French Open: Roger Federer:Schweizer im Schatten

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Weitgehend unbemerkt hat Roger Federer in Paris sein 28.Grand-Slam-Viertelfinale hintereinander erreicht, so entspannt wie in diesen Tagen wirkte der Schweizer wohl noch nie. Nun trifft er auf den Franzosen Gael Monfils.

Milan Pavlovic, Paris

Wie kann jemand, der 16 Grand-Slam-Titel gewonnen hat, weitgehend unbemerkt ins Viertelfinale der French Open schleichen? Anschauungsunterricht erteilt Roger Federer, der dies im Schatten von Novak Djokovic und dem zu Turnierbeginn schwächelnden Rafael Nadal sowie all jenen etwas hysterisch beleuchteten französischen Hoffnungsträgern vollbracht hat. Ohne Satzverlust wohlgemerkt.

Gelassen und niemals gestresst: Roger Federer nach seinem Sieg gegen Stanislas Wawrinka. (Foto: dpa)

Jetzt sitzt er im Pressesaal, der für Federer-Verhältnisse spärlicher besucht ist als einst - auf dem Court Central fertigt zur gleichen Zeit Novak Djokovic den einheimischen Richard Gasquet ab - und erzählt. Minutenlang beantwortet er die Frage nach dem Gegensatz zwischen ein- und beidhändiger Rückhand; der Beitrag könnte unbearbeitet ins Internet gestellt werden. In den vorangegangenen Tagen hatte er schon ausgiebig über die Rolle des Glücks im Tennis und den Aufschlag an sich geredet.

Ähnlich gelassen hat er es zwar schon in seinen erfolgreichsten Zeiten gehalten ("Haben Sie mich jenseits des Platzes jemals gestresst erlebt?"), aber so entspannt wie in diesen Tagen wirkte der Schweizer wohl noch nie. Sollte er jemals so etwas wie Neid oder Unverständnis verspürt haben, dass er seit Ende Januar weder die Nummer eins oder zwei der Tenniswelt ist und er derzeit nicht mehr im Licht der großen Scheinwerfer auftaucht, dann sieht man ihm das nicht an.

"Ich hatte jetzt sieben Jahre lang erhöhten Druck in Paris", sagt Federer. "Zunächst, weil ich mich beweisen und den einen fehlenden Grand-Slam-Titel gewinnen musste; und dann 2010, weil ich den Titel in Paris zu verteidigen hatte. Das alles gibt es in diesem Jahr nicht, und das ist nicht schlecht für mich."

Die entspannte Haltung nimmt er bisher mit auf den Platz. Sein Landsmann Stanislas Wawrinka, im Achtelfinale chancenlos, gab zu Protokoll: "Roger variiert enorm gut und lässt einem keinen Raum zum Atmen und keine Zeit, um sich zu sammeln." Janko Tipsarevic, Federers Opfer in der dritten Runde, war besonders von Federers Aufschlag beeindruckt:

"Er serviert vielleicht nur fünfmal pro Partie schneller als 200 km/h, aber jeder Aufschlag geht maximal fünf Zentimeter von der Linie entfernt ins Feld, wenn er sie denn nicht trifft. Das ist kein Glück, das ist einfach Präzision."

Die Tatsache, dass er bislang unangetastet blieb, hat auch mit Federers Selbstbewusstsein zu tun, gegen bestimmte Gegner immer gut zu spielen. Seine Statistik gegen die meisten Spieler auf der Tour ist überwältigend gut, das dürfte auch seine möglichen Viertelfinalgegner David Ferrer oder Gael Monfils beeindrucken.

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"Man fühlt sich schon ein wenig unbesiegbar, wenn man gegen einen Gegner antritt, den man zuvor sechs, sieben Mal in Serie bezwungen hat", sagt Federer. "Wir Spieler sind uns dieser Serien bewusst, und man sagt sich, dass schon etwas richtig Verrücktes passieren muss, damit man verliert. In einem K.o.- Sport wie Tennis darf man sich nie sicher sein, und man darf nie den Respekt vor dem Gegner verlieren, aber die Bilanz verleiht schon zusätzliche Sicherheit."

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Die Gegner spüren das. Janko Tipsarevic beschreibt das so: "Je nachdem, ob Roger führt oder zurückliegt, ist er ein komplett anderer Spieler. Wenn er führt oder sich bei eigenen Aufschlagspielen wohl fühlt, ist es ungeheuer schwer, mit ihm mitzuhalten. Er fängt dann an zu experimentieren und sich beim Service des Gegners auszutoben. Und viele Sachen gehen dann wie selbstverständlich gut."

Das Gegenteil ist allerdings auch wahr, und das ist es, was Federer in diesem Jahr die wichtigen Spiele gekostet hat: Wenn er zurückliegt, sieht es oft so aus, als wüsste er nicht, wie er reagieren soll. Schlimmer noch: Es wirkt oft, als hätte er keinen Plan B. Das war zuletzt so gegen Nadal in Madrid, als er nach gewonnenem ersten Satz den Faden verlor. In Rom führte er gegen Gasquet 6:4, 4:2 und ließ den Franzosen ins Spiel zurück, was vor ein paar Jahren noch undenkbar war.

Nach der Gasquet-Niederlage sagte Federer den bedenklichen Satz: "Als es in den zweiten Tie-Break musste, wusste ich, dass ich verlieren würde." Wie so oft bei Niederlagen der jüngeren Vergangenheit tröstete sich der Schweizer damit, "gut gespielt" zu haben und "Teil eines spektakulären Spiels" gewesen zu sein. Ob er mit dieser Haltung noch ein großes Turnier gewinnen wird?

InParis hat der 29-Jährige jetzt zum 28.Mal hintereinander das Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers erreicht, ein weiterer unglaublicher Federer-Rekord; übersetzt bedeutet er, dass er seit Juni 2004 bei den vier großen Turnier stets unter den letzten Acht war . "Das ist großartig", findet Federer, der ein gutes Gefühl für historische Leistungen hat und weiß, dass er danach 25 Mal ins Halbfinale und 20 Mal ins Finale kam.

"Aber diese Serie bedeutet letztlich nichts anderes, als dass ich mir die Möglichkeit auf mehr erarbeitet habe." Der Schweizer weiß allerdings auch, dass die vergangenen vier Grand-Slam-Endspiele ohne ihn stattfanden - und dass plötzlich Konkurrenten wie Novak Djokovic behaupteten, nicht Federer, sondern Rafael Nadal sei erster Anwärter auf den inoffiziellen Titel des besten Spielers der Tennis-Geschichte.

Wenn alles nach Plan geht, kann Federer am Freitag ein paar Argumente für sich einbringen. Im Halbfinale gegen Novak Djokovic.

© SZ vom 31.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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