Basketball in der NBA:Franz Wagner trifft wie in Trance

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Franz Wagner war völlig in seinem Element gegen die Detroit Pistons - das ließ er auch die Fans in Michigan wissen. Einst spielte er schließlich ums Eck in Ann Arbor am College. (Foto: Ni Antaya/Getty Images via AFP)

Wenn jeder Wurf sitzt: Der deutsche Basketball-Weltmeister stellt mit 38 Punkten gegen Detroit seine Bestleistung ein - auch, weil er die Langsamkeit für sich entdeckt hat.

Von Jonas Beckenkamp

Irgendwann, es war schon spät im Spiel, zeigte Franz Wagner diese Geste ins Publikum. Nach einem weiteren versenkten Dreipunktewurf legte er den Zeigefinger auf die Lippen und blickte beim Zurücklaufen ins Publikum der Little Caesars Arena in Detroit. "Pssssst, ganz ruhig, Leute, hier brennt heute nichts an", sollte das heißen. Ein kleiner Wink Richtung gegnerischer Fans, das darf man sich schon mal gönnen, wenn fast alles gelingt und einem der Korb so groß wie ein Swimmingpool erscheint.

Auch wenn die Detroit Pistons sich gegen Wagners Orlando Magic nach Kräften wehrten, war spätestens zu diesem Zeitpunkt klar, wer in dieser NBA-Partie wen zum Schweigen bringt. Das 111:99 bescherte Wagners Team den dritten Erfolg in Serie - und dem deutschen Basketballer eine Punkteausbeute, die er zuvor erst einmal geschafft hatte, vor etwas über zwei Jahren bei einer Niederlage gegen Milwaukee. Bei aller Vorsicht mit Superlativen war es diesmal im Bundestaat Michigan, wo der 22-Jährige einst am College zum Profi heranwuchs, aber ein noch speziellerer Abend: Wenn man schon von einer herausragenden Leistung spricht, dann gehört auch ein Sieg dazu.

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"Franz war unglaublich, er spielte so selbstsicher", schwärmte sein Trainer Jamahl Mosley und wies direkt auf eine Besonderheit hin: "Er hat 38 Punkte erzielt, ohne einen einzigen Freiwurf zu werfen. Das ist beeindruckend. Das ist das höchste Level." Der gebürtige Berliner war vor allem nach der Pause in eine Art Trance geraten, ein Zustand der Vollkommenheit, in dem jeder Versuch saß. Zu bestaunen war das komplette Paket: Dunks, Dreier, Korbleger, Bogenlampenwürfe, er umkurvte mit seinen raumgreifenden Schritten die Gegner wie ein Virtuose im Ballett, so dass Detroits Defensive kapitulierte.

Es sind Details in Franz Wagners Offensivrepertoire, die einen Unterschied machen

"Ich hab's immer wieder in die Zone geschafft, konnte viele Pick and Rolls laufen und hab' meine Würfe getroffen, das hilft, um im Rhythmus zu bleiben", erklärte er auf der Pressekonferenz. Da war vom Adrenalin auf dem Parkett nicht mehr viel zu spüren, Wagner sprach ruhig und abgeklärt, als hätte er soeben einen weiteren Tag im Büro seinen Dienst erledigt. Die Anerkennung folgte prompt, sogar vom gegnerischen Trainer: "Er ist allein wegen seiner Größe ein sehr effizienter Rollenspieler und hat ein gutes Gespür für seine Aktionen", fand Pistons-Trainer Monty Williams - wobei "Rollenspieler" schon eine arge Untertreibung ist, wenn man Wagners Entwicklung betrachtet.

In seinem dritten NBA-Jahr hat er sich nicht nur statistisch weiter verbessert (aus zuvor 18 Zählern pro Spiel sind über 20 geworden), er hat auch seine Art Basketball zu spielen verfeinert. Es sind Details in seinem Offensivrepertoire, die einen Unterschied bedeuten. Erst kürzlich sprach Wagner im Podcast seines früheren NBA-Kollegen JJ Reddick darüber, was er sich vorgenommen hat: Es geht um die Entdeckung der Langsamkeit. "Ein Aspekt in meinem Spiel, den ich verbessern möchte, ist, langsamer zu werden, wenn ich nah am Korb bin", sagte er im Januar in der Sendung "The Old Man & The Three".

Ein Basketballer, der aufs Bremspedal drückt? Das klingt zunächst kurios, es braucht gerade im Athletikzirkus der NBA jede Art von Dynamik, um zu punkten. Aber letztlich verspricht genau das Vorteile. "Diese Verzögerung bringt mir mehr Kontrolle beim Abschluss und hilft mir, weniger schwierige Würfe von außen zu nehmen", so Wagner. Ein Meister dieser Drosselungstaktik ist Dallas-Mavericks-Zaubermeister Luka Doncic, der mit ähnlicher Finesse das Tempo des Spiels so herunterschraubt, dass er die Verteidiger in Ruhe auswackeln kann. So geht auch Wagner vor, nur ist er mit 2,08 Metern noch um einiges größer und sprunggewaltiger als Doncic (2,01 Meter).

Die Partie gegen Detroit diente als Blaupause für seinen Lernprozess, der sich sogar aufs Team übertrug. "Speziell zum Ende hin haben wir das Spiel langsamer gemacht", hatte der Deutsche beobachtet, "so konnten wir uns die Würfe erarbeiten, die wir brauchen." Und die Freiwürfe? Die benötigte Wagner diesmal gar nicht, aber er will wie Doncic gerne mehr von ihnen, schließlich garantieren sie noch mehr leichte Körbe. "Mit Körperkontakt anzugreifen, ist etwas, was ich noch vertiefen will", erklärte Wagner, "dann bekomme ich auch öfter Freiwürfe." Auch diese Disziplin des Basketballs ist übrigens bestens geeignet, um gegnerische Hallen zur Ruhe zu bringen.

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