sich herausging, als sie fürchtete, in den dritten Satz zu müssen. "Aber ich wollte ihn nicht verlieren, und deshalb habe ich mich noch einmal voll reingehängt." Kerber ist wegen ihrer Bilanz von 14:0 im letzten Satz besonders gefürchtet.

Nach dem Matchball hielt Errani inne. Jetzt wurde Errani klar, was ihr gelungen war: der erste Einzug in ein Grand-Slam-Halbfinale. Schreiend hüpfte sie über den Platz, ein Bild, das man sich auch von Angelique Kerber wieder vorstellen kann. Wenn sie ihren nächsten Test besser besteht.

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