Franzosen in der Bundesliga:Der Dernier Cri auf dem Transfermarkt

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  • In der Bundesliga spielen derzeit 25 Spieler aus Fankreich - viele sind Leistungsträger in ihren Klubs.
  • Die Bundesliga ist einen Tick besser als die französische Ligue 1, bietet eine gute Infrastruktur aber keine übervollen Kader wie in der Premier League.
  • An den Beispielen Dembélé und Diallo sehen viele Spieler, dass es möglich ist, auch bei kleineren Vereinen wie Mainz den Sprung nach oben zu schaffen.

Von Jonas Beckenkamp

Neulich musste Borussia Mönchengladbachs Trainer Dieter Hecking ein wenig flunkern, als er erklären sollte, wie er denn nun mit seinem neuen französischen Top-Stürmer Alassane Pléa kommuniziere. Ein bisschen Deutsch sei dabei, ja klar, Fußball sei ja nicht so schwer zu erklären, dazu ein paar Brocken Englisch - und vereinzelt rede er Pléa sogar auf Französisch an, sagte Hecking: "Aber da macht er meist nur große Augen." Denn die Französischkenntnisse des Sportlehrers Hecking aus Castrop-Rauxel sind ausbaufähig, aber das hält den Angreifer Pléa aus Lille nicht davon ab, aktuell Tor um Tor zu schießen.

Achtmal traf der 25-Jährige bereits für Gladbach in der Bundesliga, dazu dreimal im Pokal. Wer ihm dabei zusieht, sieht eine außergewöhnliche Qualität im Kernbereich "Torabschluss", also da, wo es "bumm" macht. Pléas Schüsse sind oft wie Kanonenschläge, präzise und wuchtig - auch der FC Bayern musste das beim 0:3 gegen die Borussia schon erleben.

Zugleich zeigt dieses Erfolgsbeispiel, wie französisch die Bundesliga mittlerweile geworden ist. Franzosen schießen nicht nur Tore wie der Frankfurter Angreifer Sébastien Haller (wettbewerbsübergreifend zehn Saisontreffer), der Leipziger Jean-Kévin Augustin (acht) oder der Mainzer Jean-Philippe Mateta (drei). Sie verhindern Tore auch gekonnt. Bei Tabellenführer Dortmund tun dies zum Beispiel in der Abwehrreihe Abdou Diallo und Dan-Axel Zagadou, in Leipzig Defensivspieler namens Upamecano, Mukiele oder Konaté. Frankfurts Trendfranzose heißt Evan N'Dicka und in der Schwaben-Viererkette des VfB Stuttgart gibt es sogar einen echten "Weltmeischter": Benjamin Pavard.

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Diese Liste ließe sich fortführen bis zum Gladbacher Mickaël Cuisance oder zum Wolfsburger Jérôme Roussillon, aber man kann es sich auch leichter machen und einfach auf eine Zahl verweisen: 25 Gastarbeiter aus dem Nachbarland Frankreich haben sich mittlerweile in der Bundesliga eingefunden - so viele wie noch nie.

Nach "Made in Austria" ist derzeit "Made in France" die heißeste Importware im deutschen Fußball. Das war nicht immer so. Noch vor fünf, sechs Jahren galten Franzosen - abgesehen vom bajuwarisierten Evergreen Franck Ribéry - in der Bundesliga als Exoten. Das Bild heute ist völlig anders. In Mainz haben sie die aus Dortmund gerne genommenen 28 (!) Transfermillionen für Diallo direkt wieder in Frankreich reinvestiert, um unter anderem Moussa Niakhaté als Ersatz zu holen. Der 22-Jährige kam aus Metz und fügte sich nach einem Rekordplatzverweis in der ersten Pokalrunde (nach 134 Sekunden der schnellste dieses Jahrtausends) fast schon auf dem Niveau seines Vorgängers ein.

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Mainz stellt mit ihm als Innenverteidiger die zweitbeste Defensive der Liga. Zufall? "Wir haben über Jahre ein gut gepflegtes Netzwerk in diese Richtung etabliert", sagt 05-Sportvorstand Rouven Schröder, "Metz beispielsweise hat unter anderem eine starke Akademie, der Verein tätigt viele höherpreisige Transfers und bringt reihenweise gut ausgebildete Profis hervor." Entscheidend sei, sagt Schröder, dass in französischen Klubs - abgesehen vom Milliardenprojekt Paris Saint-Germain - junge Spieler schon früh Verantwortung in der Startelf bekämen. Schröder spricht von interessanten "Profilen", speziell seit dem Jahr 2016, was den Schluss nahelegt, dass der FSV mit einer gewissen Systematik in Frankreich nach Zugängen fahndet.

Die aktuell starken Jahrgänge um die Toptalente Mbappé oder Dembélé, der Auftrieb durch den WM-Titel in Russland, die von allen Seiten gepriesene Ausbildung - Frankreich gilt als der Dernier Cri auf dem Transfermarkt. Schon vor dieser Saison schwärmten etwa Schalke-Manager Christian Heidel und sein Gladbacher Kollege Max Eberl von dieser Entwicklung.

Diallo tritt an diesem Samstag mit dem BVB bei seinen alten Mainzer Kameraden an. Sein Beispiel zeigt auch, welche Marktlogik sich speziell die Mainzer zunutze machen: Geholt haben sie den Kapitän der französischen U 21-Nationalelf 2017 für nur fünf Millionen Euro aus Monaco. Er durfte sich entwickeln, bekam reichlich Einsatzzeit - und als es ihm in der Mainzer Nische zu eng geworden war, folgte der logische Schritt ins Establishment: zum BVB, in die Champions League. Dass Diallos Jahr in Mainz eine Erfolgsstory für beide Seiten war, also für den Spieler und für den Verein, der durch den Transfer auch finanziell sehr profitierte, das nutzte Schröder als Argumentationsgrundlage bei den Deals mit Niakhaté oder Mateta.

"Es ist wichtig, dass man im Gespräch mit möglichen neuen Spielern nicht nur von der Vergangenheit erzählen, sondern belegen kann, dass hier in Mainz wirklich der Sprung möglich ist", erzählt Schröder. "Wenn einer sich so gut und schnell entwickelt wie Abdou Diallo, bleibt er leider nicht ewig in Mainz. Aber er kann sich empfehlen und Mainz als Standort weiter aufwerten." Schließlich kassierte der Verein Geld für gleich drei oder vier Neue.

Dieser Mechanismus dürfte demnächst auch den VfB Stuttgart erfreuen, wenn sich der Wechsel von Benjamin Pavard zu den Bayern realisiert. 35 Millionen Euro soll der Abwehrmann im nächsten Sommer kosten, nach Stuttgart war er 2016 aus Lille für fünf Millionen gekommen.

Junge Profis aus Frankreich begreifen die Bundesliga immer mehr als Sprungschanze für ihre schicken Karrieren, für sie ist die deutsche Liga mit ihrer Infrastruktur eine "Steigerung", wie Schröder beobachtet hat. Und zwar ohne das Risiko, auf der Bank zu verwelken, wie es in den vollgestopften Kadern der englischen Premier-League-Klubs häufig der Fall ist. Der Wettbewerb in Deutschland ist etwas härter als daheim, das Niveau etwas höher, der Kulturschock gering, gutes Geld lässt sich auch verdienen: eine runde Sache also.

Die Bundesliga profitiert von der Dynamik eines Marktes, der sich sogar über Frankreich hinaus erstreckt. "Durch die Landesgeschichte haben französische Vereine in den früheren Kolonialgebieten ein dichteres Netzwerk und finden dort schneller dynamische, robuste Fußballer", weiß Schröder. So betrachtet, erweitert sich der Kreis der "Bundesliga-Franzosen" sogar noch um Spieler wie Schalkes Halbmarokkaner Amine Harit, den Hoffenheimer Ishak Belfodil (algerische Wurzeln) oder den Mainzer Jean-Philippe Gbamin (Ivorer, aufgewachsen in Nordfrankreich).

Ein weiterer prominenter Bundesliga-Franzose kehrt in diesen Tagen aufs Feld zurück: Kingsley Coman flitzt beim FC Bayern wieder über den Trainingsplatz, bald soll sein Comeback nach Syndesmoseriss erfolgen. Und den verletzten Münchner Weltmeister Corentin Tolisso (Kreuzband) gibt es auch noch.

© SZ vom 23.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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