Frauen-WM 2011: Lotta Schelin:Lächeln, tanzen, Tore schießen

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Die Schwedin Lotta Schelin ist so, wie diese Frauen-Weltmeisterschaft gerne sein möchte: sportlich herausragend, abseits des Platzes charmant - und vor allem stets locker lachend und fröhlich tanzend. Spätestens seit dem Viertelfinale ist die schwedische Angreiferin das wahre Gesicht dieses Turniers.

Jürgen Schmieder, Augsburg

Linker Fuß nach vorne, rechter Fuß nach vorne. Hüfte nach hinten, Hüfte nach vorne. Rechte Hand nach oben, halbe Drehung nach hinten. Linke Hand nach oben, halbe Drehung nach vorne. Beide Hände nach oben, die Finger zucken. Noch eine halbe Drehung, und wieder eine zurück.

Immer lächeln: Lotta Schelin, die schwedische Angreiferin. (Foto: dapd)

So funktioniert er, der Jubeltanz der schwedischen Fußballerinnen, den sie in Kurzform nach jedem Treffer und in der Langversion nach gewonnenen Spielen präsentieren. Logobitombo heißt der Tanz, Lotta Schelin hatte ihn bei Olympique Lyon von einer Mitspielerin gelernt und ihren Kolleginnen bei der Nationalelf beigebracht.

"Wir gewinnen, also tanzen wir weiter", sagte die schwedische Angreiferin nach dem 3:1 gegen Australien. Und lachte. Sie scheint dauernd zu lachen, diese Lotta Schelin, nicht nur nach Toren oder Siegen - sie lacht auch nach einer vergebenen Torchance oder wenn ihr ein Journalist zum vierten Mal die gleiche Frage stellt

Das Publikum in Augsburg sei ein wenig für Australien gewesen, sagte Schelin zur Stimmung im Stadion. Schließlich hätte sich die deutsche Elf nur bei einer Niederlage Schwedens für die Olympischen Spiele qualifizieren können. "Das ist in Ordnung, es war gerade deshalb eine fantastische Atmosphäre", sagte Schelin. Und lachte.

Schelin hatte einen Treffer erzielt in diesem Spiel, ihren ersten bei dieser Weltmeisterschaft. Dazu hatte sie das Führungstor durch Therese Sjögran herausragend vorbereitet. Wie schon gegen die USA wurde sie später zur Spielerin der Partie erklärt. Dazu musste man im Augsburger Stadion nachfragen, ob nicht ein Entfesslungskünstler anwesend war, der die Knoten in den Beinen der australischen Verteidigerinnen würde auflösen können.

Diese Weltmeisterschaft soll Werbung machen für den Frauenfußball, bestenfalls soll sich eine Nachhaltigkeit einstellen, die mehrere Jahre anhält. Dazu braucht es neben spannenden Spielen in möglichst gut gefüllten Stadien vor allem Spielerinnen, deren Gesichter und Namen sich ins Gedächtnis der Beobachter tätowieren. Lotta Schelin ist so, wie dieses Turnier gerne sein möchte.

27 Jahre ist sie alt, kürzlich gewann sie mit Olympique Lyon die Frauen-Champions-League. In Schweden gilt sie nach 38 Treffern in 91 Länderspielen bereits als Heldin, in Augsburg waren auf den meisten Trikots der Fans die Namen Lotta oder Zlatan zu sehen. Zlatan, das ist der prägende Offensivspieler bei den Männern - und nicht wenige vergleichen Schelin mit Zlatan Ibrahomovic.

Viertelfinale: Einzelkritik Schweden
:Gruppenknuddler und Freudentänzer

Lisa Dahlkvist will von allen Mitspielerinnen geknuddelt werden, Therese Sjögran will lieber gemeinsam tanzen - und Lotta Schelin ist der einzige Mensch weltweit, der rosa Fußballschuhe tragen sollte. Die fröhlichen Schwedinnen beim 3:1 gegen Australien in der Einzelkritik.

Jürgen Schmieder, Augsburg

In der Tat erinnert ihre Spielweise ein wenig an Ibrahimovic. Für ihre Größe (1,79 Meter) ist sie erstaunlich flink und quirlig. Dazu ist Schelin eine Fußballerin, die den Ball lieber streichelt, als dass sie auf ihn einprügelt. Gegen Australien nahm sie einmal den Ball mit dem Außenrist an, dann touchierte sie ihn kurz mit der Sohle, um ihre Gegenspielerin in die falsche Richtung zu schicken. Schließlich legte sie sich das Spielgerät mit dem linken Innenrist vor und schlenzte dann mit dem rechten Fuß aufs Tor.

Lotta Schelin ist der einzige Mensch auf Erden, der ungestraft rosa Schuhe tragen darf. (Foto: AFP)

Ibrahomivic' Talent wird von seinem Ego übertroffen, Schelins von ihrem Lächeln. Sie ist so, wie dieses Turnier gerne sein möchte: sportlich höchst anspruchsvoll, dazu charmant - und vor allem stets locker lachend und fröhlich tanzend. Wenn eine Mitspielerin einen Fehlpass spielt, sieht man keine martialischen Gesten, man hört kein böses Wort - ja, wirklich: Auch dann lacht sie meist.

Freilich weiß sie ihren Charme gewinnbringend einzusetzen. Auf die Frage etwa, was sie an der WM-Atmosphäre bislang besonders beeindruckt habe, sagte sie: "Deutsche Männer in schwedischen Trikots!" Das habe "niedlich ausgesehen" und schließlich stehe gelb und blau fast jedem. Dazu geht ihre Armbanduhr exakt drei Stunden und 13 Minuten vor. Warum? Das verrät sie nicht - aber wer sich in diesen Momenten nicht ein wenig in diese Frau verliebt, dem hat die Natur ein steinernes Herz gegeben.

Fatmire Bajramaj sollte das deutsche Gesicht dieses Turniers werden, es gab kaum ein Werbeplakat, auf dem sie nicht abgebildet war, keine Dokumentation, in der sie nicht die Hauptrolle spielen musste - sie war gar auf den Müllautos in Gladbach zu sehen. Doch wenn am Ende in der Statistik mehr Fehlpässe als Spielminuten stehen, dann wird klar, dass dieses Image arg konstruiert war. Die amerikanische Torfrau Hope Solo wirkt bei all ihren Fähigkeiten bisweilen ein wenig verbissen.

Die fußballerischen Vorzüge der Brasilianerin Marta sind herausragend, doch gab sie sich bei ihren Auftritten derart egozentrisch und selbstverliebt, dass es dem neutralen Fan sehr schwer fiel, sich für sie zu begeistern. Im Gegenteil, beim Spiel gegen die USA wurde sie ausgepfiffen, nachdem sie Gegnerinnen und Publikum provoziert hatte - die passende Pointe war, dass sie zwei Tore schoss und am Ende dennoch scheiterte.

Und dann kommt da diese Lotta Schelin daher, umspielt ihre Gegnerinnen, tanzt mit den Kolleginnen und beantwortet nach den Spielen geduldig lächelnd jede Frage. "Das war ein ganz toller und perfekter Tag", sagte sie nach dem Spiel gegen Australien immer wieder - ganz egal, wie die Frage lautete.

Ganz ohne Allüren freilich kommt sie nicht aus. Sie trägt neonpinke Fußballschuhe, dazu neonpinke Fingernägel und meist ein neonpinkes Stirnband. Kurz vor dem WM hat sie einen Ausrüstervertrag unterschrieben und wird nun für die Lionel-Messi-Schuhserie werben - allerdings für die pinke Version.

Würde man sie fragen, warum sie das tut, dann würde sie wahrscheinlich angeben, dass Stirnband und Fingernägel in Kombination mit dem gelb-blauen Trikot einfach niedlich aussehen würden und dass man den Logobitombo am besten in diesen rosaroten Schuhen tanzt. Und natürlich würde sie dabei lächeln.

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