Frauenfußball-EM:Goliath muss treffen

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Es läuft, aber der Ball will nicht ins Tor: Lina Magull (links) im Spiel gegen Schweden. (Foto: AFP)
  • Gegen Italien will Deutschland den vorzeitigen Schritt ins Viertelfinale schaffen.
  • In der Nationalmannschaft herrscht allerdings bislang ein Mangel an Präzision im Abschluss. Doch nun muss ein Tor her.
  • "Wir müssen jetzt punkten. Da gibt es kein Larifari", sagt Torhüterin Almuth Schult.

Von Anna Dreher, Tilburg

Als das Spiel endlich vorbei war, begannen die Schmerzen. Das Adrenalin hatte zuvor alle Empfindsamkeiten verdrängt, sie wären völlig fehl am Platz gewesen bei diesem Gegner. Aber dann, als der Schlusspfiff durch das Stadion schrillte, waren die Flecken, die ihre Beine bedeckten nicht mehr nur blau, sie taten auch weh. Simone Laudehr hatte alles gegeben in diesem Viertelfinale bei der Fußball-Europameisterschaft 2013 gegen Italien, obwohl sie sich mit einem Knorpelschaden nach acht Monaten Verletzungspause durch das Turnier kämpfen musste. In der 26. Minute schoss sie das 1:0, am Ende zeigte sie ihre Mitbringsel fast schon wie eine Trophäe - sie hatte ja gewonnen.

Duelle gegen Italien waren für die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft auf dem Platz noch nie eine angenehme Angelegenheit. Entsprechend sind die Erwartungen vor dem zweiten Gruppenspiel bei der EM in den Niederlanden am Freitagabend (20.45 Uhr/ARD) in Tilburg. "Die Italienerinnen spielen sehr nickelig und aggressiv, das ist alles sehr theatralisch", sagt Abwehrchefin Babett Peter. "Das wird nicht einfach, sie werden tief stehen, und wir müssen uns behaupten."

Wer trifft das erste Mal für Deutschland?

Die Nationalspielerinnen wissen also, was sie erwartet. Aber Simone Laudehr, die Kämpferin, ist in diesem Sommer nicht dabei. Was sie also noch nicht wissen, ist, wer gegen Italien das entscheidende Tor schießt. Und: Wer trifft überhaupt das erste Mal für Deutschland bei dieser EM?

Zu unterstellen, dass Bundestrainerin Steffi Jones ein Problem in der Offensive habe, wäre eine überzogene Behauptung. Im Kader stehen ihr hochveranlagte Angreiferinnen wie Mandy Islacker, Hasret Kayikci, Lena Petermann, Svenja Huth oder die erfahrene Anja Mittag zur Verfügung. Ganz abgesehen von Mittelfeldspielerinnen wie Dzsenifer Marozsan oder Sara Däbritz, die ebenso torgefährlich sind. Das Problem ist nur: Beim Auftaktspiel gegen Schweden wurde oft geschossen, aber nicht getroffen, wobei die fehlende Präzision auch auf das Kaliber des Gegners und die Nervosität zurückzuführen war, die viele Spielerinnen später bestätigten: Zwölf von 23 waren noch nie bei einer EM.

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Die fehlende Ruhe hätten erfahrene Akteurinnen wie Laudehr oder Alexandra Popp ins Spiel bringen können, beide fehlen verletzungsbedingt. Auf dem Platz standen Mittag und Huth. Erstere konnte sich nicht entscheidend gegen die kompakte schwedische Abwehr durchsetzen; auf Letztere hatte Jones große Hoffnungen gesetzt, doch Huth musste ausgewechselt werden und wird wegen eines Muskelfaserrisses im Oberschenkel bis zum möglichen Halbfinale ausfallen. "Das ist ärgerlich für uns", sagt Torhüterin Almuth Schult. "Aber wir haben Alternativen."

Mandy Islacker zeigte nach ihrer Einwechslung, dass sie zu diesen Alternativen gehören kann. In den vergangenen beiden Spielzeiten schoss die 28-Jährige so viele Tore wie keine andere in der Bundesliga und verpasste gegen Schweden das Ziel immer nur knapp. Weil es den Kolleginnen nicht anders ging, führt nach dem 2:1 gegen Italien nun vorerst Russland die Gruppe an.

"Wir müssen jetzt punkten. Da gibt es kein Larifari"

Mit einem Sieg am Freitag könnten die Deutschen den Einzug ins Viertelfinale weiterhin schaffen, Italien wäre abgefangen. Also? "Wir müssen jetzt punkten. Da gibt es kein Larifari", sagt Schult. Jones erwartet bei diesem Unterfangen einen Gegner, der kompakt auftritt. "Italien arbeitet viel mit langen Bällen und wird versuchen, sein Konterspiel aufzuziehen", sagt die 44-jährige Trainerin. "Die Italienerinnen agieren in den Zweikämpfen bissig. Darauf haben wir uns eingestellt."

Rein statistisch gesehen, hat das Gewinnen gegen die Italienerinnen bislang immer gut geklappt. Die Squadra Azzura war zwar das letzte Team, das Deutschland bei einer EM rausgeworfen hat (1993 im Halbfinale), sie hat von 26 Begegnungen aber nur vier gewinnen konnte. Im Team von Trainer Antonio Cabrini, dessen Ziel das Viertelfinale ist, herrscht Respekt vor der nächsten Aufgabe. "Deutschland ist die stärkste Mannschaft der Welt", sagt Ilaria Mauro. "Es ist ein Duell wie David gegen Goliath."

Der Schuss von Simone Laudehr damals, 2013 in Schweden, war im Strafraum-Getümmel übrigens abgefälscht worden. Die Italienerin Elisa Bartoli kam mit ihrem Fuß an den Ball. Sie steht auch in diesem Jahr im Kader der italienischen Nationalmannschaft.

© SZ vom 21.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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